Essen. Beim Wild beginnt die Brut- und Aufzuchtzeit. Warum stöbernde Hunde sehr viel Tierleid anrichten können, erklärt die Kreisjägerschaft Essen.
Mitte März nimmt der Frühling endlich Fahrt auf: Feld und Wald verwandeln sich dann in eine große Kinderstube mit jungen Hasen, Vogelküken und schon bald auch den ersten Rehkitzen. Doch stöbernde Hunde können in der Brut- und Aufzuchtzeit viel Schaden anrichten. „Frei laufende Hunde töten und verletzen mehr Wildtiere, als es ihre Besitzer erahnen oder sie es zugeben wollen“, sagt Stefan Schulte, Obmann für Öffentlichkeitsarbeit bei der Kreisjägerschaft Essen. Er wünscht sich von den Haltern eine gesunde Selbsteinschätzung ihres Hundes und im Zweifel, bei der Begegnung mit anderen angeleinten Hunden, sicherheitshalber das Anleinen von Hunden.
Dabei unterstelle er keineswegs eine böse Absicht, sondern vielfach seien sich Hundebesitzerinnen und -besitzer einfach nicht bewusst, wie triebbestimmt ihr Vierbeiner agiere, wenn er „schöne Duftstoffe in Wald und Flur erschnuppert“. Je nach Rasse sei der Jagdinstinkt zwar unterschiedlich ausgeprägt, aber der Impuls immer vorhanden.
Gehetzte Rehe finden den Tod und werden sogar angefressen
Anschleichen, Verfolgen, Packen, Töten, Zerlegen und Fressen: Was ein auf der Straße lebender Hund aus Selbsterhaltung teilweise tun müsse, sei für das Haustier anders, macht Schulte deutlich. „Denn der Hund ist ja nicht hungrig.“ Etliche Hunde folgten einfach ihrer „angewölften“ Eigenschaft, der Jagdinstinkt sei Teil ihres Wesens. „Leider gibt es viele Besitzer, die ihre Hunde nicht oder nur zum Teil richtig ausgebildet haben, oder denen selbst ausreichend Sachkunde fehlt, und auf die ihre Vierbeiner oft nicht hören, wenn sie dann einer interessanten Witterung folgen.“
Das verursache viel Tierleid und Qual, sagt der Obmann der Kreisjägerschaft und erinnert an einen Fall im Stadtteil Überruhr, der sich erst im Dezember ereignet hatte: Ein Labrador-Retriever hatte ein Reh gehetzt. Das wollte durch einen Zaun flüchten, blieb darin aber hilflos hängen. Passanten mussten mit ansehen, wie der Hund über das feststeckende Reh herfiel und diesem erst das Fell, dann Teile der hinteren Keule abriss.
Viele Fälle von gehetzten Wildtieren werden gar nicht öffentlich bekannt
In Kupferdreh wurde im Oktober ein junges Reh im Wald von einem Hund gebissen und so schwer verletzt, dass es nach der Flucht auf einem Privatgrundstück verstarb. In der Kettwiger Ruhraue hetzten im vergangenen Jahr sogar mehrere Hunde ein Reh so lange, bis es in einem Zaun hängenblieb und seinen Verletzungen erlag. Stefan Schulte: „Das sind spektakuläre Fälle. Aber vieles kommt gar nicht erst an die Öffentlichkeit. Von gehetzten Wildtieren, die teilweise sogar angefressen werden, erfahren wir in der Kreisjägerschaft dann lediglich von den Jagdausübungsberechtigten, die das Tier, wenn es noch lebt, erlösen müssen.“
Es gilt Leinenpflicht
Die Stadt Essen hat zur „öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ verfügt, dass für Hunde eine Leinenpflicht auf allen öffentlichen Flächen besteht, ausgenommen sind die gesondert ausgewiesenen Hundewiesen (aktuell 29). Die Leinenpflicht gilt allerdings auch dort für leinen- und maulkorbpflichtige Tiere (z.B. American Staffordshire Terrier, Pitbullterrier, Rottweiler).
Hunde müssen angeleint werden bei öffentlichen Versammlungen, Aufzügen, Volksfesten und sonstigen Veranstaltungen mit Menschenansammlungen sowie in öffentlichen Gebäuden, Schulen und Kindergärten.
Auf Liegewiesen und Spielplätzen gilt immer ein Hundeverbot. Hier dürfen Hunde nicht mitgenommen werden.
In Wäldern dürfen Hunde außerhalb von Wegen nur angeleint mitgeführt werden.
Rehwild ist Kulturfolger. „Wir wissen es doch alle. In Gärten, die in Randlagen der Städte sind, äsen die Tiere gerne. Und hier bestehen große Gefahren, wenn der Rottweiler, der Schäferhund, der Weimaraner beim Spaziergang ausbüxen.“ Hunde seien nicht nur während der Setzzeit des Wildnachwuchses im Mai und Juni regelmäßig eine Gefahr, sondern bereits jetzt im Frühjahr. „Denn beschlagene Rehe, also trächtige Ricken, sind bei weitem nicht mehr schnell genug, um erfolgreich vor ihnen flüchten zu können.“
Junge Hasen oder Bodenbrüter sind im Frühjahr leichte Beute
Junge Hasen oder Bodenbrüter (und Jungvögel für Katzen) seien ebenfalls leichte Beute, wenn die Vierbeiner ohne Leine durch Gras und Unterholz streifen und die Jungtiere aufschrecken. Leider würden viele Hundehalter nicht wahrhaben, dass gerade ihre Lieblinge solch große Gefahr darstellten. „Der Besitzer trägt die Verantwortung für Tierleid und Qual. Nicht der Hund, der seinem Instinkt und Naturell folgt, wenn er nicht ordentlich geführt wird und in Grünanlagen nicht angeleint ist.“ Er halte es deshalb sogar für angeraten, dass Menschen vor dem Kauf eines Hundes eine Sachkunde-Ausbildung absolvieren sollten.
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Und: „Wenn aus Tierliebe Hunde aus Heimen oder prekären Situationen bei uns ein neues Zuhause gegeben wird, muss damit gerechnet werden, dass sie keine Ausbildung erfahren haben und sie ihr Überleben teilweise durch Jagd sichern mussten.“
Mit einer Hunde-Ausbildung sollte man frühzeitig beginnen
Apropos Ausbildung: Je früher, desto besser, rät Schulte. Die Sozialisierungsphase bei Hunden erstrecke sich ungefähr von der achten bis zwölften Lebenswoche. Da sollte die Prägung auf den Hundeführer stattfinden. Vor allem bei Rassen, die für ihren ausgeprägten Jagdtrieb bekannt sind, sei es empfehlenswert, so früh wie möglich mit einer guten Ausbildung zu beginnen.
Stefan Schulte: „Und für genug Bewegung ohne Leine gibt es in Essen die Hundewiesen. Wer in Wald und Feld unterwegs spazieren geht, sollte hingegen seinen Vierbeiner an der Leine führen.“ Das Betreten von Dickungen und Schonungen sei im Übrigen verboten.
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