Essen. Sie helfen jungen Müttern und ihren Babys, tragen zum Kinderschutz bei. Trotzdem fehlt die dauerhafte Finanzierung der Essener Familienhebammen.

Sie sind oft die erste Anlaufstelle für junge Eltern, helfen ihnen, ihr Leben mit dem Baby zu bewältigen und mögliche Herausforderungen zu meistern: Die vier Familienhebammen in Essener Schwangerenberatungsstellen haben im vergangenen Jahr 800 Beratungen durchgeführt, Mütter an andere Stellen weitervermittelt, mit Kitas, Kinderärzten und Krankenhäusern gesprochen. Nun fordern die Träger, dass die Familienhebammen zu einem Regelangebot werden.

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Seit 2018 gibt es die Familienhebammen als Projekt, das von den Essener Schwangerenberatungsstellen Donum Vitae, Diakoniewerk, Arbeiterwohlfahrt (Awo) und Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) getragen wird. Gestartet sind sie mit dem programmatischen Namen: „Kindergesundheit frühzeitig im Blick – Gesundheitssprechstunden für Schwangere und junge Mütter mit ihren Kindern im Quartier“. Seit 2020 heißt das Projekt: „Healthy Family (gesunde Familie) – Mutter & Kind im Blick für einen guten Start in das gemeinsame Leben “. Geht es nach den Experten, die sich dieser Tage auf einem Fachtag austauschten, sollten die Familienhebammen nun zu einer festen Größe unter den Frühen Hilfen werden.

„Es ist wichtig, dass das Projekt verstetigt wird, das steht außer Frage“, sagt Jörg Lehmann, Sprecher des Trägerverbundes der Essener Schwangerenberatungsstelle. „Derzeit sind die Gelder für zwei Jahre eingestellt. Das Angebot muss aber ein regelhaftes Angebot in Essen werden, die Anzahl der Beratungen zeigt, wie viele Menschen die Familienhebammen erreichen.“

Essener Familienhebammen öffnen Türen

Beim Fachtag zum Thema Familienhebammen (v.l.): die vier Essener Familienhebammen (vorne) sowie dahinter Vertreterinnen der Träger Donum Vitae, Diakoniewerk, Awo und Sozialdienst katholischer Frauen Essen-Mitte.  
Beim Fachtag zum Thema Familienhebammen (v.l.): die vier Essener Familienhebammen (vorne) sowie dahinter Vertreterinnen der Träger Donum Vitae, Diakoniewerk, Awo und Sozialdienst katholischer Frauen Essen-Mitte.  

Die Fachleute betonten auf dem Fachtag, dass die Familienhebammen für Schwangere und junge Müttern leicht zugänglich sind und bei ihnen ein besonderes Vertrauen genießen. Sie lassen sich von ihnen über passgenaue Hilfen beraten und im besten Fall frühzeitig in ein professionelles Netzwerk einbinden. Die Familienhebammen bieten Einzelberatungen für Schwangere und Familien mit Säuglingen an. Viele Beratungen finden auch im Tandem mit der Schwangeren-Beraterin statt.

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Die Hebammen arbeiten auch mit Familienzentren zusammen und haben eigene Gruppenangebote. Sie begleiten als Vertrauensperson Familien zu Ärzten oder in Krankenhäuser und arbeiten mit anderen Institutionen zusammen, um die Familien in weitere Angebote lotsen zu können.

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Familienhebammen sind staatlich examinierte Hebammen mit einer Zusatzqualifikation. Sie sind Expertinnen für die Sozialberatung von Schwangeren und jungen Familien und beraten medizinisch, psychosozial und sozialrechtlich. Oft ergeben sich längerfristige Begleitungen durch die Schwangerschaft und das erste Lebensjahr des Kindes: In diesem Umfang könnte das eine Schwangerschaftsberatungsstelle im Normalfall nicht gewährleisten.

Hebammen begleiten die Mütter zu Kinderärzten oder ins Krankenhaus

„Die Hebammen werden von den Frauen als vertrauenswürdig und unabhängig erlebt“, ergänzt Nicola Völckel vom Bezirksverband Niederrhein der Awo. Gerade bei nicht-deutschen Frauen könnte das ein Pluspunkt sein. Denn in vielen anderen Ländern seien unabhängige Beratungsstellen nicht bekannt, weswegen die Frauen Beratungsstellen teils mit dem offiziellen Hilfesystem gleichsetzten, das sie als häufig bevormundend und kontrollierend erlebten. Den Familienhebammen brächten sie dagegen Vertrauen entgegen, sagt Völckel. Ein Vorteil, „der ihnen Türen öffnet“.

Familienhebammen leisten bereits seit mehreren Jahren einen großartigen Job, um Familien Hilfestellung in herausfordernden Zeiten zu geben.“
Julia Jankovic, die Kinderbeauftragte des Stadtrates in Essen

Neben den 800 Beratungen im vergangenen Jahr konnten die vier Hebammen 211 Kooperation mit Familienzentren und Kindertagesstätten verbuchen. 186 Frauen vermittelten sie an die Hebammenzentrale des ASB, 120 Frauen wurden zu Gynäkologen, Kinderärzten oder in Krankenhäuser begleitet oder dorthin vermittelt. Die Familienhebammen seien für viele Frauen ein Türöffner ins Hilfesystem und damit ein erfolgreiches kommunales Präventionsangebot, betonten die Experten beim Fachtag im Lore-Agnes-Haus der Awo Mitte Mai.

Frühe Hilfen sollen Kinderarmut verhindern

Gefördert wird das Projekt, das auch die städtische Präventionsstrategie gegen Kinderarmut stärkt, seit 2021 mit jährlichen Projektverträgen aus Mitteln der Krupp-Stiftung bzw. aus Projektmitteln des Jugendamtes. Die Kinderbeauftragte des Rates und Vorsitzende des Sozialausschusses Julia Jankovic lobte die Familienhebammen, die „bereits seit mehreren Jahren einen großartigen Job leisten, um Familien Hilfestellung in herausfordernden Zeiten zu geben“. Auch sie machte sich für eine Regelfinanzierung der Familienhebammen stark. Da diese nicht nur die Frühen Hilfen ergänzten, sondern auch dazu beitrügen, „den Allgemeinen Sozialdienst zu entlasten und somit den Kinderschutz zu verstärken“.

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