An Rhein und Ruhr. In den vergangenen Jahren haben Zehntausende Beschäftigte der Gastronomie den Rücken gekehrt. So reagieren die Betriebe auf den Personalmangel.
Der Gastronomie an Rhein und Ruhr mangelt es an Personal. „Im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019 fehlen etwa noch 30.000 bis 40.000 Beschäftigte in der Branche“, erklärt Thomas Hellwig, der Sprecher des nordrhein-westfälischen Landesverbands des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga). Rund 369.000 Beschäftigte zählte das Gastgewerbe Ende 2021, zwei Jahre zuvor waren es noch 408.000.
Gewerkschaft: Betriebe haben „Augen verschlossen“
Mohamed Boudih, Landesbezirksvorsitzender der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), kann den Abfluss von Personal in den beiden vergangenen Corona-Jahren bestätigen. Dass die Beschäftigten nach dem Ende der Lockdown-Zeiten nicht zurückgekehrt sind, habe viel mit den Arbeitsbedingungen in der Gastronomie zu tun. „Die Arbeitgeber haben davor die Augen geschlossen, weil sie vor Corona trotzdem immer noch Personal gefunden haben“, erklärt der Gewerkschafter.
„Personalmangel kann dazu führen, dass Öffnungszeiten reduziert und Ruhetage ausgeweitet werden“, so Thomas Hellwig. „Vielleicht werden auch die Speisekarten abgeändert und betriebliche Abläufe angepasst.“ Dies sei jedoch die Ultima Ratio.
„Wert der beruflichen Ausbildung hervorheben“
„Die Branche versucht mit verschiedenen Maßnahmen gegenzusteuern, es gibt aber Entwicklungen, die sich nur schwer beeinflussen lassen. Dazu gehören die demografische Entwicklung und auch der zunehmende Trend der Akademisierung“, so Hellwig.“ Mehr junge Menschen würden sich für ein Studium und gegen eine betriebliche Ausbildung entscheiden. „Wir müssen den Wert der beruflichen Ausbildung wieder hervorheben. Es gibt tolle, abwechslungsreiche Berufe mit großen Karrierechancen.“
Restaurants und Gaststätten hätten reagiert. „Wir haben die Löhne über den Tarifvertrag in diesem Jahr deutlich angehoben.“ Auch die Ausbildungsvergütungen wurden erhöht.
Zuwanderung als Ansatz?
„Ein modernes Zuwanderungsgesetz zusammen mit einer Willkommenskultur könnte dafür sorgen, dass wir mehr Fachkräfte anziehen können“, setzt Hellwig eine Forderung in Richtung der Bundespolitik. Beim Thema flexiblere Arbeitszeiten gebe es noch Handlungsbedarf. Das Arbeitszeitgesetz müsse zudem reformiert werden. Auch, weil die Beschäftigten dies wollen.
Der Chef des Webster Brauhaus in Duisburg, Marc Weber, berichtet von saisonalen Unterschieden, was die Suche nach Personal anbelangt. „Es kommt auch immer darauf an, wonach man genau sucht. In der Weihnachtszeit etwa einen Koch zu finden, das ist quasi unmöglich.“
Auch die Coronapandemie habe weiterhin Auswirkungen auf die Personalplanung in seinem Brauhaus. „Wir haben derzeit immer mal wieder gleichzeitig drei bis vier Leute in Quarantäne.“ Noch sei eine Verkürzung von Öffnungszeiten aber kein Thema.
Thorben Schröder, Inhaber des Landgasthofs Westrich im Bedburg-Hauer Ortsteil Till, hat nach eigenen Angaben derzeit alle Vollzeitstellen besetzt. „Schwierig ist die Situation bei Aushilfen.“ Wenn in der Region etwa Kirmessen stattfinden oder im nahen Weeze das Parookaville-Festival Zehntausende Besucher anlockt, würde er keine Chance haben, Saisonkräfte zu bekommen. Auch wenn Schröder aktuell seine Stellen besetzt hat, klagt er: „Es ist kein Wachstum möglich. Ich würde gerne mehr machen, aber ich finde das entsprechende Personal dafür nicht.“
Abwanderungen in den Handel
In der Coronazeit, als durch die Lockdowns der Betrieb in den gastronomischen Einrichtungen ruhte, hätten viele Beschäftigte eine neue Heimat im Handel gefunden. „Durch das geringe Kurzarbeitergeld mussten sich viele umschauen. Im Handel fanden sie bessere Arbeitsbedingungen, etwa dadurch, dass Sonn- und Feiertage frei sind“, führt Gewerkschafter Mohamed Boudih aus.
Er sieht in der Gastronomie nun aber auch ernsthafte Bemühungen, die Arbeitsbedingungen zu verbessern. „Das ist auch einer der Wege, die Attraktivität zu steigern.“ Hohe Löhne und eine höhere Ausbildungsvergütung seien dabei nur ein Teilaspekt – immerhin hier sei die Branche schon sehr weit.. „Im kommenden Januar werden wir in Gespräche mit der Dehoga einsteigen, um über die Qualität der Ausbildung zu sprechen.“
Gerade in diesem Bereich gebe es große Mängel. „Es ist leider zu oft der Fall, dass wir wirklich von einer schlechten Ausbildung sprechen müssen. Das macht sich an langen Arbeitstagen fest oder an Ausbildern, die zu viele Azubis betreuen und ihnen somit nicht gerecht werden können.“ Boudihs Forderung: „Betriebe, die nur schlecht ausbilden, sollten in Zukunft nicht mehr ausbilden dürfen.“