Kreis Kleve. Die Anhebung des Mehrwertsteuersatzes zwingt Lokale in Emmerich, Rees und Bedburg-Hau, zu handeln. Wer die Preise nicht erhöht.
In einem schönen Restaurant miteinander gut und lecker essen zu gehen, bedeutet für viele Menschen auch im Kreis Kleve Lebensqualität. Die von der Bundesregierung beschlossene Anhebung des Mehrwertsteuersatzes von sieben auf 19 Prozent zum 1. Januar 2024 kommt für die meisten Gastronomen zur Unzeit. Viele Restaurantbetreiber kämpfen ohnehin mit gestiegenen Energiepreisen, hohen Lebensmittelpreisen und Lohnerhöhungen in der Branche. So manchen belasten die Rückzahlungen der Corona-Hilfen noch zusätzlich. Die NRZ erkundigte sich, wie die Restaurantbetreiber damit umgehen.
„Wir heben unsere Preise einfach nicht an“ vertritt Sigrid Dittrich vom Hotel-Restaurant Nierswalder Landhaus einen wohl eher ungewöhnlichen Standpunkt. „Wir haben die Preise auch nicht gesenkt, als die Steuer bei sieben Prozent war. Jetzt müssen wir so klarkommen“, findet sie. In ihrem Facebook-Account hört sich das so an: „Liebe Gäste, ihr wisst, ab diesem Jahr gilt auf Speisen wieder der „normale“ Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent. Wir haben lange überlegt und sind zu dem Schluss gekommen, dass wir unsere Preise nicht erhöhen!“ Vielmehr hofften sie, so Dittrich weiter, „dass ihr uns wieder wie gewohnt unterstützt und vielleicht ein wenig öfter essen kommt, gerade in der sowieso so stillen Zeit.“
Natürlich, sagt Sigrid Dittrich im Gespräch mit der NRZ, wisse man noch nicht, was „auf uns zukommt“. Eine Anhebung der Preise aber halte sie für schwierig. Ihre Gäste, erzählt sie, hätten sich mit ihnen solidarisiert und in der Coronazeit mit dem regen Verzehr der Abholgerichte unterstützt. „Ich glaube, dass man mit Kreativität manchmal mehr erreichen kann als mit einer Preiserhöhung,“ ist sie überzeugt. „Das Schnitzel wird nicht teurer“, verspricht sie, und auch die Frühstückspreise blieben unverändert. Mit ihren 35 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern führt sie neben dem Restaurant ein Hotel mit 32 Zimmern. Dittrich will gelassen abwarten, was passiert und verweist auf ihre Entscheidung, das Gasthaus montags wegen Personalmangels zu schließen. „Erst hatten wir Angst vor möglichen Verlusten, unsere Gäste aber sind dann einfach an anderen Tagen zu uns gekommen“, freut sie sich. „Wir gucken mal, wie sich das gastronomische Jahr entwickelt.“
Normaler Kartoffelstampf ausreichend?
Viele ihrer Mitstreiter in der Branche sehen das anders. „Ich weiß von Kollegen, dass sie über kleinere Portionen auf dem Teller nachdenken“, sagt Thorben Schröder, Vorsitzender der Kreis Klever Gruppe des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga). Gemeinsam mit seiner Frau Anette Opgenoorth führt er den Landgasthof Westrich in Till. „Wir geben die Erhöhung eins zu eins an unsere Gäste weiter“, erklärt er. Gleichzeitig hätten sie die Speisekarte gewechselt. Bei Westrich kann man nun unter anderem bei den Suppen unterschiedliche Größen wählen. Beim Schnitzel stellen die Gastronomen Kalbs- oder Schweineschnitzel zur Wahl. Während ersteres 28 Euro kostet, wäre das Schwein für 20,50 Euro zu bekommen. Insgesamt, so Schröder, würden alle Gerichte in den kommenden Wochen einem Monitoring unterzogen. „Wir denken zum Beispiel darüber nach, ob es unbedingt die Süßkartoffel sein muss oder ob nicht ein normaler Kartoffelstampf ausreicht.“
Der Dehoga-Vorsitzende ärgert sich über die Entscheidungen aus Berlin. „Wir werden den Bundeskanzler zur Bundestagswahl an seine Zusage erinnern, dass es bei den sieben Prozent in der Gastronomie bleiben werde“, kündigt er an.
