Kreis Wesel. Notrufe beantworten, Einsätze koordinieren, Leben retten: Die Mitarbeitenden der Kreisleitstelle Wesel sind auch an den Feiertagen im Einsatz.

Heiligabend, gegen Nachmittag: Die Büros sind längst verlassen, die Geschäfte schließen und das Leben verlagert sich in die Wohnungen und Häuser, wo die Familien zusammenkommen, um gemeinsam zu essen, Geschenke auszupacken und Weihnachten zu feiern. Zur gleichen Zeit gibt es Orte, an denen alles so ist wie an anderen Tagen im Jahr auch. Einer davon ist die Kreisleitstelle an der Jülicher Straße in Wesel. Hier muss der Dienst weiterlaufen wie gewohnt. Medizinische Notfälle werden entgegengenommen, Feuerwehr und Krankenwagen alarmiert, Rettungseinsätze koordiniert, mitunter auch Telefon-Reanimationen durchgeführt.

„Das macht man eben mit in dem Job“, sagt Schichtleiter Marc Steverding, der seit 13 Jahren in der Kreisleitstelle arbeitet, davor war er zwölf Jahre bei der Berufsfeuerwehr. Wenige Tage vor dem Fest ist ein Adventskranz im Einsatzraum der Kreisleitstelle aufgestellt, in der Küche steht ebenfalls weihnachtliche Dekoration. Und ansonsten? Routine. Im Einsatzraum sitzen die Disponenten an den Tischen, vor ihnen sechs Bildschirme, darauf Eingabemasken, Ausschnitte von Stadtplänen und viele weitere Informationen. Der hoch digitalisierte Arbeitsplatz erinnere fast an die Arbeit eines Fluglotsens, sagt Arno Hoffacker, Leiter der Kreisleitstelle.

Kreisleitstelle Wesel erwartet wieder ein besonders anstrengendes Silvester

Ganz vorne hängen ebenfalls Bildschirme, etwa mit Informationen vom Deutschen Wetterdienst oder der Auslastung der Krankenhäuser. „Jetzt ist mit die arbeitsreichste Zeit“, erläutert Hoffacker. Das gilt vor allem mit Blick auf den Krankentransport. Die Krankenhäuser werden leer, weil Patienten, die zu Hause feiern können, dorthin gebracht werden. Vorgeplante Transporte, aber eben in Begleitung. Zugleich sei Urlaubszeit, sodass auch viele Menschen in der Kurzzeitpflege aufgenommen würden. Ob es ruhiger wird, wenn Weihnachten gefeiert wird? Eigentlich nicht, morgens und zur Bescherung sei es vielleicht mal ruhiger, Richtung Abend bedeute aber auch der 24. Dezember Normalgeschäft für die Mitarbeitenden der Kreisleitstelle, weiß Steverding aus Erfahrung. Wenn nach dem Vorweihnachtsstress die Ruhe einkehre, komme es zu hohen Einsatzzahlen wegen Herzinfarkt oder Schlaganfall, sagt Hoffacker. Erfahrungsgemäß gebe es auch mehr Suizide. Und dieses Jahr erwarten sie in der Kreisleitstelle auch wieder ein besonders anstrengendes Silvester, Großlage heißt das dann.

Ein bisschen weihnachtliche Stimmung am Arbeitsplatz.
Ein bisschen weihnachtliche Stimmung am Arbeitsplatz. © FUNKE Foto Services | Kerstin Bögeholz

Die Situationen, die sich für die Mitarbeitenden am anderen Ende des Telefons ergeben, können mitunter sehr belastend sein: Wenn im Hintergrund eine Frau schreie, jemand den Partner leblos vorfinde oder gar ein Kind involviert sei. „Man darf hier nicht zu emotional arbeiten“, sagt Hoffacker. Hinzu kommen die hohen Anforderungen: Mehrere Einsätze werden gleichzeitig bearbeitet, innerhalb von fünf Sekunden soll ein Anruf laut Vorgabe entgegengenommen werden, in maximal einer Minute soll der Notruf bearbeitet sein, und zwar so, dass jederzeit ein Kollege übernehmen kann. Dazu die vielen Bildschirme und Informationen, die im Blick behalten werden müssen: „Das macht den Arbeitsplatz inzwischen sehr aufwendig“, sagt Hoffacker. Länger als vier Stunden am Stück könne hier keiner sitzen.

