Kreis Wesel. Erfolgreich war das 9-Euro-Ticket im Kreis Wesel, aber: Für eine Nachfolge braucht die Niag mehr Geld. In der Politik sind die Meinungen geteilt.
Knapp 94.000 Mal hat die Niag das 9-Euro-Ticket verkauft. Das zeige, dass einfache Preismodelle mehr Menschen für Bus und Bahn ansprechen könnten. Und es sei ein gutes Signal für die anstehende Verkehrswende, teilen die Niag-Vorstände Christian Kleinenhammann und Peter Giesen mit. Aber: Um die Verkehrswende zu schaffen, müssten Bund und Land tief in die Tasche greifen, fordern sie. Eine Einschätzung, die im Kreistag durchaus auf Zustimmung stößt. Nur in der Frage, wohin es dann gehen soll, gehen die Einschätzungen auseinander.
„Mehr Busse konnten wir schon mangels Fahrzeuge und Personal nicht einsetzen“, sagen die Niag-Chefs. Und das Ticket sei eine finanzielle Herausforderung, weil die erheblichen Einnahmeausfälle durch öffentliche Mittel ausgeglichen werden müssten. Das müsse auch für eine Fortsetzung gelten, in welcher Form auch immer. Kleinenhamman führt auch die gestiegenen Kosten für Energie, Material und Diesel an, um seine Forderung nach Unterstützung von Bund und Land zu untermauern, plus die für den Umstieg auf klimafreundliche Antriebstechniken.
Die Fraktionen im Kreis Wesel sind beim Folgeangebot fürs 9-Euro-Ticket unterschiedlicher Meinung
Dass der ÖPNV deutlich mehr Mittel benötigt, um an die gewünschten Ziele zu kommen, findet auch CDU-Fraktionschef Frank Berger. „Hier sind Bund und Land gefordert“, die Kommunen könnten das aus eigenen Mitteln nicht stemmen. Mehr Geld sei ganz offensichtlich notwendig, stimmt Doris Beer, verkehrspolitische Sprecherin der SPD, mit Blick auf die Bedarfe zu. „Wir brauchen mehr Personal, mehr Züge und mehr Busse.“
Constantin Borges, Vize-FDP-Fraktionschef, sieht das auch so. „Ich bin aber ein Freund konkreter Zahlen“, sagt er auf NRZ-Anfrage: Wie genau schlagen hohe Dieselpreise, der Mindestlohn und die anderen Faktoren zu Buche? Für die Umstrukturierung der Busflotte auf klimaneutrale Antriebe hatte der Kreistag Mittel bereitgestellt. „Wir wollen uns ansehen, was die Niag damit tut und das mit Zahlen hinterlegt haben“, sagt Borges.
Für Sascha Wagner, Fraktionschef der Linken, sind grundsätzlich Land und Bund in der Pflicht für den ÖPNV und benennt auch, woher das Geld kommen soll: Aus der viel diskutierten Übergewinnsteuer für Unternehmen, die aus der aktuellen Krise durch den Krieg in der Ukraine hohe Gewinne ziehen.
Und wie geht es weiter mit dem 9-Euro-Ticket? Wagner fordert eine Folgelösung, entweder weiter die 9-Euro-Variante oder ein Ein-Euro-Ticket pro Tag. „Perspektivisch sollten Bus und Bahn kostenlos sein.“ Das würde den Vorrang des Individualverkehrs beenden und eine reale Entlastung bringen. Jahrelang sei die Infrastruktur der Bahn systematisch zurückgefahren worden – das stehe heute der Verkehrswende im Weg. Sozialdemokratin Beer wünscht sich ein 30-Euro-Ticket landesweit. „Das fände ich wunderbar. 60 Euro sind für Menschen mit kleinem Geldbeutel schon zu viel.“
Grünen-Fraktionschef Hubert Kück zum Folgeangebot: Die Bevorzugung der großen Ruhrgebietsstädte muss aufgehoben werden.
Nicht alle möchten eine Fortsetzung. Für Frank Berger (CDU) war das 9-Euro-Ticket ein „interessantes Projekt, attraktiv, aber nicht kostendeckend“. Es habe sich gezeigt, dass Strecke, Züge und Personal nicht mehr Verkehr vertragen. Und: „Am Ende muss einer bezahlen und es muss geklärt werden, wer das ist. Man kann nicht seriös annehmen, dass der Bund in der Lage ist, das zu finanzieren.“ Ein Fazit des Projekts: „Es hat sich gezeigt, dass ein Ticket für Deutschland vorteilhaft ist, ohne Waben und Verkehrsverbünde.“
An diesem Punkt ist Constantin Borges (FDP) bei ihm: Verkehrsverbünde auflösen und einheitliche Tickets einführen, ist seine Forderung. Die aber stark zu subventionieren lehnt er ab. „Davon profitieren lediglich die Menschen in der Stadt, wo der ÖPNV ausgebaut ist. Im ländlichen Raum müssen die Leute zwar dafür bezahlen, können aber nicht profitieren.“ Das Geld würde besser in den Ausbau der ländlichen Infrastruktur investiert.
Hubert Kück (Grüne) sieht das auch so. Für die Ballungsräume sei das Ticket ein Erfolg gewesen, ländliche Gegenden mit desolaten Bahnlinien seien abgehängt worden. Kück fordert, die Regionalisierungsmittel deutlich zu erhöhen, die Bahn müsse den ländlichen Raum berücksichtigen, die Bevorzugung der großen Ruhrgebietsstädte auf Kosten der ländlichen Bevölkerung müsse aufgehoben werden. In dieser Situation könne kein noch so günstiges Ticket helfen.