Kreis Wesel. Ab Juni haben Geflüchtete aus der Ukraine Anspruch auf ALG-II. Die allermeisten können und wollen arbeiten. Eine Hürde: zu wenig Sprachkurse.
In enger Abstimmung mit den 13 Kommunen bereitet das Jobcenter im Kreis Wesel den Wechsel der geflüchteten Menschen aus der Ukraine in den neuen Rechtskreis vor. Nachdem sie bislang noch Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beziehen, haben die Menschen ab Juni Anspruch auf Grundsicherung nach SGB II; sie können also ALG-II oder Sozialhilfe beziehen und haben einen besseren Zugang zu Sprachkursen und zum Arbeitsmarkt.
Im Kreis Wesel trifft das momentan auf rund 3000 Menschen in rund 1500 Bedarfsgemeinschaften zu. Sie wechseln ab der kommenden Woche in den Zuständigkeitsbereich des Jobcenters. Und an der Reeser Landstraße wurden in den vergangenen Tagen bereits Überstunden geschoben, um den Umzug in den neuen Rechtsbereich zu stemmen. „Eine Herausforderung“, sagte Jobcenter-Geschäftsführer Michael Müller am Mittwoch.
Zeitlich ist das gesamte Prozedere eng gestrickt. Erst am vergangenen Freitag ging die notwendige Gesetzesänderung durch den Bundesrat, „und eigentlich dürfen wir erst aktiv werden, wenn die Änderung im Bundesgesetzblatt steht“, so Michael Müller. Das kann aber dauern. Und die Aufgaben sind vielfältig, angefangen bei der Registrierung, über die Unterbringung und Anmeldung zu Sprachkursen, bis zur Vermittlung in den Arbeitsmarkt. Für einen möglichst strukturierten Übergang geht das Jobcenter in Etappen vor und beginnt zunächst mit 500 Bedarfsgemeinschaften, die es in seinen Rechtskreis integriert. Sukzessive sollen die anderen folgen. Dabei hilft, dass der Bund für den Rechtskreiswechsel eine Übergangszeit einräumt, die bis zum 31. August geht.
Um nicht unter Zeitdruck zu geraten, ist das Jobcenter bereits aktiv geworden und hat vier Sonderteams mit jeweils drei Beschäftigten eingerichtet, die sich in den vier Jobcenter-Standorten, aber auch dezentral in der Fläche um die sprachliche sowie berufliche Entwicklung und anschließende Vermittlung der ukrainischen Geflüchteten in den Arbeitsmarkt kümmern.
Die Ambitionen der Geflüchteten, laut Jobcenter in großem Maße Mütter mit Kindern, seien groß, sagt die Ukraine-Koordinatorin des Jobcenters, Monika Leiterholt. Die allermeisten möchten arbeiten. Auch diejenigen, die wieder in ihre Heimat zurück möchten. Die sind laut Monika Leiterholt aber in der Minderheit. „Rund 60 Prozent möchten dauerhaft bleiben.“
Als riesige Chance für den Arbeitsmarkt bezeichnet Kreisdirektor Ralf Berensmeier diesen Zustand, zumal die Geflüchteten laut Monika Leiterholt „keine klassischen Hausfrauenbiografien“ mitbringen. „Sie sind Krankenschwestern, Erzieherinnen oder andere Fachkräfte“, sagt die Koordinatorin. Unter den Männern seien viele Berufskraftfahrer. Dazu seien sie gut vorbereitet, hätten ihre Unterlagen dabei und seien motiviert. Auch die Bereitschaft potenzieller Arbeitgeber sei hoch.
Große Hürden stellen unterdessen der derzeitige Engpass bei Sprachkursen und zu wenige Kinderbetreuungsplätze im gesamten Kreisgebiet dar. Dafür müsse es Lösungen geben, sagt Michael Müller, der auch damit rechnet, dass sich die Situation auf dem Wohnungsmarkt zuspitzt.
Doch auch bei allen Unwägbarkeiten und Hindernissen sind Kreis und Jobcenter zuversichtlich. „Wir kriegen das hin“, sagt Michael Müller.