Umdenken bei Westrich
Seine Gäste reagierten zögerlich auf die Preiserhöhungen, hat er schon nach wenigen Tagen erfahren. Einen in diesen Tagen geplanten Weinabend, der ursprünglich 84 Euro pro Person gekostet hätte, hätten sie auf 99 Euro verteuern müssen, berichtet Schröder. „Zehn Prozent der Gäste haben ihre Karte daraufhin zurückgegeben.“ So mancher könnte in Zukunft sogar auf sein Feierabendbier verzichten, befürchtet er.
Das Umdenken bei Westrich bezieht auch Beerdigungskaffee, Frühstück oder Kaffee und Kuchen mit ein. „Vielleicht beschränken wir das Frühstücken auf zwei Stunden“, denkt er laut. „Das Angebot bringt nicht den großen Umsatz“, weiß der ausgebildete Koch. Auch hier würden sie die Preise erhöhen. Vielleicht aber auch die Leistung. „Wir schaffen einen Kaffeeautomaten zur Selbstbedienung an, der verschiedene Spezialitäten zubereitet“, sagt Schröder. So könnten sie ein wenig an der Personalschraube drehen. „Wir werden im ersten Quartal an unserem Konzept feilen“, sagt Schröder.
Zur Linde in Rees will nicht bei den Portionen sparen
Schon im Dezember hat das Restaurant Zur Linde in Rees die Preise leicht angehoben. „Das gilt für unsere Hauptgerichte“, sagt Betreiber Maik Baatsch, „sie sind jetzt zehn Prozent teurer. Die übrigen Preise haben wir belassen.“ Sie hätten nicht an der Größe der Portionen sparen wollen. Essen zu gehen sei schon vor der Anhebung der Mehrwertsteuer nicht günstig gewesen, sieht der Gastronom. Der Preisanstieg in fast allen Bereichen ziehe sich wie ein roter Faden durch die letzten Jahre. „Die vergangenen beiden Jahre waren fast noch schwieriger, weil keine Hilfen mehr gezahlt wurden“, findet er. „Wir machen diesen Job wirklich gerne, aber am Ende muss es sich auch lohnen.“
In seinem Restaurant hat er jetzt andere Gerichte auf die Speisekarte gesetzt. Rinderfilet beispielsweise gibt es in Rees gar nicht mehr. „Es müsste 44 Euro kosten“, rechnet Maik Baatsch vor. „Das will keiner bezahlen.“ Alternativ bietet er nun Kalbsleber an – „das geht eher“. „Super“ laufe es mit Schweinefilet. Für die Zukunft ist er guter Dinge. „Wir haben es während Corona schon gepackt und sind sicher, dass es weitergeht.“
Hohe Kosten für Einkauf, Löhne und Energie
„Das ist eine Riesenpreisnovelle, die die Gastronomie vor große Probleme stellt“
„Wir müssen soviel mehr an Erlös erwirtschaften“, berichtet Franz Feyen, Pächter in der Emmericher Societät. Das aber gehe nur über den Preis. „Den müssen wir anpassen.“ Auch er verweist auf hohe Kosten für Einkauf, Löhne und Energie. „Das ist eine Riesenpreisnovelle, die die Gastronomie vor große Probleme stellt“, sieht er. Zwölf zusätzliche Prozent Steuern abführen zu müssen, „ist ruinös“. Einen signifikanten Einbruch bei den Reservierungen bzw. der Gästezahl erwartet Feyen jedoch nicht und kann sich bisher über eine gute Buchungssituation freuen. „Wir sind ein eingeführtes Haus“, so der Gastronom. „Die Leute bekommen hier Top-Qualität.“
Allerdings glaubt er schon, dass „die ein oder andere Familie sich überlegen wird, lieber zu Hause zu kochen“. Kritisch blickt Feyen auch auf die vielen Preissteigerungen insgesamt. „Man weiß gerade gar nicht, wie das weitergehen wird.“ Planungssicherheit fehle. Er habe sich schweren Herzens für die Verteuerung seiner Angebote entschieden, „es ist bitter, aber es geht gerade nicht anders“.
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