Kreis Kleve. Norbert Hayduk tritt für Die Linke als Bundestagskandidat im Kreis Kleve an. Er sieht gravierende Veränderungen auf die Gesellschaft zukommen.

Norbert Hayduk ist ein erfahrener Lokalpolitiker. Der Bundestagskandidat der Partei „Die Linke“ vertritt seit vielen Jahren die Positionen im Kreistag, und auch in Geldern ist er im Stadtrat aktiv. Als Sozialberater weiß Hayduk, worüber er spricht, wenn es um die Themen geringe Löhne, Renten oder Schwierigkeiten für Langzeitarbeitslose geht. Im Gespräch mit der NRZ erläutert er die Positionen seiner Partei und die Aussichten auf eine Regierungsteilnahme.

Herr Hayduk, Sie sind jetzt seit einigen Jahren für Die Linke im Kreistag aktiv. Sie haben mittlerweile viel Erfahrung im sozialpolitischen Bereich. Kommt Ihnen das jetzt zugute?

Norbert Hayduk: Ich bin ehrenamtlich in der Sozialberatung tätig und das schon seit über zehn Jahren in Geldern. Das bringt sehr viele Einblicke in das Leben von Menschen, die man sonst nicht sieht. Und das macht einen auf Unrecht aufmerksam. Das führt dazu, dass man sich auch mehr damit auseinandersetzt.

Sozialthemen sind meistens sehr komplex – ob Hartz IV oder Rententhemen. Wie transportiert man das in einem Wahlkampf?

Das ist Norbert Hayduk

Norbert Hayduk ist 63 Jahre alt und lebt in Geldern-Veert. Hier arbeitet er auch im Stadtrat für Die Linke.

Hayduk war von 1989 bis 1994 Ratsmitglied für die Grünen in Issum. 2005 trat er in die Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit (WASG) ein. Diese ging später in die Partei Die Linke auf.

Seit 2016 engagiert sich Norbert Hayduk für Die Linke im Kreistag.

Beruflich arbeitet er als Berater für den Verein „Selbsthilfe“ des Klever Herbert Looschelders. Hayduk berät Langzeitarbeitslose und Sozialhilfeempfänger und erhält so Einblicke in viele soziale Notlagen der Gesellschaft, wie er sagt.

Man muss sich auf das Wesentliche konzentrieren. Wenn man den Menschen Kenntnis von den Entwicklungen gibt, dann fühlen sie sich auch angesprochen. Wenn ich einer älteren Frau, die eine Rente bezieht und zusätzlich noch Putzen gehen muss, auf der Straße berichte, dass in den nächsten Jahren das Rentenniveau auf 43 Prozent sinken soll, dann kommt mir da eine merkwürdige Haltung entgegen: Als sei ich der Überbringer schlechter Nachrichten. Als Partei haben wir hier ganz klare Botschaften, unter anderem, dass wir auch die Doppelbesteuerung der Renten schnell abschaffen wollen.

Hartz IV kann man natürlich nicht von heute auf morgen abschaffen, aber wir wollen als ersten Schritt den Regelsatz auf 630 Euro erhöhen und das auch mit der Grundrente gleichsetzen.

Für eine mögliche Koalition mit SPD und Grünen bilden die außenpolitischen Positionen der Linken die größten Hürden. Welche Chancen sehen Sie, diese zu überbrücken?

Es wird ja alles immer schwarz-weiß dargestellt: Die Linke wollen auf jeden Fall raus aus der Nato! Das ist so auch nicht ganz richtig. Wir möchten eine andere Sicherheitskonstruktion und wir möchten, dass sich die Nato anders orientiert. Und dass man für eine internationale Sicherheitskonstruktion auch mit den Chinesen und Russen kooperiert. Wir müssen mit diesen Ländern Konfliktlösungen betreiben.

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Große Differenzen gab es auch beim Afghanistan-Einsatz.

Nach dem Afghanistan-Debakel sehen wir uns bestätigt. Der Fehler war schon hinzugehen. Ich habe den Peter Struck noch im Ohr: Unsere Freiheit wird am Hindukusch verteidigt. Das war damals falsch und ist es immer noch. Nur, das Desaster ist ja nicht beendet. Wir leben jetzt mit der Furcht, dass Terroristen als besonderes Dankeschön für unser 20-jähriges Engagement hier in Deutschland Anschläge verüben. Das ist die Folge.

Auch jeder andere Auslandseinsatz wird von uns kritisch gesehen. Wir sind nach wie vor im ehemaligen Jugoslawien. Wie lange wollen wir denn da bleiben?

Lassen Sie uns auf die Klimapolitik zu sprechen kommen. Man gewinnt den Eindruck, dass Sie die Grünen links überholen wollen.

Wir bemerken an jeder Ecke die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen. Wir müssen in diesem Zusammenhang Veränderungen herbeiführen. Wir müssen dafür kämpfen, dass wir unser Wirtschaftsleben wirklich gravierend verändern. Wir haben bislang immer gesagt, dass die Privatwirtschaft vieles besser regeln kann. Wir müssen heute erkennen: Wenn wir diese wichtigen Aufgaben in die Hände von profit-orientierten Kapitalinteressen legen, dann sieht es am Ende für die große Mehrheit der Gesellschaft übel aus.

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Die Klimapolitik wird vielen Menschen viel Geld kosten. Das birgt sozialen Sprengstoff. Warum wollen Sie dieses Thema dennoch so forcieren?

