Kreis Wesel. Die Gefahrenstellen mit mehreren schweren Unfällen im Kreis Wesel sind von zwölf auf 19 gestiegen. Was die Polizei tun kann. Und was nicht.

Will man einen Zustand erfassen, geht das am besten über messbare Größen. Zum Beispiel bei den Unfallzahlen. Einen Anstieg im Vergleich zu den Vorjahren machte die Kreispolizei bereits im Sommer dieses Jahres aus. Als logische Konsequenz daraus ist auch die Zahl der Unfallhäufungsstellen im Kreis Wesel gestiegen – und zwar deutlich. Waren es im vergangenen Jahr 2021 noch zwölf Häufungsstellen, ist die Liste in diesem Jahr auf 19 Orte im gesamten Kreis gewachsen. Das ist insofern bemerkenswert, als dass es bei den Unfallhäufungsstellen nicht um Unfälle mit Bagatellschäden geht.

Die Polizei klassifiziert die Unfälle in sechs Kategorien. Um auf die Liste der besonders gefährdeten Orte zu gelangen, muss es an der jeweiligen Stelle innerhalb eines Jahres mindestens drei Unfälle der Kategorie eins bis vier gegeben haben – von Unfällen mit Getöteten (Kat. 1) bis zu einem schwerwiegenden Unfall mit Sachschaden (Kat. 4).

Neu auf der Liste der Gefahrenpunkte im Kreis Wesel sind unter anderem die Kreuzung Ebertstraße/Franzstraße in Kamp-Lintfort, die Maassenstraße in Schermbeck und die Kreuzung Reeser Landstraße/Bocholter Straße in Wesel.

Die Kreuzung am Franz-Etzel-Platz vor dem Bahnhof in Wesel ist ein weiterer Unfallschwerpunkt im Kreis.
Die Kreuzung am Franz-Etzel-Platz vor dem Bahnhof in Wesel ist ein weiterer Unfallschwerpunkt im Kreis. © FUNKE Foto Services | Markus Weißenfels

Häufig sind es Unfälle, die auf fehlende Aufmerksamkeit zurückzuführen sind. Wie zum Beispiel auf dem Kaiserring in Wesel. „In vier von fünf Fällen handelt es sich hier um Abbiegeunfälle“, sagt Polizeisprecher Peter Reuters. Die Kreuzung am Bahnhof, an der sich der Kaiserring mit der Dinslakener Landstraße, der Roonstraße und dem Franz-Etzel-Platz kreuzt, steht seit 2021 auf der Unfallhäufungsliste, davor sei sie noch nicht als Unfallschwerpunkt aufgefallen, so Reuters. Allerdings sei dieser Knotenpunkt für einige Verkehrsteilnehmer unübersichtlich, zumal dort auch die Busse vom Bahnhof aus auf die Straße wechselten.

Kreisverkehre können in vielen Fällen die Übersicht und auch die Aufmerksamkeit verbessern. Als Beispiel nennt Peter Reuters den Kreisverkehr auf der Ringenberger Straße in Hamminkeln. Dort sei die Unfallgefahr deutlich gesenkt worden. Allerdings sei der Kostenaufwand für einen Kreisverkehr hoch – am Kaiserring wäre er vermutlich immens.

Raser sind im Kreis Wesel kein Problem

Besonders gefährlich sieht die Stelle in Voerde nicht aus. Doch dort, wo die Hindenburgstraße (B8) die Schwanenstraße kreuzt, hat es allein im vergangenen Jahr sechs Mal so gekracht, dass diese Stelle auf der Liste gelandet ist, das zweite Jahr hintereinander. Auch hier seien „Abbiegen und Kreuzen“ die Hauptgründe, sagt Peter Reuters. Zwar regelt ein Stoppschild die Zufahrt von der Schwanenstraße auf die B8, doch vor allem im Sommer verkleinert das bewaldete Gebiet die Sicht auf den Verkehr. In manchen Fällen sei aber auch eine falsche Geschwindigkeitseinschätzung bei kreuzenden Fahrzeugen die Ursache, so Reuters. Nach dem Motto „das schaffe ich noch“, fädelten sich einige Teilnehmer in den Verkehr ein und provozierten so einen schweren Unfall.

Eine Ampelanlage könnte Abhilfe schaffen, doch dafür sei das Verkehrsaufkommen auf der Hindenburgstraße zu gering, sagt Peter Reuters. Gemeinsam mit der Kreisverkehrswacht arbeitet die Polizei deshalb regelmäßig daran, die Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer zu sensibilisieren, immer wieder auf die Gefahren aufmerksam zu machen. In den sogenannten Crashkursen erzählen Polizeikräfte in Berufsschulen aus eigener Erfahrung von schweren Unfällen mit Toten oder Schwerverletzten, die aus Fahrlässigkeit, Unaufmerksamkeit oder Selbstüberschätzung entstanden sind. Wenn in einer Schulaula das nachgestellte Video gezeigt wird, in dem eine Mutter den Unfalltod der eigenen Tochter am Telefon miterlebt, ist es ganz still.

Allerdings: In den wenigsten Fällen ist bei den Unfallhäufungspunkten überhöhte Geschwindigkeit der Grund. „Wir haben kein Problem mit Rasern“, sagt Peter Reuters deutlich. Dafür tue man aber auch viel. Unter anderem mit den Provida-Fahrzeugen der Kreispolizei. Provida steht für „Proof Video Data System“ – eingebaute Kameras machen rechtssichere Aufnahmen von den Rasern. Zu jeder Tageszeit. „Die Kollegen sind auch nachts unterwegs“, so Reuters.

>>> Wirksamkeitsprüfung bei Unfallschwerpunkten <<<

Mit der kompletten Liste der Unfallhäufungsstellen hält sich die Kreispolizei noch zurück, weil es sich bislang um gemeldete Stellen handele, die noch besonders beobachtet werden müssten.

Als deutliche Unfallhäufungsstellen ermittelte Verkehrspunkte werden einer Wirksamkeitsprüfung unterzogen. Demnach werden unter anderem individuelle Maßnahmen entwickelt, die an dem jeweiligen Ort für ein Jahr getestet werden. Nach dem Jahr wird eine Erfolgsmessung durchgeführt, um zu sehen, ob die Maßnahme erfolgreich war.