Kreis Wesel. Manche Menschen leben seit Jahrzehnten komplett auf dem Campingplatz, mitunter ohne zu wissen, dass das nicht legal und mit Risiken behaftet ist.

Die Sperrung und drohende Räumung des Schermbecker Campingplatzes Hohes Ufer wegen mangelnden Brandschutzes könnte Menschen ihr Zuhause nehmen. Etliche Dauercamper im Kreis Wesel sind im Laufe der Jahre ganz auf ihren Campingplatz gezogen. Es ist ein lange geduldetes, dann 2014/15 heiß diskutiertes und fast wieder in Vergessenheit geratenes Problem.

Wohnen auf dem Campingplatz ist illegal weil Campingplätze baurechtlich gesehen Erholungsgebiete sind, keine Wohngebiete. Zulässig sind laut Camping- und Wochenendplatzverordnung NRW neben Zelten Wohnmobile und Wohnanhänger, „also keinesfalls fest mit dem Boden verankerte bauliche Anlagen, beispielsweise Wochenendhäuser“, teilt der Kreis auf Anfrage mit.

Unlogische Rechtslage: anmelden ja – wohnen nein

Justitia handelt unlogisch: Das Baurecht steht gegen das Melderecht, das Oberverwaltungsgericht entschied 2017, dass die Anmeldung als Erstwohnsitz legal ist. Wer einen Wohnsitz anmelden möchte, muss Eigentum nachweisen oder eine Wohnungsgeberbescheinigung vorlegen. Der Kreis Wesel sieht hier die Platzbetreiber in der Pflicht, solche Belege nicht auszustellen.

Leo Ingenlath ist Vorsitzender des Fachverbandes der Freizeit- und Campingunternehmer NRW und betreibt den Campingplatz Kerstgenshof in Sonsbeck. „Dauerbewohner sind ein auslaufendes Modell“, sagt er, das Land habe eine Stichtagsregelung favorisiert, die neue Hauptwohnsitze auf einem Campingplatz nicht mehr zulässt, Alteingesessene aber verschont. Viele Kommunen und Platzbetreiber haben diese Lösung übernommen, auch Ingenlath. Es sei ohnehin nicht im Sinne der meisten Campingunternehmer, dass Menschen dort fest wohnen. In seinem Verband sei das nicht gewollt.

Die Kommunen schauen heute nicht mehr weg

Allerdings sind etliche Plätze bereits vor 50 Jahren genehmigt worden, „da gab es noch keine Mobilheime.“ So mancher habe sich später ein „Fertighaus auf Rädern“ zugelegt, viele Kommunen schauten weg.

Leo Ingenlath achtet darauf, dass auf seinem Campingplatz Kerstgenshof niemand mehr seinen Erstwohnsitz anmeldet.
Leo Ingenlath achtet darauf, dass auf seinem Campingplatz Kerstgenshof niemand mehr seinen Erstwohnsitz anmeldet. © FFS | Olaf Fuhrmann

Das tun sie heute in der Regel nicht mehr. Kamp-Lintfort beispielsweise hat 2020 ein Bauleitverfahren eingeleitet, um Wildwuchs auf der Freizeitanlage Altfeld zu beenden, mit dem Ziel, die Umnutzung von Freizeitanlagen in Wohngebiete zu verhindern. Seit 2014 gilt hier die Stichtagsregelung: Wer die Parzelle aufgibt, darf sie nicht für Wohnzwecke verkaufen oder vererben.

Von der Frage der Legalität abgesehen, rät Ingenlath, sich gut zu informieren. Nicht immer werde mit offenen Karten gespielt, wenn Leute ihr Mobilheim auf dem Campingplatz verkaufen wollen.

Ein aktuell in einem Immobilienportal für 165.000 Euro als Einfamilienhaus in Wesel unter dem Stichwort „Ruhiges Wohnen mit Freizeit am Rhein“ angebotenes Haus gibt ihm Recht - erst weiter unten erfahren Interessierte, dass es sich um ein Mobilheim auf der Grav-Insel handelt, Deutschlands größtem Campingplatz. Diese Immobilie ist nicht als Einfamilienhaus nutzbar, das steht dort aber nicht. Politik und Platzbetreiber in Wesel haben sich darauf geeinigt, dass nur alteingesessene Bewohner bleiben können.

Dauercamper können viel Geld wegen kurzer Pachtverträge verlieren

Egal ob illegaler Hauptwohnsitz oder legales Dauercamping: „Pachtverträge gehen immer nur über ein Jahr. Viele Menschen investieren ihr Geld und planen auf 20 Jahre. Sie haben keinen Anspruch auf eine Verlängerung und sind sehr bestürzt, wenn sie abbauen müssen“, sagt Leo Ingenlath. Das Nachsehen haben die Camper, die das Risiko für ihre Investitionen allein tragen. 182 Tage im Jahr dürfen sie legal auf dem Platz sein. Ob es mal ein Wochenende mehr wird - kein Hahn kräht danach.

Das Argument des preiswerten Wohnraums weist der Vorsitzende des Fachverbandes der Freizeit- und Campingunternehmer NRW als Wunschdenken zurück, „das Modell ,letzte Rettung Campingplatz’ kann die Campingwirtschaft nicht vertragen.“ Wenn die Plätze zu sozialen Brennpunkten werden, „Wagenburgen mit fürchterlichen Anbauten das Bild bestimmen, zu viele Menschen auf dem Platz sind“, das seien Bilder, die niemand brauche.

Kreis greift nur bei Gefahr ein

Wie viele Campingplätze der Kreis Wesel hat, kann die Kreisverwaltung nicht beantworten: Die Zuständigkeit liegt bei den Kommunen, die eine Bauaufsichtsbehörde haben. Allein in Alpen, Hünxe, Schermbeck und Sonsbeck sind es aber bereits 18 Plätze. Hier ist der Kreis Bauaufsichtsbehörde. Die Verantwortung für die Einhaltung der Gesetze liege beim Platzbetreiber. Wie im Fall Hohes Ufer werde der Kreis als Gefahrenabwehrbehörde erst dann wieder tätig, wenn Anhaltspunkte für „baurechtswidrige oder sogar Menschenleben gefährdende Zustände“ bestehen, heißt es auf Anfrage.