Kreis Wesel. In Lehrerzimmern der Kreis-Weseler Grundschulen lauert der Bournout: Corona lässt den Lehrerinnen kaum Ruhephasen - wie ihr Alltag aussieht.

Sie haben Angst vor Ansteckung, wollen „ihre“ Kinder fördern, die Eltern entlasten und wissen vor Arbeit nicht mehr vor und zurück: Grundschullehrerinnen in der Pandemie. Weil sie nicht öffentlich über Missstände sprechen dürfen, haben wir drei Kreis-Weseler Grundschullehrerinnen gebeten, anonym Klartext zu reden – nennen wir sie A, B und C. Die Probleme sind vielfältig.

Um 22.30 den Computer wieder hochfahren

Testen in der Schule, das lief bis vor kurzem so ab, berichtet Lehrerin A: Neben dem Pooltest gab es die Rückstellproben - „das bedeutete 28 Kinder einmal für den Pool und einmal für den Rückstellprobe lutschen lassen. 28 Röhrchen mit Etiketten ersehen, eintüten und hinten und vorn noch mal ein Etikett drauf.“ War der Pool positiv, wurden die Rückstellproben analysiert, um herauszufinden, welches Kind krank ist. „Die Ergebnisse haben wir erst abends gegen 22 Uhr bekommen. Das bedeutet für den nächsten Tag umplanen.“ Kollegin B bestätigt: „Da fährt man dann um 22.30 Uhr den Computer noch mal hoch.“

Jetzt gibt es keine Rückstellproben mehr. „Ist der Pool positiv, kommen die Kinder in die Schule und werden einzeln getestet.“ Das dauert, ist mit viel Papierkram verbunden. „Ein positiv getestetes Kind nehmen wir dann vorsichtig raus“, erläutert A. Kollegin B verdeutlicht, was sich mitunter abspielt: „Neulich war der Schnelltest eines Kindes positiv. Wir haben es separiert, die Eltern holten es ab und ließen einen Bürgertest machen“, berichtet sie. „Der war negativ.“ So kam das Kind wieder zur Schule – und wurde erneut positiv getestet. Alles begann von vorne. „Sie können sich vorstellen was das mit einem kleinen Kind macht.“

Ist ein Pooltest positiv, müssen alle Kinder am nächsten Tag in der Schule einzeln getestet werden. Eine Herausforderung für die Grundschullehrerinnen (Symbolbild).
Ist ein Pooltest positiv, müssen alle Kinder am nächsten Tag in der Schule einzeln getestet werden. Eine Herausforderung für die Grundschullehrerinnen (Symbolbild). © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Schlaflos, wenn der nächste Pooltest ansteht

Zwei mal die Woche ist in der Schule von Lehrerin B Pooltest. „In der Nacht schlafe ich unruhig oder gar nicht“, sagt sie. Bis in den Abend wartet sie auf das Ergebnis. „Wenn es negativ ist, ist alles gut. Ist es positiv, muss ich die Eltern per Whatsapp und Mail anschreiben. B arbeitet an einer Schule, an der viele Eltern kaum Deutsch sprechen, „viele verstehen die Mails nicht und schicken dann die Kinder gar nicht zur Schule.“

Positiv getestete Kinder gehen in Quarantäne, „sie haben aber Anspruch auf Unterricht“, erläutert A. So fahre sie nach der Schule herum und bringe Unterrichtsmaterial: Sie muss den Stoff zwei Mal aufarbeiten, einmal für die Klasse, einmal für die Quarantänekinder. Die Grundschullehrerinnen fühlen sich vom „Organisationswust“ erdrückt.

Die Kinder wissen nicht mehr, wie Schule funktioniert

Ein anderes Phänomen stellt A fest: Die Kinder haben verlernt, wie man in der Schule arbeitet. „Zuhause waren oft mehrere Kinder, die Eltern im Homeoffice.“ Bei allem Bemühen sei ein Lernen wie in der Schule in vielen Familien nicht möglich. Ergebnis: „Die Kinder stehen mitten im Unterricht auf, weil sie keine Lust mehr haben, und laufen raus.“ Kollegin C lobt, dass an ihrer Schule Kinder von ihren Müttern intensiv eins zu eins betreut wurden. „In der Klasse sind aber 25 Kinder - und die erwarten das jetzt auch.“

Zur zweiten Kategorie gehören Kinder, die im Distanzunterricht zuhause immer im Mittelpunkt standen - und das auch jetzt einfordern. „Ich kann verstehen, dass Kinder so sind. Es wird viel von den Eltern verlangt und sie haben viel gegeben“, sagt A. Dennoch stießen etliche jetzt an ihre Grenzen, „und jemand muss ja Schuld sein. Das bist dann oft Du.“ Dabei hätten viele Eltern toll gearbeitet. „Mir tut es dann leid um die Kids. Wir können ihnen nur helfen, wenn die Eltern mit uns an einem Strang ziehen.“

Quasi 24 Stunden im Dienst - es gibt keine Ruhephasen

Über Arbeitszeit spricht offenbar niemand. „Das kommt alles on top“, erfasst werden lediglich die gegebenen Unterrichtsstunden, sagt A. „Zur Zeit sind wir quasi 24 Stunden im Einsatz“, erläutert Kollegin C, „versuchen die Eltern glücklich zu machen, die Kinder zu fördern, hinzu kommt ein großer Lehrermangel. Wir versuchen, uns in Stücke zu teilen.“ Es gebe keine Ruhephasen mehr, Entscheidungen des Landes werden Freitagabend mitgeteilt und müssen Montag umgesetzt werden. Das wird wohl das ganze Schuljahr so bleiben, fürchtet A: „Das Land setzt auf Präsenz, egal was passiert.“

Und da ist die Angst vor der Ansteckung, angesichts der aktuellen Zahlen: „Wir sind immer mit positiven Kids in der Klasse“, sagt B - das belaste. „Wir sind alle doppelt geimpft und geboostert.“ Die Hälfte des Ganztagspersonals sei bereits infiziert, im Kollegium gab es zum Glück nur eine Erkrankung. „Das liegt daran, dass wir immer FFP2-Masken tragen.“ Aber Düsseldorf denke den Ganztag nicht mit. Zudem: „Sehen Sie sich mal an, wie Bürgertests gemacht werden, in voller Schutzmontur. Wir stehen den Kindern beim Test direkt gegenüber, mit Maske und Handschuhen. Das ist unzumutbar!“ Lehrerin C denkt, dass ihre Erstklässler sie auf der Straße wohl nicht erkennen würden. „Sie haben mich nur selten ohne Maske gesehen.“