Kreis Wesel. Ein Blick auf die Natur im Kreis Wesel am internationalen Tag des Artenschutzes (3. März): Das sind die Gewinner und Verlierer in der Tierwelt.
Seit 1973 ist der 3. März jeweils der Internationale Tag des Artenschutzes - seinerzeit wurde das Washingtoner Artenschutzabkommen unterzeichnet. Wie geht es Tieren aktuell im Kreis Wesel? Klaus Kretschmer, Geschäftsführer der Biologischen Station im Kreis Wesel, zieht eine gemischte Bilanz: Manche längst hier ausgestorbene Art ist zurück, andere Arten sind verschwunden oder akut bedroht. Der Klimawandel hat uns zudem tierische Zuwanderer beschert - nicht alle sind willkommen.
Einige Arten haben den Weg zurück in den Kreis Wesel gefunden
Ausgestorben und jetzt zurück ist - neben dem Wolf - der Biber. Allerdings hat der Mensch nachgeholfen und den fleißigen Dämmebauer wieder in der Region angesiedelt. Sein Lebensraum ist das Wasser - Kretschmer nennt unter anderem die Bislicher Insel, den Orsoyer Rheinbogen, Diersfordter Waldsee und die Westerheide am Rhein.
Auch der Fischotter ist in die Flüsse zurückkehrt. Aus anderen Bundesländern komme er zu uns, auch aus den Niederlanden wo der pfiffige Marder von Menschen wieder angesiedelt wurde, und aus Norddeutschland. Zu sehen bekommt man die Schwimmkünstler kaum. „Das sind scheue Gesellen, die leben gut versteckt“, erläutert Kretschmer. Störche gab es früher nicht im Kreis. Und: Der imposante Uhu ist wieder da, die größte der einheimischen Eulen.
Pilzkrankheit tötet Feuersalamander - sie nähert sich den Kreisgrenzen
Sorgen bereitet den Naturschützern der Feuersalamander. Die Population habe stark unter den drei trockenen Jahren gelitten. Feuersalamander benötigen Fließgewässer, um sich zu vermehren, aber mancher Bach war ausgetrocknet. Auch steht die sogenannte Salamanderpest vor den Grenzen des Kreises: Ein Pilz, der absolut tödlich für Feuersalamander ist und auch andere Amphibien bedroht. In Bottrop sei er bereits nachgewiesen, sagt Klaus Kretschmer.
Klimawandel, das bedeutet auch, dass Arten aus dem Süden zu uns gelangen - und mal mehr, mal weniger willkommen sind. „Früher sind wir als Wissenschaftler nach Frankreich gereist, um beispielsweise die Blauflügelige Ödlandschrecke zu sehen. Neulich habe ich eine in Flüren entdeckt“, sagt Kretschmer. Laien erkennen die Heuschrecke im Flug an ihren blauen Flügeln mit je einem dunklen Streifen darauf. Auch der Bienenfresser, ein leuchtend bunter, wärmeliebender Zugvogel, der in Europa in der Mittelmeerregion lebt und auch in Afrika verbreitet ist, ist inzwischen im Kreis Wesel heimisch. Auf der Bislicher Insel haben sich Löffler angesiedelt - und Seeadler, die einzigen ihrer Art in NRW.
Waschbären - intelligent und zerstörerisch
Neozoen, also tierische Neubürger, sind auch Waschbären: hübsch anzusehen, intelligent - und höchst unwillkommen. „Sie bringen das natürliche Gefüge durcheinander“, erläutert Kretschmer; sie plündern Steinkauzkästen und Nester und seien inzwischen bereits überall im Südkreis anzutreffen. „Sie sind nachtaktiv: Wenn man einen sehen kann, bedeutet es, dass bereits viele da sind.“ Ebenso unwillkommen ist der Goldschakal, der biologisch zu den Hunden zählt, unter anderem auf dem Balkan lebt und nun hier auftaucht.
Neu sind auch die Nonnengänse oder Weißwangengänse, die zum Teil bereits in den Rheinauen und auf Gewässerinseln brüten. Vor 15 bis 20 Jahren gab es sie hier noch nicht. Probleme bereiten die Kanadagänse in den Städten: Sie verschmutzen Grünflächen und auch kleine Gewässer bis die „umkippen“, zu viele Nährstoffe gelangen dort ins Wasser.
Ausgestorben ist im Kreis Wesel der Ortolan, ein spatzgroßer Bodenbrüter. Bei den stark gefährdeten Arten nennt Kretschmer auch die Grauammer, Uferschnepfe, Rotschenkel, Feldlerchen - Wiesenvögel sind stark gefährdet. Die Population des Steinkauzes nehme zudem rapide ab: Sein Lebensraum sind kurzrasiges Grünland, Streuobstwiesen beispielsweise. Intensive Landwirtschaft, Versiegelung und Flächenverluste durch den Kiesabbau setzen der kleinen Eule zu.
Ganz gewöhnliche Wiesenpflanzen verschwinden - und mit ihnen Insekten
Wiesenpflanzen sind die Verlierer beim Stichwort Artenvielfalt. Klaus Kretschmer nennt früher ganz normale Arten, die es auf den Wiesen kaum noch gibt: Wiesenkerbel, wilde Möhre, sogar Löwenzahn. „Es gibt meist nur noch zwei schnell wachsende und eiweißhaltige Grassorten, die häufig gemäht und mit Gülle gedüngt werden. Die Pflanzen haben keine Chance zu blühen und sich auszusäen.“ In der Folge verschwinden zahlreiche Insekten, die Fressspezialisten sind. Schmetterlinge, zum Beispiel: Das Tagpfauenauge und der Kleine Fuchs ernähren sich von Brennnesseln. Der seltene Schwalbenschwanz ist auf Doldengewächse wie die wilde Möhre spezialisiert.
Es ist also eine gemischte Bilanz für die Arten im Kreis Wesel - es gibt Gewinner und Verlierer, auch der Klimawandel hinterlässt seine Spuren.