Goch. Gabi Theissen möchte Bürgermeisterkandidatin der CDU in Goch werden. Im Interview spricht sie über ihre verspätete Bewerbung und mehr.

Gabi Theissen ist eine Ur-Gocherin, „mit Nierswasser getauft, wenn man so will“, sagt die 65-Jährige und lacht. Die stellvertretende Bürgermeisterin kennt ihre Stadt gut – und möchte im kommenden Jahr gerne das Wort „stellvertretende“ streichen. Im Interview erläutert sie die Gründe für ihre Bewerbung zur CDU-Bürgermeisterkandidatin.

Frau Theissen, sind Sie der Olaf Scholz der Gocher CDU?

Gabi Theissen: (lacht). Das weiß ich nicht.

Wie der Finanzminister erst eine Kandidatur für den SPD-Bundesvorsitz ausschloss und nun doch antritt, vollzogen auch Sie eine für viele überraschende Kehrtwende und bewerben sich jetzt. Warum möchten Sie die CDU bei der Bürgermeisterwahl vertreten?

Ich bin seit 1999 im Rat der Stadt Goch und seit 2004 Vize-Bürgermeisterin. In diesem Amt ist man ja viel unterwegs und hat häufig Kontakt zu den Menschen. Dabei habe ich schon immer großen Zuspruch erfahren. Das war auch diesmal so.

Warum haben Sie für die Entscheidung länger gebraucht als es die am 4. Juli abgelaufene Bewerbungsfrist eigentlich zugelassen hätte?

Die späte Entscheidung war vielleicht nicht ganz glücklich. Ich wollte und musste aber noch einige private und berufliche Dinge im Zusammenhang mit meiner Bewerbung abklären. Dann ist es der 26. Juli geworden.

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Haben Sie sich gedrängt gefühlt?

Ich bin in keinster Weise zu einer Bewerbung gedrängt worden. Das könnte auch gar nicht erfolgreich sein. Ich muss ja hinter meiner Entscheidung stehen.

Nun gibt es einen echten Wettbewerb um die CDU-Kandidatur. Welche Rolle hat dies bei Ihrer Entscheidung gespielt?

Ich habe meinen Hut in den Ring geworfen, damit die CDU-Mitglieder bei ihrer Wahl eine Alternative haben. Von solch einem demokratischen Prozess lebt eine Partei. Und Herr Baumann und ich sind ja auch recht unterschiedlich.

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Während Ihrem Mitbewerber mitunter vorgehalten wird, dass er nicht aus Goch kommt, wird Ihnen von manchen im Alter von 65 Jahren kein politischer Neuanfang im Rathaus zugetraut. Was halten Sie den Skeptikern entgegen?

Das Alter ist für mich zweitrangig. Wenn man fit ist, ist das nur eine Zahl. Es gibt viele Beispiele von Führungskräften, die erst im fortgeschrittenen Alter ihre Positionen bekleidet haben. Die Lebens- und Berufserfahrung ist ein Pfund, das ich ohne Zweifel vorweisen kann. Überhaupt erachte ich eine gesunde Mischung der Altersschichten, aber auch der Berufe in der politischen Landschaft für wichtig. Der Rat soll schließlich die Gocher Bevölkerung repräsentieren.

Empfinden Sie es als großen Vorteil, als Gocherin anzutreten?

Ich glaube schon, dass dies ein Vorteil ist, obwohl manchmal sicher auch der Blick von außen sinnvoll sein kann. Ich kenne viele Menschen, die Vereine und die Strukturen hier in Goch. Das bringt das Amt der Vize-Bürgermeisterin mit sich.

Seit 15 Jahren sind Sie ehrenamtliche stellvertretende Bürgermeisterin. Was haben Sie in dieser Zeit gelernt?

Man merkt, was den Menschen wichtig ist, wo der Schuh drückt und wo man als Vize-Bürgermeisterin als Vermittlerin zwischen den Bürgern und der Verwaltung tätig sein kann. Die Verwaltung sollte sich meiner Meinung nach als Dienstleister verstehen und sich an den Menschen orientieren, denn für sie ist sie da.

Mittendrin: Gabi Theissen kommt bei den vielen Terminen als Vize-Bürgermeisterin gerne mit Menschen in Kontakt, hier an der Hol- und Bringzone der St.-Georg-Grundschule im Jahr 2016.
Mittendrin: Gabi Theissen kommt bei den vielen Terminen als Vize-Bürgermeisterin gerne mit Menschen in Kontakt, hier an der Hol- und Bringzone der St.-Georg-Grundschule im Jahr 2016. © Astrid Hoyer-Holderberg

Wie würden Sie die Gocher beschreiben?