Leiter der Kreisleitstelle: „Die Kollegen retten Leben“

Was Marc Steverding motiviert? „Es macht mir Spaß“, sagt er schlicht und beschreibt vor allem, wie er zeitgleich so viel koordinieren muss. „Die Kollegen retten Leben“, stellt Hoffacker heraus. Seit zwei Jahren ist die Telefon-Reanimation in der Kreisleitstelle verpflichtend, sagt er. Der Disponent leitet bei Verdacht auf einen Herz-Kreislauf-Stillstand den Anrufenden zu Wiederbelebungsmaßnahmen an. Nicht immer wissen sie hier an der Jülicher Straße anschließend, ob das erfolgreich war. Auch Marc Steverding habe so einst jemandem das Leben gerettet, sagt Hoffacker. Denn manch einer komme vorbei, um sich zu bedanken. „Viele haben Angst, etwas falsch zu machen. In diesem Moment kann man aber nichts falsch machen“, betont Steverding.

Arno Hoffacker ist Leiter der Weseler Kreisleitstelle.
Arno Hoffacker ist Leiter der Weseler Kreisleitstelle. © FUNKE Foto Services | Kerstin Bögeholz

Die Disponenten arbeiten im 24-Stunden-Dienst, bedeutet: insgesamt elf Stunden am Platz, zwischendurch Bereitschaft, mit den Kollegen kochen, essen, im Sozialraum zusammensitzen oder sich an den Geräten im Sportraum fit halten. Auch das gehöre in die Dienstzeit. Man könne nur leistungsfähig bleiben, wenn man fit sei, so Hoffacker. Auch den Frust könne man hier loswerden. „Wir kommen immer mehr an die Grenzen von dem, was ein Mensch leisten kann“, so der Leiter. Da könne man nur versuchen ein gutes Arbeitsumfeld zu schaffen.

„Unsere Männer-WG“, nennt es Steverding. Zu Weihnachten gebe es dann auch etwas Besonderes zu essen, die Kollegen unterstützten sich gegenseitig, damit man mal mit der Familie telefonieren könne. Teamarbeit halt. Und ein bisschen festlich wird es auch: Für den Zweiten Weihnachtsfeiertag liegt Roastbeef zum Beispiel schon im Kühlschrank bereit. Steverding selbst hat in diesem Jahr frei über Weihnachten und kann das mit seiner Familie und der kleinen Tochter verbringen. Die Kollegen halten dann an der Jülicher Straße die Stellung.

Notfall oder Krankheit an den Feiertagen

  • Krankheit und Notfälle machen auch vor Weihnachten nicht Halt: Die 112 ist die wichtigste Telefonnummer bei medizinischen Notfällen wie Herzinfarkt und Schlaganfall oder bei schweren Verletzungen und Unfällen mit Verletzten.
  • Dann gibt es noch den Notdienst der niedergelassenen Ärzte: Wer an den Feiertagen akute gesundheitliche Beschwerden hat, kann den ambulanten Notdienst kontaktieren, wie die Kassenärztliche Vereinigung mitteilt. An vielen Orten dienen Notdienstpraxen als Anlaufstellen, ohne Voranmeldung. Infos zu Adressen und Öffnungszeiten: www.kvno.de/notdienst oder über die 116 117 (kostenlos, täglich rund um die Uhr erreichbar). Die 116 117 können auch Bettlägerige oder deren Angehörige wählen, sofern ein ärztlicher Hausbesuch benötigt wird. Zudem gibt es Hinweise über die Erreichbarkeiten der fachärztlichen Notdienste. Ergänzend gibt es auch die „116117.app“. Zudem gibt es über die Feiertage Videosprechstunden für Eltern erkrankter Kinder, erreichbar über 0211 / 5970 7284. Zwischen den Feiertagen empfiehlt die KVNO auf Vertretungen der Arztpraxen zu achten (Praxis-Aushängen, Angaben Praxis-Anrufbeantworter).
  • Wenn Sie selbst unter Stimmungsschwankungen, Depressionen oder Selbstmordgedanken leiden oder Sie jemanden kennen, der daran leidet, können Sie sich bei der Telefonseelsorge helfen lassen: 0800/111-0-111 und 0800/111-0-222 oder im Internet auf www.telefonseelsorge.de. Die Beratung ist anonym und kostenfrei.