Essen-Schuir. Von Mitte Juli bis Ende August jagen die Rehböcke den Ricken hinterher. Worauf Verkehrsteilnehmer auf den Straßen im Essener Süden achten müssen.
Das Wild ist derzeit im Liebesrausch. Von Mitte Juli bis Ende August jagen die jungen Rehböcke den Ricken hinterher. Die Unfallgefahr steigt, insbesondere auf den ländlichen Straßen im südlichen Stadtgebiet.
„Das paarungsbereite Weibchen sucht sich seinen Partner aus den Böcken aus“, erklärt Stefan Schulte, Obmann für Öffentlichkeitsarbeit bei der Kreisjägerschaft Essen. Das Rehwild lege bei der Partnersuche teils lange Strecken zurück. Die Böcke seien schon früh bestrebt, ihre Konkurrenten aus dem Feld zu schlagen, und bedrängten gleichzeitig immer wieder die Ricken. Die schnelle Hatz führe durch Wald und Feld – und eben auch über unsere Straßen.
Landstraßen im Essener Süden sind besonders betroffen
Schulte: „Das Rehwild ist in der sogenannten Blattzeit oder Verlobungszeit nicht nur sehr schnell unterwegs, sondern oft sehr unaufmerksam.“ Ein verschrecktes Stehenbleiben am Fahrbahnrand, das man zu anderen Jahreszeiten von Tieren kenne, gebe es nicht. Vielmehr springe das Reh überraschend aus dem Dickicht hervor.
„Mit einer Schulterhöhe von 60 bis 75 Zentimetern und einer Länge von maximal 1,35 Metern sind die mit einem kleinen Geweih ausgestatten Böcke jetzt nicht so sehr groß und deshalb während einer Fahrt auf der Landstraße auch teils spät oder schwer erkennbar“, erklärt der Obmann. Wenn ein Reh die Straße überwunden habe, müsse also folglich auch mit weiterem Rehwild gerechnet werden, warnt der Jäger.
Auf Beschilderung besonders achten
Welche Straßen sind betroffen? „Überall dort, wo Straßen und Wege durch Felder und Wälder führen, sollten Autofahrerinnen und Autofahrer wachsam sein.“ Wo keine Elektrozäune die Felder begrenzten, habe das Reh in der Blattzeit freie Bahn. Der Schuirweg mit seinen Kurven und leichten Steigungen sei im Stadtbezirk geradezu prädestiniert. Sieben Wildunfälle registrierte die Polizei dort im vergangenen Jahr.
Ebenso sei auf dem Rutherweg, den Verkehrsteilnehmer gerne als Abkürzung nach Werden nutzen, jetzt Vorsicht geboten. Wildwarner, wie sie 2017 von der Kreisjägerschaft unter anderem an der Straße Pörtingsiepen, die zum Motorradtreff am Haus Scheppen führt, montiert worden seien, sollten ernst genommen werden.
Was ist zu tun bei einem Wildunfall?
Ist es aber zu einem Zusammenstoß zwischen Auto und Tier gekommen, sei besonnenes Verhalten gefordert. „Die eigene Sicherheit geht vor“, sagt Stefan Schulte. Weshalb nach der Sicherung der Unfallstelle ein Anruf unter 110 bei der Polizei erfolgen müsse. Dem verletzten Tier solle man nicht zu nahe kommen. „Die Polizei verständigt den zuständigen Jäger.“ Der, so Schulte, wisse das Wildtier fachgerecht, falls nötig, von seinem Leiden zu erlösen.
Wild-Unfälle im Essener Süden
Für das Jahr 2022 verzeichnet die Polizei Essen 45 Wildunfälle. Sieben fanden auf dem Schuirweg statt, fünf auf der August-Thyssen-Straße, drei jeweils auf der Laupendahler Landstraße und der Meisenburgstraße.
Weitere Gefährdungen bestehen nach Angaben der Kreisjägerschaft Essen am Bredeneyer Berg, Lerchenstraße, Heisinger Straße und Nierenhofer Straße in Kupferdreh. Regelmäßig findet sich Rehwild in der Nähe fast aller Wälder im Süden, etwa am Baldeneysee, im Heissiwald, Stadtwald, Kruppwald und in den Parks.
Infos zur Wildunfallgefahr befinden sich auf den Internetseiten des Landesjagdverbandes und des Deutschen Jagdverbandes (www.ljv-nrw.de und www.jagdverband.de).
Meldet ein Fahrer einen solchen Unfall nicht und lässt das verletzte Wild im Gegenteil zurück, gilt das als Tierquälerei – dafür drohen Geldstrafen von bis zu 5000 Euro. Für das Entfernen des Tierkadavers (sogenanntes Fallwild) und die anfallenden Kosten ist die Stadt oder Gemeinde zuständig. Kleinere Tiere beseitigen meist Mitarbeiter der Straßenmeisterei oder Mitarbeiter der Polizei, etwa auf Autobahnen. Größere Tiere wie Hirsche, Wildschweine oder Rehe räumt der zuständige Jäger weg. „Stellt ein Jäger fest, dass das Fallwild eventuell krank war, wird unter Umständen ein Veterinär hinzugezogen.“
Kreisjägerschaft beteiligt sich mit Drohnen an Kitzrettung
Er selbst sei bislang weder an einem Wildunfall beteiligt, noch zu einem gerufen worden, sagt Stefan Schulte. Allerdings habe er seine Jagdausbildung erst kürzlich abgeschlossen. „In der Familie hat mein Bruder schon viele Jahre einen Jagdschein. Da meine Frau Interesse und sie die Anregung gab, haben wir das gemeinsam gemacht“, erläutert der 58-jährige Essener, der als Einkaufsleiter in einem Industrieunternehmen tätig ist. „Die Jäger haben einen hohen Respekt vor dem Wild und sind dem Tierschutzgesetz verpflichtet“, betont er.
Weshalb die Kreisjägerschaft auch in diesem Jahr wieder bei der Kitzrettung im Mai und Juni auf den Feldern in Essen unterwegs gewesen sei. Mit Hilfe von Drohnen werden die Rehkitze erkannt und vor dem Einsatz des Bauern mit seinem Mähdrescher in Sicherheit gebracht. „90 Kitze haben wir rausgeholt.“ Es sei geplant, dass weitere Jäger die Ausbildung zur Steuerung von Drohnen machen, „damit wir noch mehr Tiere retten können“.
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