Kreis Wesel. Hilfe per Knopfdruck: Der Hausnotruf macht das Zuhause für Senioren sicherer. Warum viele im Kreis Wesel den Alarm ohne körperliche Not auslösen.

Menschen, die in den eigenen vier Wänden alt werden möchten, bietet der Hausnotruf Sicherheit: Ein Knopfdruck am Handgelenk genügt, jemand meldet sich, im Notfall kommt Hilfe ins Haus und das rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr. So ist das Prinzip der verschiedenen Anbieter auch im Kreis Wesel. Doch was ist ein Notfall? Ein Sturz beispielsweise, plötzlicher Schmerz, Unwohlsein und dergleichen. Doch über die Feiertage und zum Jahreswechsel, meldete jetzt der Malteser Hilfsdienst in NRW, haben viele Senioren den Alarm ausgelöst, weil sie schlicht und ergreifend einsam waren. Soziale Hilferufe. Wie sieht das im Kreis Wesel aus?

Leitung für Notfälle frei halten – Einsamkeit überfordert die Zentrale

Auf solche Notrufe aus Einsamkeit ist der ASB Kreisverband Wesel nicht eingestellt – noch nicht. Derzeit, so Manon Tenk, sei kein erhöhter Bedarf zu erkennen. Klar ist aber: „Die Zentrale kann sich darum nicht kümmern, die Leitung muss für echte Notrufe frei bleiben.“ Ein Angebot, das genau das Problem der Einsamkeit angeht, gibt es beispielsweise beim ASB in Köln, bei Bedarf auf eigene Kosten zubuchbar, der Eigenanteil liegt bei 44,40 Euro, falls die Pflegekasse die Grundgebühr von 25,50 Euro bewilligt hat. Der ASB nimmt dann wöchentlich Kontakt zu den Menschen auf. „Wir haben für den Kreis Wesel ebenfalls darüber nachgedacht, das Angebot einzuführen, sehen aber derzeit keinen Bedarf.“ Notrufe an den ASB aus dem Kreis Wesel laufen in der Kölner Zentrale auf, in Wesel hat der Hintergrunddienst seinen Sitz: Die Menschen, die zu den Kunden fahren, wenn sie in Not sind, nach einem Sturz beispielsweise. Sie haben, wie beim Hausnotruf in der Regel üblich, einen Wohnungsschlüssel.

Manon Tenk sieht das Einsamkeitsproblem in erster Linie in den größeren Städten angesiedelt. „Im ländlichen Gebiet stimmt das Verhältnis zu Familie und Nachbarn in der Regel noch ganz gut. Auf dem Land kennt jeder jeden.“ Aber in den Städten lasse sich sagen: „Je größer das Haus, desto einsamer sind viele Menschen.“

Sandra Karlsson-Schulz, beim DRK Kreisverband Niederrhein für den Hausnotruf zuständig, erkennt keinen Unterschied von Stadt zu Land. „Viele unserer Kunden sind über die Feiertage bei ihrer Familie“, sagt sie. Und die anderen, die keine Familie haben? Manche von ihnen drückten vermehrt den Alarmknopf, weil sie die quälende Einsamkeit nicht ertragen können. Allerdings, sagt Karlsson-Schulz, sei das keine neue Entwicklung, sondern bereits seit Jahren bemerkbar.

Einfach mal jemanden sprechen ist ein großes Bedürfnis

Rund 275 Notrufe laufen im Schnitt täglich in der DRK-Zentrale in Rheinberg am Melkweg ein. Nicht nur an den Festtagen, auch während der Corona-Lockdowns hat sich gezeigt, dass die einsamen Seniorinnen und Senioren sich häufig wegen kleinerer Sorgen und Probleme dort melden, einfach mal jemanden zum Sprechen suchen. Eine Entwicklung, die sich auch in anderen Bereichen bemerkbar macht. So sind die Gespräche bei der Essenslieferung häufig die einzigen Kontakte „nach außen“ für alte Menschen, die ihre Wohnung nicht mehr verlassen können.

Jetzt müssen Lösungen her

Ein Problem, das auch den VdK am Niederrhein umtreibt. Zwar hat Ministerpräsident Hendrik Wüst die Einsamkeit zum Thema gemacht und im Dezember eine Stabsstelle dazu eingerichtet, Horst Vöge, VdK-Vorsitzender in NRW und am Niederrhein, erwartet aber konkrete Antworten und Vorschläge. Man müsse sich dem Thema in unterschiedlicher Form nähern – und von verschiedenen Seiten. Letztlich, so eine Befürchtung, werde die Verantwortung bei den Wohlfahrtsverbänden hängen bleiben. Angesichts der zunehmenden Schwierigkeiten, Ehrenamtliche zu finden, womöglich eine zu große Aufgabe. Allein das Problem festzustellen und zu benennen, reiche nicht aus.