Am Niederrhein. Biber gestalten ihren Lebensraum selbst – ihre Rückkehr an den Niederrhein gilt als Erfolg des Naturschutzes. Hochwasserschützer sehen Risiken.

  • Biber sorgen durch ihre Dämme und Burgen für mehr Biodiversität am Niederrhein, sie schaffen wertvolle Lebensräume
  • In der Arbeit der emsigen Architekten sehen Deich-, Wasser- und Bodenverbände auch Konfliktpotenzial: Wer ist für Probleme zuständig, zahlt mögliche Schäden?
  • Der Nabu im Kreis Wesel sieht in dieser Diskussion lediglich einen Versuch, den Leumund des Bibers zu schädigen, Schäden gingen auf das Konto der Nutrias.

Vor 25 Jahren undenkbar: Der Biber ist wieder heimisch, überall am Niederrhein. Rund 20 Jahre hat er dafür gebraucht. Und Deutschlands größtes Nagetier baut sich die Welt, wie sie ihm gefällt, errichtet Burgen, baut seine Dämme und staut Bäche auf. Damit schafft er einzigartigen Lebensraum auch für andere Pflanzen und Tiere – einer der Gründe, warum das einst ausgerottete Tier den höchsten Naturschutz genießt, den die Europäische Union zu bieten hat: Flora, Fauna Habitat (FFH). Er darf weder gestört, getötet, noch verfolgt werden. Schließlich wurde Anfang der 2020er Jahre der Biber mühsam wieder am Niederrhein angesiedelt, davor war laut BUND das letze Exemplar im Jahr 1877 am Rhein gesehen worden.

Naturschützer haben Tiere aus der Elbregion, wo der Biber überlebt hatte, hier ausgewildert – federführend war der Verein Lebendiger Niederrhein, mit dem der Nabu-Kreisverband Wesel zusammenarbeitete. Und die Tiere haben die Region zurückerobert. Zur Freude der Naturschützer, doch der Nager sorgt auch für Diskussionen. Wo treten Probleme durch den emsigen Baumeister auf, wer ist Ansprechpartner, wer behebt die Schäden – und wer kommt letztlich dafür auf?

„Der Biber ist ein Lebensraumgestalter, der für mehr Biodiversität sorgt. Seine Ökosystemleistung ist gerade auch beim fortschreitenden Klimawandel von immenser Bedeutung. Kleine Auelandschaften können dabei entstehen, die dem schnell anschwellenden Hochwasser Paroli bieten“, sagt Peter Malzbender, Vorsitzender des Nabu-Kreisverbands Wesel.

Der Biber schafft Lebensräume, aber auch Konflikte beim Hochwasserschutz

Dem widerspricht Holger Friedrich nicht. Er ist Geschäftsführer des Deichverbandes Bislich-Landesgrenze und Sprecher des Arbeitskreises für Hochwasser und Gewässerschutz in NRW. Allerdings habe sich die Landschaft zwischen Aussterben des Bibers und seiner Wiederansiedlung von einer Natur- in eine Kulturlandschaft gewandelt, menschengemacht. Und die architektonischen Leistungen der Biber sorgten an manchen Stellen für Konflikte. „Unser Job ist es, den Hochwasserschutz zu garantieren und überschüssiges Wasser aus der Fläche abzuleiten, im Idealfall im Einklang mit der Natur.“

Auch er freue sich über den Biber, aber dazu gehöre es auch, Probleme zu betrachten und an Lösungen zu arbeiten. Das mache den Deichverband nicht zum „Umweltrüpel“, Deichverbände, Wasser- und Bodenverbände arbeiteten in und mit der Natur. Es helfe aber auch nicht, das Thema auszublenden oder erst anzugehen, „wenn mal ein Deich wegen des Bibers bricht“.

Deichverband möchte die Tiere vergrämen, wo sie unwillkommen sind

Auch im Hinterland benennt Friedrich Probleme. So habe jüngst ein Biber innerhalb einer Woche drei Dämme gebaut und das Gelände kniehoch angestaut. Die Betroffenen riefen nach dem Deichverband. Aus Friedrichs Sicht die erfolgreichste Methode wäre es, die Dämme dort abzubauen, wo sie problematisch sind, um die Biber zu vergrämen, und dort zu fördern, wo sie willkommen sind, an Baggerlöchern beispielsweise. Die Burgen, also das eigentliche Zuhause der geschützten Tiere, solle man aber nicht anrühren.

Charakteristische Fraßspuren des Bibers auf der Bislicher Insel (Archivbild).
Charakteristische Fraßspuren des Bibers auf der Bislicher Insel (Archivbild). © FFS | MATTHIAS GRABEN

Ob das noch mit der FFH-Richtlinie vereinbar ist? „Es ist an manchen Stellen notwendig“, sagt Friedrich, und gehe nur von Hand – ein Aufwand, den wohl letztlich der Deichverband werde stemmen müssen. Er hat das nötige Know How und das Werkzeug. Allerdings wird der Verband von seinen Mitgliedern finanziert, damit er den Hochwasserschutz garantiert. „Der Biber ist politisch gewollt, sollen die Mitglieder jetzt dafür aufkommen?“, fragt er und auch, wer für die Schäden Privater eintrete. Für den Hochwasserschutz sehe er durch den Biber Gefahren. Die abzuwehren sei Aufgabe der Allgemeinheit.

Forderungen, auch von Deichgräf Harry Schulz unterstützt, die der Nabu-Kreisverband vehement zurückweist. Der Deichgräf bemühe andere Wasser- und Bodenverbände, „um den Leumund der Biber ins schlechte Licht zu rücken“, so Nabu-Vorsitzender Peter Malzbender. Er bezweifele, dass Biber überhaupt Schäden an den Deichen anrichten, „bei den vielen Bauten an Wassergräben, an Bahndämmen und an Flüssen in unserer Region handelt es sich vornehmlich um Höhlungen, die von Nutrias dort angelegt werden.“ Malzbender unterstellt, dass der Deichgräf nicht zwischen den beiden Arten unterscheiden könne und kritisiert, dass der Verband einen Mehraufwand „angeblicher Biberschäden“ sehe. „Dies möchte sich der Verband natürlich zusätzlich bezahlen lassen.“ Holger Friedrichs sieht sich nach jahrelanger Erfahrung durchaus dazu in der Lage, einen Biberschaden zu erkennen, er bekräftigt das auch für den Deichgräfen.

Bibermanagementplan NRW soll einheitliche Standards festlegen

Eine Schwierigkeit beim Thema Umgang mit dem Biber sei, dass es keine einheitlichen Standards gibt – die Kreise agieren unterschiedlich in Konfliktfällen. Wo der Kreis Kleve den Abbau von Biberdämmen genehmige, sei der Kreis Wesel sehr zögerlich, sagt Friedrichs und nennt ein Beispiel aus Bergerfurth, wo seit eineinhalb Jahren Landwirt und Kreis miteinander ergebnislos diskutierten. Um einheitliche Standards zu setzen, ist auf Landesebene in einem Arbeitskreis ein Bibermanagementplan NRW entstanden. Das Ergebnis ist noch nicht veröffentlicht.

Mit ihren starken Zähnen fällen Biber Bäume und bauen daraus ihre Dämme, die Wasser stauen.  (Archivfoto)
Mit ihren starken Zähnen fällen Biber Bäume und bauen daraus ihre Dämme, die Wasser stauen. (Archivfoto) © ZB | Patrick Pleul