Goch ist wirklich eine Miteinander-Stadt. Ich glaube, dass wir ein gutes Gemeinschaftsgefühl leben und sich die Menschen untereinander auf kurzem Wege Unterstützung anbieten. Im Karneval, in dem ich auch aktiv bin, erlebe ich das immer hautnah.

Apropos miteinander: Haben Sie nicht die Sorge, dass die Partei nach einer knappen Entscheidung im CDU-internen Bewerberrennen gespalten und vor dem eigentlichen Wahlkampf schwer zu einen sein könnte?

Ich glaube nicht, dass es zwei Lager innerhalb unserer Partei geben wird. Das ist auch teilweise die Verantwortung der Kandidatin oder des Kandidaten. Wir werden unsere Partei dadurch nicht spalten. Nach der Wahl sollte die Gewinnerin oder der Gewinner die volle CDU hinter sich haben. Man ist gut beraten, eine Wahl zu akzeptieren.

Das transparente Verfahren mit vielen Abendveranstaltungen tragen Sie also uneingeschränkt mit?

Absolut. Die Zeiten sind vorbei, in denen in Hinterzimmern irgendetwas ausbaldowert wurde. Die Menschen möchten das nicht mehr.

Die Entscheidung liegt erst in den Händen der CDU-Mitglieder, dann bei allen Gochern. Welche beruflichen Vorbereitungen haben Sie für die verschiedenen Konstellationen getroffen?

Wenn ich Kandidatin werden sollte, würde ich auf alle Fälle bis zur Wahl weiter im Krankenhaus arbeiten. Wählen die Gocher mich dann zur Bürgermeisterin, würde ich natürlich aufhören. Ansonsten arbeite ich gerne noch einige Jahre weiter.

Was würden Sie als Bürgermeisterin auf Ihre Agenda setzen?

Mir ist wichtig, die Verwaltung und die Menschen in Goch näher zusammen zu bringen. Ich möchte den Ideenreichtum und die Eigeninitiative vieler Gocher fördern. Man muss dafür nur einmal in unsere selbstbewussten Dörfer schauen. Für mich ist es außerdem sehr wichtig, weiterhin eine gute medizinische Versorgung in der Stadt zu halten, jungen Familien attraktive Schulen sowie bezahlbare Kindergartenbeiträge zu bieten und die ältere Bevölkerung dabei zu unterstützen mobil zu bleiben. Und unser Stadtbild könnte sich an der einen oder anderen Stelle verbessern.

Was muss Ihre Partei besser machen als bei der letzten Wahl?

Mein Wunsch ist, dass wir als CDU gestärkt aus der Wahl hervorgehen und alle Wahlbezirke gewinnen. Die CDU soll wieder eine Partei werden, die für die Menschen da ist. Das ist eine Lehre aus der letzten Wahl. Damals haben wir uns zu oft mit uns selbst beschäftigt und gar nicht richtig zugehört. Dabei ist das Zuhören für mich am wichtigsten.

Gabi Theissen beruflich und privat

Gabi Theissen arbeitete nach ihrer Ausbildung 25 Jahre lang als Krankenschwester im Gocher Wilhelm-Anton-Hospital, unter anderem in der Stationsleitung. Anschließend studierte sie Gesundheitswissenschaften und erlangte bei der Industrie- und Handelskammer in Köln ihren Fachwirt im Gesundheitswesen.

Die Gocherin führte anschließend das Josefshaus, das Seniorenheim in Pfalzdorf. Seit gut vier Jahren ist sie nun als Regionaldirektorin des Gocher Krankenhauses der verlängerte Arm der in Kleve sitzenden Geschäftsführung des Katholischen Karl-Leisner-Klinikums.

1998 trat Theissen in die CDU ein – auch weil Politik in ihrem Elternhaus immer eine Rolle spielte, wie sie sich erinnert. Ihr Vater Hermann Zürichs saß ebenfalls für die Christdemokraten im Gocher Rat. „Bei uns wurde früher immer viel politisch diskutiert“, sagt Theissen, deren Mutter Josefine in der Lebenshilfe aktiv war. „Meine Eltern haben sehr das Ehrenamt gelebt. Da wächst man rein.“

Die 65-Jährige ist mit Mike Theissen verheiratet, der als Glaskünstler, langjähriger Viktoria-Vorsitzender und Karnevalist in Goch bekannt ist. In ihrer Freizeit treibt Gabi Theissen regelmäßig Sport, liest gerne – bevorzugt Krimis oder Biografien – und genießt ihr Zuhause im Grünen. „Ich liebe den Niederrhein“, sagt sie.