Niederrhein. Lange war die Bislicher Insel einziges Zuhause für ein Seeadlerpaar in NRW. Doch jetzt gibt es zwei neue Horste am Niederrhein.
- Zwei neue Seeadlerpaare haben am Niederrhein ihren Horst gebaut. Im kommenden Jahr könnte es bereits Nachwuchs geben.
- Es handelt sich um Jungtiere, die die Wasser- und Fischreiche Region besiedeln wollen. Vermutlich kommen sie aus Holland.
- Neben den majestätischen Raubvögeln gibt es weitere Zuwanderer in den Kreisen Wesel und Kleve: Löffler und mitunter den Stelzenläufer.
- Wie es zudem um Milan, Eulen, Kiebitz und die Störche geht, berichtet Naturfotograf Hans Glader.
Was tut sich eigentlich in der heimischen Vogelwelt? So einiges, und nicht alles ist auf den ersten Blick erkennbar. Manches gedeiht sogar besser im Verborgenen. Einer, der sich seit Jahren mit der Kamera „auf die Pirsch“ begibt, ist Hans Glader: Ein Kärntener, den es an den Niederrhein verschlagen hat. 17 Jahre arbeitete der „gebürtige Schriftsetzer“ für die Biologische Station im Kreis Wesel, aber auch im Ruhestand hat der 71-Jährige die Vogelwelt weiter im Blick.
Gute Neuigkeiten gibt es von den Seeadlern: Seit 2017 konnte der Kreis Wesel mit dem einzigen Brutpaar in NRW glänzen, auf der Bislicher Insel in Xanten. Nun kann Glader von zwei weiteren berichten. Und weil gerade diese majestätischen Raubvögel sehr sensibel sind, nennt er die genauen Orte nicht: Ein Paar hat im westlichen Bereich des Kreises Wesel seinen Horst gebaut, ein anderes im Osten der Region, soviel sei verraten. „Beide waren in diesem Jahr noch zu jung, um erfolgreich zu brüten.“ Das neue Adlerpaar auf der Bislicher Insel dagegen hat Nachwuchs: Zwei Junge sind geschlüpft, so Glader, jetzt ist die Zeit, in der sie beginnen, ihre Flügel zu erproben. Erst im vergangnen Jahr war das alteingesessene Seeadlerpaar gewaltsam von Artgenossen aus seinem Revier vertrieben worden. Neun Junge hatte es in dem Revier großgezogen.
Eigentlich ist der Seeadler ein Nordlicht und an der Küste zu finden. Glader überrascht es aber nicht, dass mehr davon zu uns kommen, in den Niederlanden hat sich ihre Zahl deutlich erhöht und das Jungvolk suche neue Reviere. Wasser und Fisch gibt es am Niederrhein genug, daher habe er eigentlich schon früher mit dieser Entwicklung gerechnet.
Es gibt eine weitere Kolonie der Löffler am Niederrhein
Ein weiterer Vogel, den es bislang in Deutschland nur im Norden gab, scheint die Region für sich entdeckt zu haben, obschon das Binnenland eigentlich seine Sache nicht ist: Neben den Löfflern auf der Bislicher Insel gibt es inzwischen eine weitere Kolonie im Kreis Kleve. Heimat des Vogels ist die niederländische und deutsche Nordseeküste, wo er mit seinem charakteristischen Schnabel im Watt nach Nahrung suchen kann. Doch der Niederrhein ist ihm auch recht, Hauptsache es gibt Fisch. Glader vermutet, dass der Populationsdruck im Norden zu groß geworden ist. In den Niederlanden habe man diese Vögel gefördert, indem man kleine Fische – Stichlinge und Moderlieschen etwa – in den Gewässern ausgesetzt hat, also den Tisch für die Löffler reichlich deckte.
Noch davon entfernt sich dauerhaft anzusiedeln, ist der Stelzenläufer, „er brütet mal hier, mal wieder nicht“, sagt Glader. Die schönen weiß-schwarzen Vögel laufen auf hohen, roten Beinen, die ihnen das Fischen auch in etwas tieferem Wasser ermöglichen. 2020 gab es eine Brut am Reeser Meer, danach wurden keine mehr bemerkt.
Ins Schwärmen gerät der Naturfotograf, wenn es um den Rotmilan geht, „das ist einer der schönsten Greifvögel, die es gibt“. Früher war er als „Gabelweihe“ bekannt, wegen seines gegabelten Schwanzes. Zwischenzeitlich stand er auf der Roten Liste. Laut Nabu lebt ein großer Teil der gesamten Weltpopulation dieser Vögel in Deutschland. Am Niederrhein ist er im Kommen, hat Hans Glader festgestellt und auch der Schwarzmilan, früher eine absolute Seltenheit, ist häufiger zu sehen. Wer gern einen Blick auf einen Milan – rot oder schwarz – werfen möchte, sollte sich ein Feld aussuchen, das gerade gemäht wird und den Blick zum Himmel richten. „Die Milane kommen sofort und kreisen darüber“, sagt er. Und mitunter balgen sie sich um die Nahrung, wie eines seiner eindrucksvollen Fotos zeigt: Rotmilan gegen Schwarzmilan.
In Sachen Kiebitz, Schleiereule und Steinkauz setzt Hans Glader auf die Zusammenarbeit mit den Bauern: „Die Bereitschaft zu helfen ist groß“, sagt er. So finden Schleiereulen häufig Brutgelegenheiten in Ställen und Scheunen, alte Kopfweiden dienen Steinkauz und Co. als Nistgelegenheit und die Gelege des gefährdeten Bodenbrüters Kiebitz werden bereitwillig geschont. Glader, der viele Jahre Naturschutzarbeit erlebt hat, stellt fest, dass sich das in den 80er Jahren vergiftete Klima deutlich gebessert hat.
Gutes Ende für ein Storchenjunges, das sich in Schwierigkeiten gebracht hat
Und wie geht es den Störchen? Hans Glader ist Vorsitzender der Stiftung Störche NRW, die schönen Vögel liegen ihm am Herzen. Er geht davon aus, dass die Population wächst, obschon es noch keine aktuellen Zahlen gibt. Er eilt nach dem Gespräch los, um nach einem Pechvogel zu schauen: Ausgerechnet als der Jungstorch mal seine Flügel ausprobierte, hat ihn letzte Tage eine Böe aus dem Nest befördert und in eine dumme Lage gebracht. Fliegen und jagen kann der Kleine nämlich noch nicht allein. Wenig später kommt die gute Nachricht – notgedrungen akzeptiert er das ungewohnte Futter, das ihm hilfsbereite Menschen reichen, Fleischreste, die ein Metzger spendet. Jüngste Nachricht: „Er frisst jetzt fleißig. Ich denke das er es jetzt überstanden hat.“
Weitere Fotos von Hans Glader finden sich auf naturfotoglader.de