Wir haben ein entsprechendes Steuerkonzept vorliegen, um einen sozialen Ausgleich hinzubekommen. Wir möchten wie die SPD eine Vermögenssteuer einführen, wir wollen darüber hinaus auch eine Vermögensabgabe erheben, die auf die Kosten der Corona-Krise abzielt. Die ist dann aber auch über 20 Jahre in Raten zu zahlen. Diese Abgabe betrifft zehn Prozent der Bevölkerung. Man hat sich zu lange gescheut, den breiten Schultern auch mal deutlich zu zeigen: Ohne Euren Beitrag kommen wir an einen Punkt, wo es für uns alle nicht mehr zu finanzieren ist.

Die Vermögenssteuer ist ja durchaus umstritten. Kritiker sagen, dass der Verwaltungsaufwand für die Erhebung enorm ist und unterm Strich keine hohen Einnahmen erzielt werden.

Das sehe ich anders. Insbesondere weil die Schere zwischen Arm und Reich in Deutschland immer weiter auseinandergeht. Es kann nicht sein, dass bei so einer Steuer nicht genügend bei rumkommt. Und die Datenerfassung sollte nicht das Problem sein. Das Finanzamt ist diesbezüglich recht gut aufgestellt. Wir wollen auch mit mehr Personal an die Dinge herangehen. Unter anderem stellen wir uns vor, dass das Personal des Zolls für die Aufklärung von Schwarzarbeit verdoppelt werden soll.

Wir stehen womöglich vor einer Schwelle enormer Umwälzungen. Wir müssen unser Wirtschaftssystem umbauen und dies wird gravierende soziale und gesellschaftliche Folgen mit sich bringen. Jede Partei, die die Regierung stellt, muss in den nächsten vier Jahren der Bevölkerung unangenehme Dinge zumuten. Will man da überhaupt regieren?

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Man muss fragen: Welche konkreten Änderungen stehen an? Wir sind alle gewohnt, alleine im Auto zu sitzen und zur Arbeit zu fahren. Eine Blechlawine rollt in die Stadt und abends wieder zurück – und in jedem Auto sitzt eine Person. Unsere Absicht ist, den öffentlichen Personennahverkehr so massiv aufzubauen, dass eine Fahrt mit dem Auto eher unangenehm wird. Den ÖPNV wollen wir schrittweise ticketfrei machen.

Welche Stellung nimmt in Ihren Plänen das Fahrrad für die Zukunft ein?

Das Fahrrad muss mehr Platz haben in der Stadt. Auch da werden wir zu Einschränkungen für das Auto kommen. Wir sind für autofreie Innenstädte. Es gibt so viele Innenstädte, wo das möglich wäre, aber zurzeit noch am Widerstand einiger Weniger scheitert.

Mit einer autofreien Innenstadt macht man sich keine Freunde in Deutschland.

Wenn der Deutsche auf der Autobahn nur noch 130 fahren darf, ist er schnell auf dem Baum, ja. Aber wir sind das einzige Land in Europa, wo es keine Geschwindigkeitsbegrenzungen gibt. Wir hantieren nur mit kleineren Maßnahmen wie Tempo 30 in der Innenstadt. Wir haben doch heute ganz andere Möglichkeiten der Mobilität. Die E-Mobilität umfasst ja nicht nur das Auto, sondern es gibt auch E-Fahrräder oder Roller. Viel hängt davon ab, sein Leben wohnortnah zu gestalten.

Wenn Sie in den Bundestag nach Berlin gehen könnten, was wären Ihre Schwerpunkte für den Kreis Kleve?

Im Kreis Kleve denkt man natürlich zuerst an die Landwirtschaft. Auch da stehen uns massive Umbrüche bevor. Insbesondere die Einhaltung der Düngemittelverordnungen oder des Gewässerschutzes. Das sind existenzielle Grundlagen. Ich hätte ein Augenmerk auf die Verbindung von Landwirtschaft und Ökologie. Natürlich sind auch die sozialen Themen für mich enorm wichtig.

Welche Chancen rechnen Sie sich überhaupt aus?

Tja, ich stehe nicht auf einem aussichtsreichen Listenplatz. Wenn es zehn Positionen aus NRW nach Berlin schaffen, dann wären wir froh. Wenn ich den Kreis Kleve direkt gewinnen sollte, dann werde ich noch am Tag danach eine Einladung ins Karl Liebknecht-Haus erhalten, weil man dann genau wissen möchte, wie ich das gemacht habe. (lacht)

Obwohl, mittlerweile scheint bei den schlechten Umfragewerten der anderen Parteien ja alles möglich zu sein.

Ich für meinen Teil würde alles in die Waagschale werfen, den Kreis Kleve würdig zu vertreten.

Wie nehmen die Leute Die Linke im Kreis Kleve wahr? Sind Sie noch die Randgruppe der Halb-Kommunisten, die hier rumwabern?

Als Linke fühlen wir uns nach wie vor falsch bewertet. Wir sind demokratische Sozialisten. Wir wollen nicht die Verfassung in grober Weise umstrukturieren oder eine Diktatur des Proletariats. Das ist völliger Unsinn. Wir stellen uns dem demokratischen Wettbewerb. Doch wir erfahren in der Öffentlichkeit auch viel Missachtung und dann fällt es schwer, seine Positionen seriös beim Wähler darzustellen.