Kreis Kleve. NRW-Landwirtschaftsministerin Silke Gorißen im NRZ-Gespräch über die ersten Tage im Amt und die Herausforderungen, die sie jetzt sieht.
Seit Mittwoch ist die Welt für Silke Gorißen eine andere. Am Anfang der Woche war sie noch Landrätin für den Kreis Kleve, seit Mitte der Woche ist sie Ministerin für Landwirtschaft und Verbraucherschutz in Düsseldorf. Die Karriere der 50-jährigen Juristin aus Bedburg-Hau erhielt einen ordentlichen Turbo-Boost. Denn das Landwirtschaftsministerium NRW ist – nicht nur nach den Mallorca-Fehlschlägen ihrer Vorgängerin – eines der schwierigsten Ministerien im Kabinett Wüst.
Ihre Ernennung zur Landwirtschaftsministerin war für alle eine dicke Überraschung.
Ja, für mich auch.
Wann haben Sie es denn überhaupt erfahren?
Sehr kurzfristig durch einen Anruf des Ministerpräsidenten.
Mussten Sie lange überlegen?
Nein, Ministerpräsident Hendrik Wüst bringt mir sein Vertrauen entgegen. Dies hängt auch mit den langjährigen Erfahrungen in Politik und Verwaltung in der Kommunalpolitik aus den vergangenen Jahren zusammen, zuletzt in meiner Funktion als Landrätin des Kreises Kleve. Für mich ist es eine Ehre, das Amt der Ministerin für Landwirtschaft und Verbraucherschutz übernehmen zu dürfen und damit diese für den ländlichen Raum so wichtige Aufgabe zu erhalten.
Lesen Sie auch diese Nachrichten aus Kleve und Umland
Kleve: Kleves erstes TöpferstudioKreis Kleve: Diese leckeren Pilze bieten unsere WälderBedburg-Hau: Jetzt gibt es Karten für den Moyländer WeihnachtsmarktKalkar: Das schönste Bauprojekt in KalkarLesen Sie hieralle Artikel aus Kleve und Umland
Wie wichtig ist es für ihr Amt, dass sie aus einem landwirtschaftlich geprägten Kreis Kleve kommen?
Ich weiß, was Landwirtschaft und ländlicher Raum bedeuten. Der Kreis Kleve ist eine landwirtschaftlich unglaublich starke Region. Ich habe als Politikerin und auch als Landrätin immer erlebt, was die Landwirte umtreibt. Der ländliche Raum ist meine Heimat, hier bin ich verwurzelt und hier lebe ich. Und diese Erfahrungen, die nehme ich mit nach Düsseldorf.
Das Landwirtschaftsministerium ist nach dem Schulministerium vom Beliebtheitsfaktor her die schwierigste Aufgabe. Es gibt seit vielen Jahren einen Dauerkonflikt zwischen Landwirten und Naturschützern. Und diese Konflikte werden vor dem Hintergrund des notwendigen Klima- und Artenschutzes auch nicht geringer.
Wir stehen in der Tat vor enormen Herausforderungen: Da sind die ganz großen Themen Klimaschutz, Ökologie und Landwirtschaft, Biodiversität und jetzt kommen durch den Krieg in der Ukraine auch noch Fragen der Lebensmittelversorgung auf uns zu. Naturschutz und Landwirtschaft passen zusammen und sind keine gegensätzlichen Pole. Wir brauchen zudem die richtige Balance aus ökologisch orientierter Bewirtschaftung und einer Landwirtschaft, die den Begebenheiten der aktuellen Situation der Weltpolitik Rechnung trägt. Am Ende wäre es fatal, wenn Regale im Supermarkt leer blieben, weil eine Vorschrift dafür sorgt, dass nicht genug Ernte eingefahren wird.
Sehen Sie sich als Fürsprecherin der Landwirte?
Die Interessen der Landwirte hatte ich auch in den letzten Jahren im Kreis Kleve immer mit im Blick. Mit ganzer Kraft will ich mich nun für unsere Landwirtinnen und Landwirte in Nordrhein-Westfalen einsetzen. Fast 50 Prozent der gesamten Landesfläche wird für landwirtschaftliche Zwecke genutzt, wie die letzte Landwirtschaftszählung aus 2020 zeigt. Auch wenn die Vielfalt an Lebensmitteln immer größer wird, ist die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe über die vergangenen Jahrzehnte immer mehr zurückgegangen. Unsere Landwirte produzieren den Großteil unserer Erzeugnisse und Rohstoffe, die wir für die Ernährung der Bevölkerung benötigen.
Wir wissen auch hier vor Ort in unserem Landkreis aus eigener Erfahrung, wie schwer es ist, Landwirtschaft zu betreiben und unter welch schwierigen, auch bürokratischen Bedingungen Bauern arbeiten müssen. Die oftmals landwirtschaftlichen Familienbetriebe stehen vor enormen Herausforderungen und wir müssen schauen, wie wir deren Interessen mit politischen Beschlüssen in Sachen Klima- und Umweltschutz vereinen.
Kommen wir noch mal auf ihre turbulente Woche zu sprechen. Was haben Sie in den ersten Tagen gemacht?
Am vergangenen Mittwoch hat mir unmittelbar nach meiner Ernennung und Vereidigung im Landtag der scheidende Staatssekretär Dr. Bottermann im Umweltministerium die Amtsgeschäfte übergeben. Ich habe sodann mein neues Ministerium am Stadttor bezogen. Am Donnerstag wurde mein Staatssekretär Dr. Martin Berges ernannt und wir haben zügig die ersten Gespräche geführt und Termine wahrgenommen. Denn der Terminkalender ist voll. Die Welt steht nicht still, nur weil NRW neue Minister hat.
Im Kreis Kleve sind die politischen Vertreter des Kreistages enttäuscht, dass man den eingeschlagenen Weg der Annäherung erst einmal nicht fortführen kann. Wie ist es für Sie, eine halbfertig Baustelle zu hinterlassen?
Ich bin davon ausgegangen, dass ich viele Jahre das Amt der Landrätin bekleiden darf. Mir hat diese Arbeit sehr am Herzen gelegen. Wenn jetzt viele enttäuscht sind, ist das für mich auch eine Wertschätzung für die geleistete Arbeit in einem guten Team. Die Zusammenarbeit mit meinen Verwaltungsmitarbeitern, dem Kreistag, den Bürgermeistern und in den anderen Gremien habe ich als sehr konstruktiv und vertrauensvoll erlebt. Es waren intensive eineinhalb Jahre, eine großartige Zeit, in der ich viele wichtige Weichen stellen konnte für den Kreis Kleve und seine 16 Kommunen. Voller Dankbarkeit und selbstverständlich auch mit Wehmut scheide ich aus dem Amt der Landrätin. Jetzt freue ich mich sehr auf mein Amt als Ministerin in Nordrhein-Westfalen.
Frau Ministerin, herzlichen Dank für das Gespräch.
Ich danke Ihnen. An die Anrede muss ich mich auch erst noch gewöhnen.