Kleve/Kamp-Lintfort. Der Start ins außergewöhnliche „Cemester“ mitten in der Corona-Krise ist an der Hochschule Rhein-Waal gelungen, sagen Präsidium und Studierende.
Auf den Campus verirrt sich kaum eine Menschenseele, viele Büros bleiben verwaist, und studentische Nebenjobs sind vor allem in der arg gebeutelten Gastronomie schwer zu finden. Die Auswirkungen der Corona-Krise treten seit dem Start des Sommersemesters in der vergangenen Woche an der Hochschule Rhein-Waal (HSRW) mit ihren Standorten in Kleve und Kamp-Lintfort offen zutage. Doch eine verlorene Zeit soll der Frühling und Sommer für Studierende, Professoren und Mitarbeitende nicht werden. Das ist das erklärte Ziel der Verantwortlichen an der jungen Hochschule.
Deshalb sind Lehre und Forschung nicht im verlängerten Winterschlaf, sondern suchen sich in mit Kreativität neue Formen. „Ich erlebe, wie alle mit sehr viel Engagement bei der Sache sind“, sagt Hochschulpräsident Dr. Oliver Locker-Grütjen nach den ersten Tagen im digitalen Semester, das sein Vizepräsident Prof. Jörg Petri kurz „Cemester“ nennt. Eine prägnante Corona-Wortneuschöpfung.
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Technik als Herausforderung
Professoren zeichnen Vorlesungen per Video auf und beantworten im Chat Fragen der Studierenden, die wiederum in Webinaren sich gegenseitig Referate halten. „Die Lehrformate sind sehr unterschiedlich, eigentlich aber auch sekundär“, meint Petri, der als Vizepräsident für Lehre, Studium und wissenschaftliche Weiterbildung zuständig ist. „Wichtiger ist, dass wir die Lernziele erreichen. Bislang läuft es aus unserer Sicht positiv. Und wir rechnen in vielen Bereichen noch mit einer steilen Lernkurve.“
Die Technik beispielsweise bleibt eine der großen Herausforderungen – „auf beiden Seiten“, wie Präsident Locker-Grütjen mit Blick auf Studierende und Lehrende sagt. Wenn etwa drei Studenten in einer Wohngemeinschaft gleichzeitig in ihren Online-Kursen lernen, knickt schon einmal die Internetverbindung ein. Und auch die Arbeitszimmer der Dozenten sind keine TV-Studios, in denen leicht perfekte Videos entstehen. Manchmal helfen aber auch kleine Handgriffe, die bestehenden technischen Limits zu umgehen: Professoren verlegen ihre Veranstaltungen beispielsweise stärker in die Randzeiten des Tages oder lassen sie zu ungeraden Uhrzeiten beginnen, damit sich nicht Tausende gleichzeitig um 10 Uhr einwählen.
Verantwortung gegenüber internationalen Studierenden
Wie lange die Corona-Kontaktbeschränkungen einen regulären Hochschulbetrieb unmöglich machen, das vermag derzeit niemand vorherzusagen. Die Hochschule stelle sich darauf ein, dass mindestens ein Großteil des Sommersemesters digital stattfinde werde, so Jörg Petri. „Vor einem möglichen Start von Präsenzveranstaltungen benötigen wir außerdem eine Vorlaufzeit von vier bis sechs Wochen.“
Dies gilt umso mehr wegen der internationalen Ausrichtung der HSRW. „Den internationalen Studierenden, die derzeit gar nicht in Deutschland sind, haben wir eine besondere Verantwortung gegenüber. Sollte der Flugverkehr wieder aufgenommen werden, können die meisten sicherlich nicht die ersten teuren Flüge buchen“, stellt Oliver Locker-Grütjen fest. Wie viele Studierende, den Online-Lehrveranstaltungen derzeit notgedrungen von überall in der Welt folgen, darüber erhofft sich die Hochschule Rhein-Waal sehr bald genaue Zahlen.
Eines zeigt der Start ins „Cemester“ aber auch: Nicht das ganze Hochschulleben lässt sich digitalisieren. „Die Kolleginnen und Kollegen in den Laboren etwa sitzen auf heißen Kohlen“, so Vizepräsident Petri. Und je weiter die Zeit vorrückt, desto dringender wird sich auch die Frage nach den Prüfungen stellen. „Diese zu organisieren, wird deutlich schwieriger und die nächste Herausforderung“, sagt er. Auch an einem Konzept zur Wiedereröffnung der aktuell geschlossenen Bibliothek – zunächst für Mitarbeitende – arbeitet das Präsidium. „Die Bibliothek ist eben nicht nur Wissensspeicher, sondern auch ein sozialer Ort“, betont Petri.
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Unterstützung für in Not geratene Studierende
Abseits vom Vorankommen im Studium sorgen sich an der Hochschule Rhein-Waal viele Studierende um die Finanzierung ihres Lebensunterhalts. Nebenjobs sind rar geworden. „Das Thema steht seit Beginn der Krise bei uns sehr weit oben auf der Tagesordnung. Wir setzen uns zusammen mit dem AStA für die betroffenen Studierenden ein“, macht Oliver Locker-Grütjen klar und verweist auf Vermittlungen als Erntehelfer, Regaleinräumer in den Supermärkten oder Unterstützung bei den Tafeln. Die HSRW setze sich zudem für eine Lockerung der Bafög-Regeln auch für internationale Studierende ein und habe zusätzlich zum AStA-Sozialfonds einen weiteren Hilfsfonds für in Not geratene Studierende eingerichtet. „Darüber soll eine unbürokratische Auszahlung möglich sein“, kündigt der Präsident an.
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Bei allen ungewollten Herausforderungen, die die Corona-Krise für die Hochschule mit sich bringt, möchte Locker-Grütjen „Chancen nutzen. Wir bleiben eine Präsenz-Hochschule, aber die aktuelle Situation ist für uns auch eine Art Pilotprojekt für ,Blended Learning’, also eine Mischung aus klassischen und Online-Lehrveranstaltungen. Zudem machen unsere Mitarbeitenden im Moment sehr viele Erfahrungen im Homeoffice und sehen, dass manches jetzt teilweise sogar effektiver funktioniert“. Die Krise, das ist unüberhörbar, soll für die Hochschule Rhein-Waal keine verlorene Zeit werden.