Kleve. Die Klever Firma Taxi Niederrhein geht in die Eigeninsolvenz. Geschäftsführer Vollert erklärt die bedrohliche Situation einer Branche.
Dieses Thema bewegt viele Menschen, nicht nur diejenigen, die kein eigenes Auto haben. Ist das Taxigewerbe im Kreis Kleve am Ende? Das große Taxiunternehmen Niederrhein aus Kleve hat am 22. Mai Insolvenz angemeldet. Geschäftsführer Stefan Vollert sagte der NRZ, man habe sich aus freien Stücken für die Insolvenz entschieden, um das Unternehmen neu aufzustellen. Gemeinsam mit der Insolvenzverwalterin Nada Nasser werde nun ein Konzept erarbeitet, das die Gläubiger überzeugen soll. Die Verbindlichkeiten belaufen sich laut Vollert auf rund zehn Prozent des Gesamtumsatzes.
Krankenfahrten werden immer wichtiger
Bereits im März hatte ein Gutachter für den Kreis Kleve davor gewarnt, dass es im Südkreis Kleve kaum noch ein Taxigewerbe gibt. Mit der Insolvenz von Taxi Niederrhein ist nun auch die Situation im Nordkreis bedroht. Taxi Niederrhein hat 64 Mitarbeiter, 20 Taxen und vier Mietwagen. Eine Zukunft sieht Vollert im Geschäft mit Krankenfahrten, da sich auch die Ärzte- und Krankenhauslandschaft verändere (Stichwort Insolvenz Willibrord-Spital Emmerich). Die Fahrten zum Arzt oder ins Krankenhaus werden tendenziell länger.
Durch Corona-Pandemie sind Erlöse um 18 Prozent zurückgegangen
Die Insolvenz kommt überraschend. Noch im März 2024 hatte Gutachter Thomas Krause der Branche zwar eine schwierige Enwicklung zugeschrieben, aber die Umsatzrückgänge seien noch nicht existenzgefährend, so Krause damals im Verkehrsausschuss des Kreises Kleve. Während der Corona-Pandemie seien die Erlöse um 18 Prozent zurückgegangen.
Gleichwohl sei die Taxi-Branche im Kreis Kleve mit einem blauen Auge davongekommen. Der Umsatz pro Fahrzeug sei von 73.000 Euro auf 60.000 Euro gesunken: „Das ist schlimm, aber nicht existenzgefährdend“, so Krause. Auch die Kosten pro Fahrzeug liegen je nach Personaleinsatz zwischen 30.000 und 70.000 Euro. Der Überschuss pro Fahrzeug beläuft sich im Nordkreis Kleve im Durchschnitt der Jahre 2019 bis 2021 auf 5369 Euro.
So hat sich die Situation verschlechtert
Doch die Situation habe sich im Vergleich zu 2021 erheblich verschlechtert, berichtet Taxi-Niederrhein-Geschäftsführer Vollert. Er gibt ein Bespiel: „2019 haben wir für den Austausch einer Windschutzscheibe in einem Passat 710 Euro bezahlt. Jetzt sind das für das gleiche Fahrzeug 1819 Euro. Das steht in keinem Verhältnis mehr“, so Vollert. Das Insolvenzverfahren soll drei Monate dauern, danach soll es eine Lösung geben. Der Betrieb wird weiter laufen, betont Vollert.
Mit der Insolvenz von Taxi Niederrhein hängt die gesamte Branche am seidenen Faden. Nur noch Taxi Vels in Emmerich und Taxi Wolf in Goch betreiben in ähnlicher Größenordnung das reine Taxigeschäft. Ein Taxi Tönnissen beispielsweise hat sich auf Fahrten für die Lebenshilfe konzentriert und kann dort mit einer Fahrt im Kleinbus, in dem neun Personen transportiert werden können, ganz anders kalkulieren. „Die reinen Taxifahrten werden deutlich zurückgehen“, sagt Vollert.
Laut Gutachter Krause hat die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns dazu geführt, dass die Unternehmen ihre Taxis zu den umsatzstarken Zeiten fahren lassen. Angebote in unrentablen Randzeiten und Randmärkte in kleineren Gemeinden werden nicht mehr bedient. Der Gutachter schlägt vor, die Gemeindebindung zu lockern. Bisher muss ein Taxiunternehmen in einer Gemeinde ansässig sein, wenn es dort Taxidienste anbieten will. Dies verursacht unnötige Kosten und Bürokratie. De facto werden die Dienste schon heute meist von der Zentrale aus gesteuert.
Antrag der Vereinigten Wählergemeinschaft
Die Vereinigten Wählergemeinschaften (VWG) beantragen jetzt im Kreistag eine Erhöhung der Taxitarife: Ralf Janssen, Vorsitzender der Vereinigten Wählergemeinschaften Kreis Kleve (VWG), erinnert: „Bisher hat vor allem der Südkreis die Taxis verloren. In Rheurdt und Wachtendonk gibt es schon lange kein Taxi mehr. Jetzt erreicht die Misere auch die Kreisstadt Kleve.“ Bereits vor zwei Jahren habe ein Gutachten belegt, dass die bestehenden Tarife nicht kostendeckend seien. Patricia Gerlings-Hellmanns (VWG) in einer Pressemitteilung: „Schon damals haben wir uns für eine angemessene Erhöhung der Tarife eingesetzt. Schon 10 bis 20 Cent mehr pro Kilometer hätten viel bewirkt. Aber weder CDU, SPD, Grüne, FDP noch AfD haben das damals unterstützt.“
Die Hoffnung, dass die Taxiunternehmer Wege finden, die Kosten zu senken, hat sich zerschlagen: Angesichts dieser dramatischen Entwicklung haben die VWG vor wenigen Wochen erneut beantragt, dem Taxigewerbe sofort zu helfen. Dieser wurde jedoch im zuständigen Fachausschuss am 14.05.2024 erneut abgelehnt. Ralf Janssen kritisiert: „Wenn jeder Kilometer 15 Cent Verlust bringt, wie lange kann das gut gehen? Kann denn außer uns VWG niemand rechnen?“
Kritik an CDU und SPD
Taxi-Niederrhein-Geschäftsführer Vollert beklagt, dass CDU und SPD kein offenes Ohr für das Taxigewerbe hätten. Bei der CDU bekäme man nicht einmal eine Rückmeldung. Weder Christ- noch Sozialdemokraten würden das Gespräch suchen, obwohl man die bedrohliche Situation mehr als deutlich gemacht habe.
Am Donnerstag, 6. Juni, wird der Kreisausschuss noch einmal über das Thema reden.
Neue Taxitarife in Arbeit
Der Kreis Kleve teilt der NRZ auf Anfrage mit, dass die Tarife für Anfang 2025 angepasst werden sollen: „Der Anpassungsbedarf der aktuell geltenden Taxitarifordnung soll vor dem Hintergrund des vorliegenden Antrags durch ein externes Gutachterbüro bewertet werden. Zuvor muss es ein entsprechendes Vergabeverfahren geben“, so Kreis-Sprecher Benedikt Giesbers. Insofern sei eine Überprüfung der Taxi-Tarife bereits in Arbeit.