An Rhein und Ruhr. . Hartmut Mühlen ist Psychotherapeut und Mitglied des Düsseldorfer Seniorenrates. Er kennt die Einsamkeit im Alter, aber auch mögliche Lösungen.

Wenn ältere Menschen schlecht schlafen, kaum Appetit haben oder eine dauerhafte Unruhe verspüren, hilft manchmal selbst das beste Medikament nicht. Psychotherapeut Hartmut Mühlen bietet in seiner Düsseldorfer Praxis psychologische Altenberatung an und kennt die Symptome: „Häufig verbirgt sich dahinter Einsamkeit.“

 
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Dass immer mehr ältere Menschen unter dem Alleinsein körperlich und seelisch leiden, führt Mühlen vor allem auf die steigende Zahl älterer Menschen insgesamt zurück. „Die Gesellschaft wird älter“, sagt er. Zahlen des Statistischen Landesamts NRW untermauern seine Aussage. Machten Menschen über 65 Jahre im Jahr 1997 noch 16,2 Prozent der Bevölkerung in NRW aus, waren es zwanzig Jahre später bereits 20,9 Prozent. Und die Zahl steigt weiter. Werden die Menschen älter, besteht allein statistisch eine größere Chance, dass mehr unter dem Alleinsein leiden. Partner sterben, die Kinder ziehen weit weg. Zurück bleibt die Stille, das Nichtstun, die Einsamkeit.

Das Armutsrisiko von Älteren steigt

Entscheidend ist für Mühlen aber vor allem eines: „Viele haben zu anderen keinen Kontakt, weil sie einfach keine finanziellen Mittel dazu haben.“ Denn: „Zahlen muss man eigentlich immer.“ Sei es für das Geburtstagsgeschenk der Nachbarin oder für den Kuchen beim Kaffeeklatsch mit der Tochter. „Die Zahl der älteren Menschen mit Grundsicherung nimmt zu“, betont er.

Das belegen weitere Zahlen des Statistischen Landesamts NRW. Zwar gelten ältere Menschen insgesamt weniger armutsgefährdet als die Gesamtbevölkerung, jedoch ist das Armutsrisiko von 9,9 Prozent in 2005 auf 14,4 Prozent in 2016 gestiegen. Besonders auffällig ist dabei der Unterschied zwischen den Geschlechtern. Ältere Frauen sind nicht nur stärker armutsgefährdet, sie beurteilen ihre Lebenszufriedenheit auch fünf Prozent schlechter als gleichaltrige Männer.

Nicht jeder leidet unter dem Alleinsein

Um erste Lösungsvorschläge zu sammeln, hat der Düsseldorfer Seniorenrat im vergangenen Jahr auf Initiative von Mühlen erstmals den Arbeitskreis „Altersarmut und Alterseinsamkeit“ veranstaltet. Die grundlegende Erkenntnis daraus fasst Mühlen schnell zusammen: „Es ist sehr schwer, an einsame Menschen heranzukommen.“

Herausgekommen sind beim Arbeitskreis allerdings auch viele Ideen, wo dennoch Berührungspunkte entstehen können. Ärzte und Apotheken oder Mahlzeiten- und Pflegedienste haben vornehmlich Kontakt zu einsamen Menschen im Alter und können ihnen Informationen zu verschiedenen Hilfsangeboten vermitteln. Wenn sie es denn wollen. Denn es gibt auch die „kreative Einsamkeit“, wie Mühlen sie nennt. So fühlen sich manche in ihrer selbstgewählten Lebensweise wohl und benötigen keinerlei Kontakt zu anderen.

Anderen helfen, um sich selbst zu helfen

Wer allerdings unglücklich einsam ist, dem rät der Psychotherapeut vor allem eines: „Es ist nicht so, dass einsame Menschen wie im Dschungelcamp nur ‚Holt mich hier raus‘ sagen müssen. Man kann immer selbst den ersten Schritt machen.“ Bestenfalls beginne das bereits vor der eigenen Pension, wenn plötzlich im Alltag nichts mehr zu tun sei. Eine gute Möglichkeit stelle beispielsweise eine ehrenamtliche Tätigkeit dar, wie Mühlen vorschlägt: „Anderen zu helfen, kann einem selbst helfen.“ Aber auch im eigenen Mehrfamilienhaus lasse sich sicher immer ein Nachbar für ein nettes Gespräch finden.

Dass jemand schon immer eigenbrötlerisch gewesen sei, lässt Mühlen als Ausrede übrigens nicht zu: „Es lässt sich auch mit 80 Jahren noch etwas verändern.“ So haben in seiner eigenen Praxis bereits einige ältere Menschen ihr Leben umgekrempelt. Um der Krankheit namens Einsamkeit zu entkommen.

>>> Die Seniorenpolitik in NRW

Auf NRZ-Anfrage erklärte das NRW-Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales, dass die Landesregierung im Bereich der Seniorenpolitik das Ziel verfolge, eine „landesweite seniorengerechte Infrastruktur“ aufzubauen. Das beinhalte unter anderem Angebote für wohnortnahe Versorgung und Beratung sowie Möglichkeiten zur Teilhabe.

Das Ministerium betonte allerdings auch, dass Senioren-Begegnungsstätten und ähnliche Angebote eher in den Aufgabenbereich der Kommunen fallen würden.