Kreis Wesel/Kreis Kleve/Duisburg. Barrierefreiheit, Mobilität, Pflege, Hitze: Die Menschen am Niederrhein werden immer älter, der Sozialverband VdK nimmt Kommunen in die Pflicht.

„Wir brauchen eine andere Kommunikation und Sensibilität für soziale Probleme, formuliert Horst Vöge, Vorsitzender des VdK-Kreisverbands am Niederrhein (Kreise Wesel und Kleve sowie Duisburg). Mehr als 2200 Verfahren hat der Sozialverband im vergangenen Jahr abschließen können, die Erfolgsquote lag bei 43 Prozent. Vor allem Themen wie Rente, Schwerbehinderung und Pflege beschäftigen die Menschen. Der Verband betont bei einer Pressekonferenz eine gestiegene Komplexität im Sozialrecht. Die Anträge seien nicht verständlich für die Bürgerinnen und Bürger, „es darf nicht noch komplizierter werden“. Zugleich fordert er vor dem Hintergrund einer immer älter werdenden Gesellschaft veränderte Strukturen in der Daseinsvorsorge. Wichtige Adressaten: die Kreise und Kommunen.

Menschen am Niederrhein werden älter – Zahlen für Kreise Wesel, Kleve und Stadt Duisburg

Der VdK führt Zahlen des Statistischen Landesamts an, die den Trend verdeutlichen: 2030 sollen 114.000 Menschen im Alter von über 67 Jahren im Kreis Wesel leben – das macht einen Anstieg von zwölf Prozent aus. Für den Kreis Kleve werden 70.500 Menschen (+14,5 Prozent) und in Duisburg 97.700 (+5,2 Prozent) in dieser Altersgruppe prognostiziert, damit einhergehend steigt der Pflegebedarf: Im Kreis Wesel von 39.000 im Jahr 2020 auf 51.000 Menschen im Jahr 2050, in Duisburg von 38.000 auf 43.000, im Kreis Kleve von 24.000 auf 34.000. Die Situation werde sich verschärfen, sobald die geburtenstarken Jahrgänge 80 Jahre und älter würden, unterstreicht Vöge.

„In Moment steht in vielen Kommunen die stationäre Versorgung an erster Stelle“, der größte Anteil werde aber zuhause von Angehörigen versorgt, sagt der Kreisverbandsvorsitzende. „Und die werden von den Kommunen vernachlässigt.“ Für sie brauche es mehr Unterstützung durch Entlastungs- und Beratungsangebote. Versorgungsstrukturen mitgestalten, ehrenamtliche Besuchsdienste, Nachbarschaftshilfen fördern und begleiten, möglichst unbürokratische Anerkennungsprozesse von Unterstützungsangeboten ermöglichen – auch hierbei sieht der VdK die Kommunen in der Pflicht.

VdK am Niederrhein: Es fehlt barrierefreier, bezahlbarer Wohnraum

„Der ÖPNV ist ausgedünnt, ältere Menschen werden außen vorgelassen“, führt Gisela Schiffers, stellvertretende Kreisverbandsvorsitzende, aus. Dabei sei das wichtige für die Teilhabe am öffentlichen Leben. Im Kreis Wesel sei Horst Vöge zwar gefragt worden, im Vorfeld des Mobilitätskonzepts etwas beizutragen, habe fünf Seiten dazu geschrieben. Über das abschließende Ergebnis aber sei er nicht informiert, sondern lediglich in der Fußnote erwähnt worden, schildert Vöge. „Das Denken muss sich verändern.“

Sevnaj Weuster, Horst Vöge und Gisela Schiffers, von links, aus dem Vorstand des Sozialverbandes VdK am Niederrhein.
Sevnaj Weuster, Horst Vöge und Gisela Schiffers, von links, aus dem Vorstand des Sozialverbandes VdK am Niederrhein. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

Ebenfalls wichtig: die Barrierefreiheit – im ÖPNV, in Geschäften, Arztpraxen oder Geldinstituten, genauso beim Wohnen. Die VdK-Vertreter führen ein Beispiel an: Jemand stürze und könne danach nicht mehr in der Wohnung in der 3. Etage ohne Aufzug wohnen, müsse mitunter ins Pflegeheim, „viele Menschen könnten selbstbestimmt zuhause leben“, es fehle aber barrierefreier und bezahlbarer Wohnraum. Eine weitere Sorge des VdK: Es gibt zu wenig Ärzte, vor allem im ländlichen Raum. „Unser Klientel spürt den Mangel“, sagt Vöge.

Weiter betont der VdK die Notwendigkeit von Hitzeschutzplänen. In NRW, das habe kürzlich eine Anfrage an die Landesregierung ergeben, seien im vergangenen Jahr 1250 Menschen aufgrund von Hitze gestorben. Die Stadt Duisburg habe immerhin zu Beratungen eingeladen, ansonsten haben die Antworten aus Sicht von Vöge gezeigt, dass sich die Kommunen noch keine richtigen Gedanken gemacht haben. Der Kreis Wesel warte noch auf die Beratungsstelle des Landes, die Idee selber etwas zu entwickeln, sei nicht gegeben. „Es reicht nicht aus, lapidare Empfehlungen – viel trinken und möglichst im Haus bleiben – in Broschüren oder auf den eigenen Internetseiten zu veröffentlichen“, so der VdK. Er sei gerne bereit über die Siesta für Verwaltungsangestellte nachzudenken, so Vöge, vorher sei aber der Hitzeplan für die ältere Bevölkerung wichtiger.

VdK am Niederrhein: Wie sich die Zahlen entwickelt haben

  • Der Verband berichtet von steigenden Mitgliederzahlen. Stand Mitte Juli zählt der Verband am Niederrhein 31.187 Mitglieder, der Großteil ist aus dem Kreis Wesel (44 Prozent), Stadt Duisburg (28,4 Prozent), Kreis Kleve (27,6 Prozent).
  • Wichtiges Standbein ist die Rechtsberatung, über die auch viele Neumitglieder kommen.
  • Volljuristen beraten zu Fragen des Sozialrechts, vertreten Ratsuchende notfalls vor Sozialgerichten. Infos: www.vdk.de/kv-am-niederrhein/