Kreis Wesel. Vom Menschen geschaffen, für die Artenvielfalt wichtig und charakteristisches Symbol für den Kreis Wesel: Kopfweiden. Ihr Schutz ist viel Arbeit.

Kopfweiden prägen im Winter das Bild des ländlichen Kreises Wesel: knorrige alte Gesellen mit dem charakteristischen Knubbel, aus dem junge Äste sprießen. Sie gehören so sehr in die Landschaft, dass der Kreis Wesel seit 1978 eine Silberweide auf grünem Grund im Wappen führt – mit drei Wurzeln, die die Teile der ehemaligen Kreise Dinslaken, Moers und Rees symbolisieren, aus der die kommunale Neuordnung den Kreis geschaffen hat. Und mit 13 Zweigen, die für angehörigen Kommunen stehen. Ein Baum, der Identität schafft und mit Emotionen verbunden ist und der Natur hilft. Genau genommen sind es nicht immer Weiden, auch gekappte Eschen, Linden, Buchen und Stieleichen leisten einen wichtigen Beitrag zur Artenvielfalt. Zahlreiche Tiere und Pflanzen profitieren, Vögel, allen voran der Steinkauz. Aber auch Insekten, Falter und ihre Raupen.

Sägen gegen den Verfall – früher waren die Kopfweide Nutzpflanze

Allerdings ist der Erhalt der Bäume mit viel Arbeit verbunden. Entstanden sind sie als Nutzpflanze: Jahrhundertelang wurden die Bäume geschnitten (Schneiteln), um Äste und Ruten zu liefern – für Weidezäune, Korbflechterei, Brennholz beispielsweise, aber auch für Schnürriemen. Heute entfällt das.

Franz-Wilhelm Ingenhorst vom Naturschutzbund Kreis Wesel kennt sich aus mit der Kopfbaumpflege, der Nabu ist in der Wintersaison unermüdlich unterwegs, um die Bäume zu schneiteln. Dabei ist es unerheblich, ob Weide, Esche oder Eiche, sie sind wertvoll und sollen erhalten werden. „Wir können nicht alle im Kreis Wesel pflegen“, sagt Ingenhorst, „dazu sind es zu viele“. Ein Kataster gibt es bei der Kreisverwaltung dazu nicht, der Nabu schätzt ihre Zahl auf seiner Internetseite auf rund 20.000. So genau weiß das niemand. Sicher aber ist: Werden die Kronen nicht regelmäßig gekappt, brechen die Stämme auseinander. Die Statik stimmt dann nicht mehr. So sägen ehrenamtliche Nabu-Helfer Winter für Winter gegen den Verfall an. Mit dieser Arbeit sind sie nicht allein. „Wir haben viele Grundstückseigentümer, vor allem Landwirte, die ihre Bäume zuverlässig selbst pflegen“, sagt Ingenhorst.

Dafür können sie auch eine Förderung beim Kreis Wesel beantragen, der EU-Mittel weitergibt. Das Schneiteln der Kopfbäume wird alle sieben Jahre auf Antrag mit 60 Euro pro Baum gefördert, teilt der Kreis auf Anfrage mit. Ziel sei es, die charakteristischen Bäume für Natur und Landschaftsbild zu erhalten. Inzwischen hat sich das offenbar zunehmend herumgesprochen, 1469 Anträge gingen in der Saison 22/23 ein, im Winter 19/20 waren es nur 833.

Ein Stecken in die Erde – schon wächst der Baum

Jährlich sterben etwas mehr Kopfbäume ab, als nachgepflanzt werden, beobachtet Ingenhorst. Er warnt aber vor Aktionismus: „Es ist nicht damit getan, junge Bäume zu setzen.“ Was besonders im Fall der Weide ein Kinderspiel ist: Ein frischer Ast, in die Erde gesteckt, schlägt mit hoher Wahrscheinlichkeit aus. Lange Kopfweidenalleen am Niederrhein zeugen von der Vermehrungsfreude der Pflanze, hier trieben einst gesetzte Weidepfosten wieder aus. „Sind die Bäume einmal geköpft, muss die weitere Pflege sichergestellt werden“, erläutert Ingenhorst. Bestenfalls über viele Jahrzehnte, eine Weide beispielsweise hat eine Lebenserwartung von rund 100 Jahren und ist in jedem Altersstadium ein wichtiges Biotop.

Was diese von Menschenhand geschaffene Kulturpflanze für die Natur so wertvoll macht, ist unter anderem ihre Neigung, mit zunehmendem Alter zahlreiche Höhlen zu bilden, eine bevorzugte Kinderstube. „In den letzten Jahrhunderten hat der Steinkauz davon besonders profitiert: Die zahlreichen Kopfweiden mit ihren Höhlen in Kombination mit dem milden Klima schaffen gute Lebensbedingungen“, sagt Ingenholz. Auch natürlich gewachsene Bäume bilden Höhlen, beispielsweise finden Steinkäuze auch in alten Obstbäumen Nistgelegenheiten. Aber bei weitem nicht so viele.

Kopfbaumalleen, hier auf der Bislicher Insel, sind meist durch das Austreiben von Zaunpfählen entstanden.
Kopfbaumalleen, hier auf der Bislicher Insel, sind meist durch das Austreiben von Zaunpfählen entstanden. © FFS | Lars Froehlich

Informationen und Stecklinge

Wer genug Platz hat und willens ist, sich um die Pflege zu kümmern, kann sich beim Nabu informieren und dort auch Stecklinge bekommen. Aktuell bleibt wieder genügend Zeit für die sorgfältige Planung, denn die Zeit des Kopfbaumschnitts ist bereits vorbei. Erst im November geht es damit weiter.

Informationen über die Bedeutung alter Bäume, auch der Kopfbäume, hat die Biologische Station Kreis Wesel zusammen mit dem Entomologischen Verein Krefeld und der Biologischen Station Rheinland mit Förderung des LVR in der Broschüre „Altbäume auf historischem Grünland“ zusammengefasst, in der auch die Pflegenotwendigkeiten aufgezählt sind. Die Broschüre ist als PDF im Downloadbereich der Biologischen Station kostenlos erhältlich.