Kleve. Das Wetter im Kreis Kleve lässt kein Sommerfeeling aufkommen. Ist das noch normal und was macht der Grundwasserspiegel? Die NRZ hat nachgefragt.
Sommerstimmung kommt bei den aktuellen Temperaturen und kalten Duschen von oben wohl nicht auf. Viele Veranstaltungen wurden abgesagt, wie zum Beispiel das Dorf- und Familienfest Vrasselt, das an diesem Wochenende stattfinden sollte, oder in der vergangenen Woche der Feierabendmarkt in Goch. Gewitter, Dauerregen und Wind verwandelten in Schleswig-Holstein das Metal-Festival „Wacken Open Air“ zu einem Schlamm-Schlamassel. Das Haldern Pop Festival in Rees meldete zum Auftakt ein ähnliches Szenario.
An Extremwetter haben sich die Menschen in Europa in den vergangenen Jahren gewöhnt. Laut einem Bericht des Deutschen Wetterdienstes war das Sommerwetter 2018, 2019 und 2020 von Hitze geprägt, auch im Jahr 2021 gab es eine meridionale Großwetterlage. Sturzfluten über Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen waren die Folge. Im Sommer 2022 meldete der Deutsche Wetterdienst ein außergewöhnliches Wetterjahr mit 2025 Sonnenstunden. Was viele Menschen also bei der momentanen Wetterlage vergessen ist, dass die vergangenen Jahre durch Extremwetter geprägt waren.
Ein Gespräch mit Hobby-Meteorologe Hubert Reyers
Und wie sieht es nun 2023 am Niederrhein aus? Hobby-Meteorologe Hubert Reyers aus Kleve hat das hiesige Wetter stets im Blick. Die Frage ist nun: Ist die aktuelle Wetterlage außergewöhnlich und hat sich durch den aktuellen Regen der geplagte Grundwasserspiegel erholt?
„Noch lange nicht“, sagt Landwirt Hubert Reyers. Auch seien die Regenmengen der vergangenen zwei Wochen im Grunde normal, ebenso wie die Tatsache, dass der eine Ort, wie beispielsweise Wacken, völlig unterginge, andere Orte wiederum nicht.
Hohe Wolkentürme führten zu schweren Regenfällen
„In Kleve sind normale Mengen an Regen gefallen, in Uedem oder im Kreis Wesel waren die Mengen teils doppelt so hoch, es kommt eben darauf an, wo sich die Hauptzonen befinden.“ Der Landwirt erklärt, man müsse sich das vorstellen wie Wasser, das man in einem Topf zum Kochen bringt.
Irgendwo beginnen die Blasen hochzusteigen, an manchen Stellen blubbert es mehr als an anderen. „So ist das auch bei einem Gewitter: Viel Feuchtigkeit wird durch Sonneneinstrahlung in kältere Luft geschleudert und kondensiert, so wie beispielsweise bei einer heißen Dusche kalte Fliesen, Fenster oder Spiegel beschlagen.“ Genau das passiere auch bei der Wolkenbildung. Hohe Wolkentürme führten zu schweren Regenfällen.
„Etwas mehr als normal“
Die Regenmengen der vergangenen Wochen waren „etwas mehr als normal“ und zudem sehr unterschiedlich verteilt. Im Juli seien 90 Millimeter gefallen, das würde in keiner Statistik auffallen. „Uedem dagegen hatte fast 200 Millimeter“, und das muss irgendwo hin. „Da hat mit Sicherheit der ein oder andere Keller unter Wasser gestanden oder eine Sturmböe hat mehr als nur einen Ast mitgerissen.“
Immer besorgter schaut man seit einigen Jahren auch auf die Jahreszeitenvorhersagen. Wetterlagen gibt es in all ihren Extremen auch über einen längeren Zeitraum bei uns. „Grundsätzlich sei der Klimawandel auch im Zusammenhang mit sich verändernden Wetterlagen zu sehen“, erklärte bereits im Juni Diplom-Meteorologe Thomas Kesseler-Lauterkorn, stellvertretender Leiter Regionales Klimabüro Essen vom Deutschen Wetterdienst in einem Gespräch mit der NRZ. In den vergangenen 15 bis 20 Jahren hätten sich Abfolge und Häufigkeit der Wetterlagen geändert, bestimmte Wetterlagen seien stabiler oder stationärer geworden.
Das starke Windband des Jetstreams
Hubert Reyers bestätigt: „Hier geht es um die Betrachtung der weltweiten Wetterlage - da hängen wir natürlich auch mit drin.“ Der Jetstream erzeuge Starkwindbänder. „Ganz grob gesagt“ sorge dieser dafür, dass sich Hochs und Tiefs von der Stelle bewegen. In diesem Jahr sei er aktiver, „da ist Schwung drin“. Hubert Reyers erinnert an den Sommer 2022, bei dem es in Pakistan als Folge eines außergewöhnlich starken Monsunregens, „der einfach nicht von der Stelle kam“, zu großflächigen Überschwemmungen kam. „Dagegen war das Ahrtal ein Rinnsal“. Das Ahrtal sei, genau wie das Moseltal, wie eine große Badewanne. „Rechts und links hoch und die Mitte unten, wenn dann 400 Liter Regen kommen, hat man verloren“.
„Unser Deichbau am Niederrhein ist bekannt als Bollwerk, wir sind relativ sicher.“ Der „Verwaltungskram“ würde aber dafür sorgen, dass die Sanierung (beschlossen nach dem Hochwasser 1995), nicht überall voran käme. „Hier wurden die Hausaufgaben nicht gemacht. Ziel war 2025 – das ist ausgeschlossen“, bemängelt Hubert Reyers.
Reicht Regen der letzten Wochen für die Natur?
Die Vegetation sei zufrieden, meint Reyers. Der Oberboden sei auf Pflugtiefe versorgt, in die Sandböden ginge es noch tiefer: Bei Tonboden sähe es etwas anders aus: „Ein Auenboden mit Ton ist wie Beton – da kommt Feuchtigkeit aus drei Wochen nicht heran – das reicht nicht.“ Der Boden hält seine Nährstoffe fest. Messungen hätten gezeigt, dass sich der Grundwasserstand nicht erholt habe. Es hätte viele Jahre gedauert, bis es so trocken geworden sei, eine Erholung würde genauso dauern. Außerdem würde die Vegetation 90 Prozent des Wassers schon vorher wegnehmen. „Alles was Wurzeln hat, geht da jetzt dran.“
Die Vegetation bräuchte große Mengen Wasser, jede Woche zumindest einen Schauer. Ohne Wasser funktioniere der Stoffwechsel einfach nicht. Bei Maispflanzen beispielsweise könne dies dazu führen, dass sich kein Kolben bildet, bei Rüben, die zu 90 Prozent aus Wasser bestehen, verblieben die Reserven in den Wurzeln. „Die Vegetation sagt also im Moment jeden Morgen dreimal Dankeschön.“
Wie wird das Wetter?
Hubert Reyers hält sich für gewöhnlich mit seinen Vorhersagen zeitlich zurück. „Jetzt habe ich mich schon weiter aus dem Fenster gelehnt, als ich das üblicherweise mache. Die Leute wollten es unbedingt wissen.“ Seine Prognose bis Dienstag, die eine Erwärmung vorhersagt (Stand 5. August), sei also „bitte mit Vorsicht zu genießen.“