Kreis Wesel. Die Wohlfahrtsverbände im Kreis Wesel sehen einen steigenden Bedarf beim Thema Wohnungslosigkeit. Mit Beratungsbussen sind sie vor Ort unterwegs.

Bei der Bekämpfung von Wohnungslosigkeit spielt Zeit eine wichtige Rolle, wenn erst einmal viele Faktoren ineinander greifen. Neben einer Sucht, einer psychischen Erkrankung oder Sprachbarrieren kann auch der Verlust des Arbeitsplatzes eine Ursache sein: „Ein halbes Jahr Arbeitslosigkeit und ein fehlender familiärer Background, dann fallen Menschen aus normalen Strukturen heraus“, sagt Guido Busch vom Caritasverband Wesel und Dinslaken. Auch jeder, der finanziell abhängig sei, könne in die Spirale geraten. „Und je länger diese Spirale dauert, desto schwieriger ist die Integration in den Wohnungsmarkt“, ergänzt Bernd Riekemann vom Awo-Kreisverband. „Wir reden viel über Geschwindigkeit“, bestätigt Florian Nick (Caritasverband Moers-Xanten).

Sie und ihre Teams setzten sich für Menschen ein, die entweder obdachlos oder von Wohnungslosigkeit bedroht sind. Für ihr Projekt „Endlich ein Zuhause“, das seit drei Jahren läuft, haben sie nun neue Fördergelder erhalten. Der Kreis Wesel leitet die Mittel vom Land NRW anteilig an die drei Wohlfahrtsverbände weiter: rund 223.00 Euro jährlich. Der Caritasverband Dinslaken und Wesel sowie die Awo erhalten jeweils 25 Prozent, der Caritasverband Moers-Xanten bekommt 50 Prozent.

Landrat Brohl lobt das niederschwellige Hilfsangebot der Sozialverbände

Landrat Ingo Brohl hebt bei der Fördermittelübergabe am Montag im Kreishaus vor allem die Niederschwelligkeit des Hilfsangebots hervor. Neben festen Anlaufstellen beraten die Verbände auch aufsuchend etwa mit ihren Beratungsbussen. Mit den Kommunen seien für die aufsuchende Arbeit feste Zeiten vereinbart. Zudem würden sie auch Hinweise erhalten, wo sich möglicherweise Hilfebedürftige aufhalten oder über Zwangsräumungen informiert. So könnten sie vielleicht noch rechtzeitig vermitteln.

Mit den Beratungsbussen kann zum einen akut geholfen werden, etwa am Wochenende, wenn wichtige Anlaufstellen geschlossen sind. Zugleich kann die Beratung angestoßen werden. Denn die Probleme der Menschen sind erstmal vielfältig, berichten die Mitarbeitenden aus den Verbänden.

Auf der Rückbank im Fahrzeug der Caritas Dinslaken und Wesel liegen Matten und Schlafsäcke. Außerdem stehen Wasserflaschen und Vorräte bereit. Helge Schreiber zeigt einen Rucksack mit Verbandszeug für kleinere Verletzungen. Im vorderen Bereich sei dann Gelegenheit für das Beratungsgespräch. „Wir können damit auf Menschen treffen, die wir sonst nicht erreichen können“, sagt Guido Busch. Auch in scheinbar gut situierten Wohngebieten des Kreises. Florian Nick stellt die deutlichen kommunalen Unterschiede heraus, die Voraussetzungen seien nicht immer gleich. „Kleine Gemeinden wie Alpen oder Sonsbeck haben zum Beispiel keine Notschlafplätze.“ Und es gebe eine hohe Dunkelziffer. „Wohnraum ist aufgrund der bekannten Sachlage begrenzt“, sagt Nick.

Projekt gegen Wohnungslosigkeit: Verbände wünschen sich Verstetigung

Wie viele Menschen im Kreis Wesel wohnungslos sind, dazu liegen keine Zahlen vor, sagt Kreisdirektor Ralf Berensmeier. Bundesweit seien im vergangenen Jahr rund 178.000 Personen wegen Wohnungslosigkeit untergebracht gewesen, aufgefallen sei ihm auch das junge Durchschnittsalter mit 32 Jahren. Die Verbände bestätigen den steigenden Bedarf und das zunehmend jüngere Klientel: Es sei ein Problem, das stetig wachse, so Guido Busch. Im Vergleich zu früher seien mehr Frauen von Wohnungslosigkeit betroffen, zudem auch viele junge Menschen. Ein häufiges Problem seien Konflikte im Elternhaus, hat Sebastian Meyer in der Awo-Beratungsstelle festgestellt.

Mit der neuen Förderung des Landes über Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds haben die Verbände drei weitere Jahre Zeit für ihre Arbeit gewonnen. Darüber sind sie froh – sie sind sich aber auch einig, dass eine Verstetigung helfen würde. „Ich würde mir wünschen mit dem Angebot, das auch angenommen wird, aus der Projektphase herauszukommen“, richtet Guido Busch den Blick in die Zukunft.