Weeze. Eine Raststätte bei Weeze ist nicht an das Kanalnetz angeschlossen, die braune Brühe läuft in die Niers. Der Betreiber spricht von Überlastungen.

Jürgen Lübeck geht mit seiner Ehefrau und seinen Hunden gerne an der Niers spazieren. „Als gebürtiger Gocher bin ich mit Nierswasser getauft“, sagt der passionierte Angler, der seit rund 40 Jahren in Uedem lebt. Das ruhige Flüsschen bedeutet für den 59-Jährigen ein wertvolles Stück Heimat. Umso wütender macht Lübeck, was er seit einem Jahr am Niers-Abschnitt direkt vor der Brücke der Autobahn 57 auf Weezer Gemeindegebiet beobachtet.

Vier- bis fünfmal habe er bei seinen Spaziergängen gesehen, wie Fäkalien aus einem Rohr in den Fluss sprudelten. „Das ist abartig. Hier paddeln im Sommer Familien mit Kindern, die ihre Hände ins Wasser halten“, sagt Jürgen Lübeck, der nach eigener Aussage am 19. September 2018 die Behörden erstmals über das Problem informierte. Mit Fotos und Videos hat er seine Eindrücke dokumentiert.

Fäkalien in der Niers: Raststätte auf A57 ist nicht an das Kanalnetz angeschlossen

Auch als sich die NRZ vor Ort umschaut, läuft für wenige Minuten eine braune Brühe in die Niers, die sich langsam verteilt. Das Abwasser kommt von den nahen Autobahnraststätten Kalbecker Forst Ost und West, die nicht an das Kanalnetz angeschlossen sind, sondern laut Unterer Wasserbehörde über eine vollbiologische Kläranlage in die Niers entwässern.

Jürgen Lübeck geht häufig entlang des Flusses mit seinem Hund spazieren.
Jürgen Lübeck geht häufig entlang des Flusses mit seinem Hund spazieren. © Niklas Preuten | Niklas Preuten

Der Betreiber der Rastanlage, das Unternehmen Tank & Rast, bestätigt auf NRZ-Anfrage den Fall, spricht aber von „einer außergewöhnlichen, unvorhersehbaren Belastung der Kläranlage“ am Wochenende 21. und 22. September. „Zum Bedauern von Tank & Rast führte diese Belastung kurzzeitig zu einer Ableitung von vorgereinigtem Abwasser über den Überlauf.“

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Die Vollsperrung der A 3 zwischen Emmerich und Elten mit Umleitung auf die A 57 hatte laut Tank & Rast „vorübergehend eine außerordentlich intensive Frequentierung der Raststätte“ zur Folge. Es sei dem Betreiber und dem Pächter ein wichtiges Anliegen, außergewöhnliche Belastungsspitzen der Kläranlage zu vermeiden, heißt es in der Antwort von Tank & Rast auf die Fragen der NRZ. „Diesbezüglich stehen wir auch im Kontakt mit den Behörden.“

Kreis Kleve: Abstimmungsgespräche laufen

Die Untere Wasserbehörde, der Landesbetrieb Straßen NRW und der Niersverband bestätigen auf Anfrage, Kenntnis von der Einleitung des Abwassers in die Niers zu haben. „Die Untere Wasserbehörde ist sporadischen Anzeigen von Bürgern vor Ort nachgegangen und hat gemeinsam mit dem Rastanlagenbetreiber und dem Landesbetrieb Straßen NRW in Ortsterminen und Fachgesprächen erörtert, welche technischen Möglichkeiten für Abhilfe sorgen können“, so der Kreis Kleve. „Diese Abstimmungsgespräche laufen auch aktuell noch.“

Fäkalien aus einer Raststätte fließen in die Niers

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    Vom Niersverband ist zu hören, dass bereits 2010 mit der Bezirksregierung und Straßen NRW über das Thema diskutiert worden sei. „Das Problem war anschließend gelöst, tritt seit circa einem Jahr jedoch wieder auf“, sagt Pressesprecherin Margit Heinz.

    Bürger sieht Bestrebungen für eine saubere Niers gefährdet

    Wie kann es passieren, dass Fäkalien in die Niers gelangen? „Nach Einschätzung der Unteren Wasserbehörde und des Landesbetriebs Straßen NRW dürften sporadische Überlastungen der Kläranlage und/oder betriebstechnische Gründe hierfür verantwortlich sein. Die Ursachenprüfung ist Teil der noch laufenden Abstimmungsgespräche“, so der Kreis Kleve.

    Eigentlich ein schönes Stück Natur: die Niers nahe der Autobahnbrücke.
    Eigentlich ein schönes Stück Natur: die Niers nahe der Autobahnbrücke. © Niklas Preuten

    Jürgen Lübeck ärgert vor allem, dass ein Jahr nach seiner ersten Meldung noch keine Verbesserung sichtbar ist. „Das untergräbt doch alle Bestrebungen des Niersverbandes für eine saubere Niers“, meint der Uedemer.

    Der Wasserwirtschaftsverband mit Sitz in Viersen drängt auf eine Lösung. „Der jetzige Zustand sollte so schnell wie möglich beseitigt werden“, sagt Niersverband-Pressesprecherin Margit Heinz, die jedoch keine akute Verschlechterung der Wasserqualität im Abschnitt an der Autobahnbrücke erkennt. „Unser regelmäßiges Monitoring zeigt keine Auffälligkeiten“, betont Heinz.

    Mobile Toiletten wegen Mud Masters aufgestellt

    Um dem mindestens unappetitlichen Fäkalien-Einlauf ein Ende zu bereiten, ist der Anschluss an das öffentliche Kanalnetz über eine Druckleitung in der Diskussion. Straßen NRW nennt dies „eine Variante“, Tank & Rast spricht davon, einen Anschluss in Absprache mit den Behörden zu prüfen.

    Bis diese langfristige und vermutlich teure Lösung umgesetzt ist, darf sich Jürgen Lübeck zumindest auf die Fahne schreiben, dass seine Hartnäckigkeit endlich zumindest ein wenig Wirkung zeigt. Nur wenige Tage, nachdem er letztmals auf die braune Brühe in der Niers aufmerksam gemacht hatte, standen vorsorglich einige mobile Toiletten zusätzlich an der Raststätte. Damit wollte der Betreiber angesichts der Großveranstaltung Mud Masters am Weezer Flughafen einer möglichen Überlastung der Kläranlage entgegenwirken.