Am Niederrhein. Er war früher fast überall am Niederrhein zu finden: der Kiebitz. Inzwischen ist der Bestand des Bodenbrüters dramatisch zurückgegangen. Was tun?

Wie das Glockenläuten in jeder Feldmark am Niederrhein gehörten die nasal quiekenden Balzrufe der Kiebitze im Frühjahr allerorten in unserer Region zur Sinfonie des Frühlings. Der Landbevölkerung war damit klar, jetzt startet das Jahr durch. Bald wird es blühen, wachsen und gedeihen. Doch die eindringlichen „kiewit“-Rufe des metallschimmernden Flugakrobaten werden immer seltener. Und das schon seit 1980. Seither ist der Kiebitzbestand bei uns um 90 Prozent geschrumpft. Ein ehemaliger niederrheinischer Allerweltsvogel mit „Leuchtturmfunktion“ auf landwirtschaftlichen Flächen, scheint bald von der Bildfläche verschwunden zu sein. Der Naturschutzbund Deutschland (NABU) und der bayerische Landesbund für Vogelschutz (LBV) wollen auf das Schicksal des markanten Wiesenvogels nachhaltig aufmerksam machen.

Gravierende Bestandsrückgänge

NABU-Naturkalender mit Motiven vom Niederrhein

Der NABU möchte dem Kiebitz helfen. Gern melden Sie Ihre Kiebitz-Beobachtungen: 02 81-1 64 77 87. – Und auch in diesem Jahr hat der Nabu, Kreisgruppe Wesel, einen großen Kunstdruckkalender mit Naturmotiven vom Niederrhein aufgelegt. Die 13 Naturfotos hat Kreisgruppen-Vorsitzender Peter Malzbender eingefangen. Format: 33 x 44 cm; Kunstdruck, glänzend mit Ringbindung, 16 Euro. Infos: 0281-164 77 87. Voransicht hier

Mit der Wahl zum Vogel des Jahres 2024 steht der Kiebitz nun nicht nur medial im Rampenlicht. Bundesweit sollen Artenschutzmaßnahmen für den Kiebitz verstärkt umgesetzt werden. Am Niederrhein werden bereits einige Projekte für die Wiesenvögel vorrangig von den Biologischen Stationen intensiv betreut.

Vogel des Jahres 2024

Mit zunehmenden Erfolgen. Wie konnte es dazu kommen, dass der Kiebitz, der wegen seines signifikanten Bestandsschwundes bereits schon 1996 erstmalig zum Vogel des Jahres gewählt wurde, weiter ungebremst Federn lassen muss? Wissenschaftler haben in ganz Deutschland die gravierenden Bestandsrückgänge der Wiesenvögel untersucht. Schafstelze, Braunkehlchen, Feldlerche, Wiesenpieper, Rebhuhn und Kiebitz sind überall auf einem erschreckenden Sinkflug. Auch am Niederrhein. Alle wissenschaftlichen Expertisen kommen zum Ergebnis, dass vorrangig der hohe Einsatz von Pestiziden, die Gülledüngung, die häufigere Landbearbeitung zur Brutzeit und der Flächenraubbau die maßgeblichen Ursachen seien.

Unser Gast-Autor Peter Malzbender, Vorsitzender der Nabu-Kreisgruppe Wesel.
Unser Gast-Autor Peter Malzbender, Vorsitzender der Nabu-Kreisgruppe Wesel. © privat

Gerade auf landwirtschaftlichen Flächen ist die Anzahl der hier lebenden Vögel deutschlandweit am gravierendsten zurückgegangen. Zwei Millionen Tonnen Gülle fallen jährlich in Deutschland an. Große Mengen davon werden aufs Land gebracht. Auch die gültige Gülleverordnung reicht nicht aus, um in der Feldflur den Artenschwund zu stoppen. Häufiges Düngen fördert zwar dichtere Mono-Pflanzenteppiche, aber damit auch eine sichtbare Pflanzenarmut. Ohne Pflanzenvielfalt verlieren jedoch allein Tausende Insekten-Arten ihren Lebensraum. Und damit schwindet auch das Futter für die Wiesenvögel immer mehr.

Förderung der Landwirtschaft

Bei der herkömmlichen Land- und Forstwirtschaft muss naturnahe Artenvielfalt als Produktionsziel eine bedeutende Rolle einnehmen. Und: Eine schonendere Landwirtschaft muss nachhaltig bedeutend stärker finanziell gefördert werden. Gerade beim fortschreitenden Klimawandel ist das auch unabdingbar für eine existenziell notwendige Grundversorgung der Menschen. Denn: Allein rund drei Viertel aller Blüten werden von Insekten bestäubt.

In Bottrop-Kirchhellen wurden schon vor einigen Jahren Hinweisschilder aufgestellt – zum Schutz der immer seltener werdenden Kiebitze.
In Bottrop-Kirchhellen wurden schon vor einigen Jahren Hinweisschilder aufgestellt – zum Schutz der immer seltener werdenden Kiebitze. © FUNKE Foto Services | Simon Gerich

Der Kiebitz ist ein Bodenbrüter, der meist schon Ende Februar sein Brutrevier am Niederrhein besetzt. Schon bald darauf signalisieren die Männchen mit spektakulären Balzflügen ihr Brutrevier. Salto Mortale und Loopings um die eigene Achse stehen beim halsbrecherischen Sturzflug auf dem Programm. Die Weibchen goutieren mit Stimmfühllauten das Spektakel. Die Regenpfeiferart lebt in der Regel monogam und kehrt bevorzugt an seinen Geburtsort zurück. Vorausgesetzt, Insekten und deren Larven sowie Würmer und andere Wirbellose sind noch schnabelgerecht am Boden zu ergattern.

Kleine Nestflüchter

Das Kiebitzmännchen scharrt zur Brutzeit mehrere Bodenmulden, die vom Weibchen begutachtet werden. Auch Probesitzen ist in dieser hochsensiblen Phase angesagt. Manchmal werden sogar gemeinsam einige trockene, erdfarbene Gräser und Pflanzenteile in die favorisierte Mulde gelegt.

Clever, bei Gefahr stellt sicj der Altvogel flügellahm, um Fressfeinde von den Jungtieren wegzulocken.
Clever, bei Gefahr stellt sicj der Altvogel flügellahm, um Fressfeinde von den Jungtieren wegzulocken. © Nabu | Peter Malzbender

Ein Vollgelege hat vier Eier. Beide Partner brüten abwechselnd. Je nach Anzahl der Störungen zwischen 21 und 28 Tagen. Nach dem Schlüpfen werden die Kleinen noch kurz im Bauchgefieder des Altvogels getrocknet. Als Nestflüchter machen sich die winzig kleinen Daunenknäuel alsbald auf die noch wackeligen Socken.

Ende Februar werden schon die Brutreviere besetzt

Und picken nach geraumer Zeit selbstständig nach klitzekleiner tierischer Nahrung. Natürlich immer mit Argusaugen vom Elternpaar bewacht. Warnrufe der Altvögel werden vom Nachwuchs umgehend befolgt. Regungslos in der Deckung verweilen ist dann Trumpf.