Essen. Wegen der Linksextremisten bei „Essen stellt sich quer“ hält die CDU weiterhin Distanz zum Demo-Bündnis. Warum das kein ganz leichter Spagat ist.
Bei den Massen-Demonstrationen gegen die AfD fiel es auf: Anders als SPD oder Grüne, bleibt die CDU als Partei oft außen vor. So war es auch bei der vom Bündnis „Essen stellt sich quer“ organisierten Veranstaltung im Januar, die 7000 Menschen auf die Essener Straßen zog. Bei dieser Zurückhaltung soll es auch künftig bleiben, und dafür gibt es aus Sicht der Christdemokraten gute Gründe: „Wenn Extremisten unter den Veranstaltern sind, sind wir grundsätzlich nicht dabei“, sagt der Bundestagsabgeordnete und Essener CDU-Vorsitzende Matthias Hauer.
„Mit Linksextremisten gegen Rechtsextremisten zu demonstrieren, ist nicht zielführend“, betont Hauer. Die CDU lehne alle politischen Extreme - auch die islamistisch motivierten - gleichermaßen ab. Das gelte, obwohl auch Matthias Hauer der Meinung ist, dass derzeit vom Rechtsextremismus die größte Gefahr für die Demokratie in Deutschland ausgehe und er Demonstrationen gegen die AfD daher prinzipiell begrüße.
Keine Demo-Linie mit den linken Feinden der Freiheit
Das sei aber eben noch lange kein Grund, eine Demo-Linie zu bilden mit den linken Feinden der Freiheit, die ebenso wenig auf dem Boden der demokratischen Grundordnung stünden, etwa der altkommunistischen DKP und anderen, die ihr nahestehen, wie die SDAJ („Sozialistische deutsche Arbeiterjugend“). Nennen könnte man auch den VVN („Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes“), der trotz des überparteilich klingenden Namens als DKP-nah gilt, ebenso die DIDF-Jugend. Das sind immerhin vier von derzeit 23 institutionellen Mitgliedern, die „Essen stellt sich quer“ (ESSQ) auf ihrer Webseite aufzählt.
„Natürlich sind nicht alle bei ESSQ radikal“, sagt Hauer mit Blick auf beispielsweise SPD oder Grüne, die Awo oder die Naturschutzjugend, die ebenfalls Mitglieder sind. Aber es seien eben zahlreiche Extremisten an Bord, die der Verfassungsschutz ebenso im Visier hat wie die AfD. Für ESSQ-Sprecher Christian Baumann waren und sind solche Bundesgenossen kein Problem. Wer sich als antifaschistisch definiere, sei willkommen, unterstrich er jüngst in einem Interview. Bei früherer Gelegenheit wurde Baumann auf konkrete Nachfrage noch deutlicher: „Die DKP leistet beim antifaschistischen Kampf tolle Arbeit und ist deshalb Mitglied in unserem Bündnis.“
Lob von ESSQ-Sprecher Baumann für die DKP
Dieses Lob mag man naiv finden, zynisch oder geschichtsblind vor dem Hintergrund des menschenverachtend-mörderischen Umgangs mit politischen Gegnern überall da, wo Linksextremisten an der Macht waren oder es noch sind. Aber immerhin beseitigen solche offenen Worte Zweifel und dürften dafür sorgen, dass die Essener CDU und wohl auch die FDP weiterhin Distanz halten. „Ich laufe bei keiner Demo mit, wenn dort rote Fahnen dominieren“, sagt zum Beispiel Hauers Parteifreund Dirk Kalweit, stellvertretender Vorsitzender der CDU-Fraktion im Stadtrat.
Problematisch ist für die CDU zudem eine politische Strategie, die nicht nur bei ESSQ in Essen, sondern bundesweit bei der jüngsten Demo-Welle zu beobachten war und die viele kritisieren: Der Protest richtet sich nicht nur gegen die AfD oder den Rechtsextremismus, sondern „gegen rechts“. Eine semantische Unschärfe, die aus Sicht von Matthias Hauer beabsichtigt ist und oft ganz bewusst auch Konservative in der CDU mit ins Abseits stellen will.
Die CDU stört auch der undifferenzierte Kampf „gegen rechts“, denn nicht selten ist sie mitgemeint
„So wie es eine demokratische Linke gibt, gibt es auch eine demokratische Rechte und die dürfen wir nicht in die rechtsextremistische Ecke schieben“, betont Hauer. Tatsächlich wurden auf manchen Demo-Plakaten der letzten Wochen einige aus Sicht der jeweiligen Organisatoren „rechte“ Politiker kurzerhand ins radikale Lager eingemeindet, darunter sogar den CDU-Bundesvorsitzenden Friedrich Merz.
Indem die CDU solchen Veranstaltungen bewusst fernbleibt, nimmt sie in Kauf, dass ihr von interessierter Seite mehr oder weniger subtil unterstellt wird, so ganz fest stehe ihre „Brandmauer“ zur AfD wohl nicht. Doch, das tue sie, betont Hauer. Die CDU wolle eigene, klare Signale gegen den Rechtsextremismus setzen, und das nicht nur in Parlamenten und Räten, sondern durchaus auch auf der Straße. „Wir werden deshalb eine eigene Protestveranstaltung auf die Beine stellen, sollte die AfD im Juni 2024 ihren Bundesparteitag in der Grugahalle abhalten.“
OB Kufen weiß noch nicht, ob er bei der Demo am 18. Februar eine Rede hält
Vorbild sei die „Essener Allianz“, ein lockeres Bündnis eindeutig demokratisch gesinnter Institutionen, das nach dem Terrorangriff gegen Israel am 12. November 2023 vor der Alten Synagoge gegen jede Form von Antisemitismus demonstrierte und immerhin 3000 Menschen auf die Beine brachte. Auf Initiative von Oberbürgermeister Thomas Kufen waren damals alle Parteien der Mitte ebenso dabei wie der DGB, der Essener Unternehmensverband oder die großen Kirchen.
Und wie hält es die CDU, wie hält es vor allem auch die Stadtspitze mit der nächsten großen, in Essen angekündigten Demo gegen die AfD am 18. Februar in der Innenstadt? Das ist anscheinend noch offen. Veranstalter ist hier nicht „Essen stellt sich quer“, sondern eine Organisation, die sich „Zusammen gegen rechts“ nennt. Dahinter steckt der bundesweit aktive Verein „Campact“, der sich einen Namen mit politischen Internet-Kampagnen gemacht hat.
Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU) wollte sich am Freitag (9.2.) auf Anfrage nicht festlegen, ob er unter der Überschrift „Zusammen gegen rechts“ vor den wohl bis zu 10.000 Teilnehmern eine Rede halten wird: „Darüber beraten wir noch.“ Ein Zeichen, dass die Lage für den OB nicht so einfach ist.
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