Essen. Festival würdigt Werke von Frauen. Beim Sinfoniekonzert traten sie nicht nur als Tonschöpferinnen, sondern auch als Solistin und Dirigentin auf.
Da hat Essen nun zwei Intendantinnen, die dem Musikleben der Stadt Takt und Ton geben. Aber zur Eröffnung des neuen Komponistinnenfestivals in der Philharmonie spricht keine von beiden ein Grußwort. Wie passt das zur erklärten Absicht, weibliche Kreativität zu würdigen und das Festival künftig zu einer festen Einrichtung zu machen? Namhafte Kooperationspartner gibt es auch. Doch von all dem kündet nur das Programmheft.
„her:voice“ soll das Kind des Aalto-Theaters heißen, das – Zufall oder Absicht? – am Vatertag das Licht der Welt erblickt. Unter Leitung der estnischen Dirigentin Anu Tali eröffneten die Essener Philharmoniker einen dreitägigen Veranstaltungsreigen, der Sinfonie- und Kammerkonzerte sowie drei Opernaufführungen und einen Liederabend bietet. Gesprächsrunden und eine wissenschaftliche Konferenz bilden das Begleitprogramm.
Komposition wirkt wie ein Rachmaninow-Konzert hoch fünf
Im Zentrum des Auftakts steht ein monumentaler Brocken. Das 2015 uraufgeführte Klavierkonzert der russischstämmigen Lera Auerbach wirkt mit seiner überbordenden Leidenschaftlichkeit, mit seinen Akkordkaskaden und Oktavgewittern wie ein Rachmaninow-Konzert hoch fünf. In der Tradition von Schumann, Brahms, Chopin, Liszt und Prokofjew stehend, die alle überragende Pianisten waren, tritt Auerbach selbst als Solistin auf. Die vielseitig begabte Künstlerin spielt ihr eigenes Werk, oder besser gesagt: Sie donnert es in die Tasten, mit großem Farbenreichtum und suggestiver Kraft.
Oft und gern geht Auerbach in die Extreme. Sie verweilt bei ätherischen Klängen samt singender Säge oder entfesselt apokalyptisch laute Schlagzeug-Exzesse. Was sich dazwischen tut, entspricht trotz Dissonanzen dem Virtuosentum alter Schule. Dass Lera Auerbach sich mit Rachmaninow-Zugaben für den großen Beifall bedankt, kommt nicht überraschend.
Die Essener Philharmoniker durchschreiten alle Abgründe und Ausbrüche gelassen, zumal Anu Tali am Pult eine klare, ordnende Zeichengebung leistet. Aus dem Orchesterwerk „River Rouge Transfiguration“ der 1980 geborenen Amerikanerin Missy Mazzoli tönt zum Teil Landschaftsmusik. Die Essener Philharmoniker ziehen sie wie im Panoramaformat auf, bewahren dabei jedoch eine schillernde Transparenz.
Von der fast 100 Jahre früher geborenen Florence B. Price erklingt zum Abschluss die 3. Sinfonie. Anu Tali und das Orchester gönnen uns Südstaaten-Süffigkeit, ruhevoll träge Gospel-Anklänge, einen Plantagentanz (Juba) und ein pompöses Finale.
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