Kreis Kleve. . Obwohl das Bundesumweltamt bereits 2014 auf illegales Entgasen von Tankschiffen hingewiesen hat, werden weiter Giftstoffe in die Luft geblasen.
Es kommt Bewegung in die Sache. Nachdem die NRZ bereits mehrfach über das freie Entgasen von Tankschiffen mit krebserregenden Mineralölerzeugnissen (Rohbenzin, Ottokraftstoff, Dieselöl, Heizöl) berichtet hat, beschäftigt sich jetzt das Bundesumweltamt mit diesem Thema.
Das Umweltamt wurde von der Bundesregierung dazu aufgefordert, Stellung zu einer Anfrage der Klever SPD-Abgeordneten Barbara Hendricks zu nehmen. Auch die Düsseldorfer Bezirksregierung wird sich auf Anfrage der Grünen zur Einhaltung des Ventilierungsverbotes äußern müssen.
Krebserregende Stoffe
Binnenschiffer sind bereits seit 2001 dazu verpflichtet, ihren Tankraum ordnungsgemäß zu entgasen. Allerdings fehlen entlang des Rheins geeignete Vorrichtungen. Entsprechend werden die Laderäume mit den krebserregenden Restgasen oftmals in die Luft geblasen. Dabei geht es um große Mengen krebserregender Stoffe.
Mit einem Tankschiff durchschnittlicher Größe (4000 Tonnen Kraftstoff) können bis zu 200 Tankstellen beliefert werden. Bei Tankstellen wird streng kontrolliert – bei Binnenschiffen nicht. In der Grenzregion gibt es seit Jahren Beschwerden über Geruchsbelästigungen am Rhein.
Rauspusten nur in Ausnahmefällen
Tankschiffe müssen dann entgast werden, wenn sie ihre Ladung wechseln oder einen Werftaufenthalt planen. Ein Rauspusten der Benzen-Gase in die Umgebung ist nur in bestimmten Ausnahmefällen zulässig. Diese Ausnahmen müssen beantragt werden.
Es gab aber zum Beispiel im Jahr 2012 nur drei Anträge deutschlandweit, zwei wurden genehmigt. Als Ausnahme kann auch gelten, wenn ein unerwarteter Werftaufenthalt erforderlich ist.
Keine geeigneten Entgasungsstationen am Rhein
Dass in der Binnenschifffahrt die giftigen Gase oft einfach in die Luft geblasen werden, bestätigt auch das Bundesumweltamt. Im Gespräch mit der NRZ berichtet Karen Pannier, zuständige Sachbearbeiterin für die Einhaltung der Bundesimmissionsschutz-Verordnung, dass es bis heute keine geeigneten Entgasungsstationen am Rhein gebe.
In der Vergangenheit habe man zwar Vorschläge unterbreitet, diese seien aber nicht umgesetzt worden. Bis heute seien die Behandlungsanlagen für Ladungsdämpfe ökonomisch nicht realisierbar gewesen. Pannier sagte, dass an einer internationalen Regelung gearbeitet werde. Auch wenn es ein Verbot gebe, sei die Kontrolle nach wie vor mangelhaft.
Kein neues Problem
Axel Friedrich, ehemaliger Abteilungsleiter des Bundesumweltamtes, hat in den 90er Jahren am Bundesimmissionsschutzgesetz mitgeschrieben. Er redet gegenüber der NRZ Klartext: „Die jetzige Praxis ist absolut rechtswidrig. Es gibt ein Verbot und niemand kontrolliert, ob es auch eingehalten wird oder überhaupt eingehalten werden kann. Das ist ein Skandal.“
Friedrich erinnert sich, dass es bereits in den 90er Jahren großen Streit mit der Lobby der Binnenschifffahrt gegeben habe. Bis heute habe man keine wirksamen Kontrollmöglichkeiten geschaffen. Die Pflicht dazu sieht Friedrich auf Länderebene.
Es gibt keine Statistik
Im Jahr 2014 legte das Bundesumweltamt eine Machbarkeitsstudie zur Einrichtung von Abgasreinigungsanlagen entlang des Rheins vor. In dem 150 Seiten starken Bericht – der offenbar schnell in der Versenkung verschwunden ist – werden die Probleme und die Dimensionen deutlich beschrieben. Die Hauptverkehrsachse für den Transport von Mineralölerzeugnissen ist der Rhein. Da es keine Entgasungsstationen gibt, geht das Amt davon aus, dass „zum Teil auch unerlaubte Ventilierungen durchgeführt werden“.
Mitarbeiterin Karin Pannier sagt, dass man jährlich von Verstößen im dreistelligen Bereich ausgehe. Allerdings verfüge man über keine Statistik und es werde auch kaum kontrolliert. In den Niederlanden geht man von 2000 Verstößen im Jahr aus.
Unterschiedliche Zuständigkeiten
In der Studie des Umweltamtes heißt es ferner: „Die Kontrolle und Nachvollziehbarkeit von unerlaubten Entgasungen ist laut Aussage von Behörden sehr aufwändig und schwierig. [...] Eine effektive Überwachung des Ventilierungsverbotes wurde bisher aufgrund unterschiedlicher Zuständigkeiten als schwierig eingeschätzt.“
In der Studie wird anhand ausführlicher Transportdaten eine Schätzung vorgenommen. Wenn man davon ausgeht, dass jedes Schiff drei bis vier Mal im Jahr den Frachtraum entgasen müsste, dann würde man auf gut 422 Ventilierungsvorgänge im Jahr kommen. Wohl gemerkt: Mit einem Tankschiff kann man bis zu 200 Tankstellen beliefern.