Essen. Laut AOK stieg die Zahl der krankheitsbedingten Fehltage beim Klinikpersonal binnen eines Jahres um gut fünf Tage an. So ist die Lage in Essen.

Bei den krankheitsbedingten Fehltagen von Klinikbeschäftigten hat es nach Angaben der AOK Rheinland/Hamburg im Jahr 2022 einen Negativrekord gegeben: Demnach fiel jeder Mitarbeiter im Schnitt 27,3 Tage aus – im Vorjahr waren es noch 22,6 Tage. Auch die Essener Krankenhäuser verzeichneten im dritten Jahr der Pandemie einen hohen Krankenstand.

Auch an der Uniklinik Essen gab es bei den krankheitsbedingten Fehltagen einen Sprung

So stieg die Zahl der durchschnittlichen Fehltage bei den rund 10.000 Beschäftigten der Uniklinik von 17,14 im Jahr 2021 auf 22,66 im Folgejahr – ein Sprung um mehr als fünf Tage. Die Fehlzeiten bewegten sich dabei jedoch auf einem deutlich niedrigeren Niveau als die von der AOK ermittelten.

Das Institut für Betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) der Krankenkasse hatte für die Analyse „die Daten von mehreren zehntausend Beschäftigten“ in NRW und Hamburg ausgewertet. Anders als Kliniken, die als Arbeitgeber nicht erfahren, warum ein Angestellter krankgeschrieben ist, hatte das Institut Zugriff auf die Diagnosen.

Psychische Erkrankungen sind häufig für Personalausfälle verantwortlich

Bei deren Auswertung habe sich gezeigt, dass die durch seelische Leiden bedingten Fehltage binnen eines Jahres um gut zehn Prozent gestiegen seien: 2022 waren knapp 17 Prozent aller Ausfalltage beim Klinikpersonal auf psychische Erkrankungen zurückzuführen. Es folgen Atemwegserkrankungen (16 Prozent) und Probleme mit Muskeln und/oder Skelett (15 Prozent).

„Wir führen den Anstieg bei den Ausfalltagen hauptsächlich auf den Anstieg von Sars-Cov-2-Erkrankungen im Jahr 2022 zurück“, heißt dagegen bei der Uniklinik Essen. Man habe wegen der datenschutzrechtlichen Regeln aber „kein statistisches Material, das Rückschlüsse auf bestimmte Krankheitsbilder zulässt“.

„Während der Corona-Pandemie hat sich diese Situation verschärft, und viele Beschäftigte geben an, dass sie sich allein gelassen gefühlt haben.“
Andreas Schmidt, Geschäftsführer des BGF-Institut der AOK, über die hohe Belastung bei Klinikpersonal

Der Geschäftsführer des BGF-Instituts, Andreas Schmidt, glaubt, dass nicht allein Corona-Infektionen dafür verantwortlich waren, dass der Krankenstand, der die Zahl der arbeitsunfähig geschriebenen Kranken auf 100 Versicherte beziffert, von 2021 auf 2022 so stark wie nie gestiegen ist; von 6,2 auf 7,5 Prozent. Vielmehr sei der Arbeitsplatz Krankenhaus durch „vielfältige Herausforderungen“ gekennzeichnet, etwa Personalmangel und eine hohe Arbeitsbelastung.

Während der Corona-Pandemie hat sich diese Situation verschärft, und viele Beschäftigte geben an, dass sie sich allein gelassen gefühlt haben.“ Schmidt fordert die Klinikchefs daher auf, ihr Personal zu stärken und durch gesundheitsfördernde Maßnahmen zu unterstützen.

Mit Yoga, Pilates und Achtsamkeits-Kursen gegen die Überlastung

Demo von Pflegepersonal: Im Mai 2022 gingen Beschäftigte der Unikliniken in NRW in Essen auf die Straße und forderten einen Tarifvertrag „Entlastung“. Dieser wurde nach langem Streik durchgesetzt.
Demo von Pflegepersonal: Im Mai 2022 gingen Beschäftigte der Unikliniken in NRW in Essen auf die Straße und forderten einen Tarifvertrag „Entlastung“. Dieser wurde nach langem Streik durchgesetzt. © WAZ

Die Uniklinik erklärt dazu, man schule Führungskräfte neuerdings zum Thema „Psychische Erkrankungen am Arbeitsplatz“. Längst gehörten zur betrieblichen Gesundheitsförderung Yoga-, Pilates-, Achtsamkeits- und Work-Life-Balance-Kurse. Mitarbeiter könnten sich an die LVR-Klinik wenden. Und schließlich zahlten die Kooperation mit einem Fitnessstudio und weitere Sportangebote auch auf das seelische Wohlbefinden ein.

„Wichtig ist uns als Arbeitgeber, dass unsere Mitarbeitenden bei Bedarf niederschwellig und schnell fachliche Unterstützung erhalten“
Thorsten Schabelon, Sprecher der Ev. Kliniken Essen-Mitte

Auch die Evangelischen Kliniken Essen-Mitte (KEM) kooperieren mit einem Fitnessstudio und bieten ähnliche Kurse wie die Uniklinik an. Durch Kliniken von Psychiatrie bis Naturheilkunde verfüge man über Kompetenz zur Stressbewältigung. „Wichtig ist uns als Arbeitgeber, dass unsere Mitarbeitenden bei Bedarf niederschwellig und schnell fachliche Unterstützung erhalten“, sagt Sprecher Thorsten Schabelon. Umfragen zeigten „grundsätzlich Zufriedenheit am Arbeitsplatz“.

Auch an den KEM bewege sich der Krankenstand in der Größenordnung, die die AOK-Studie benennt. Wegen der Auswirkungen der Pandemie, etwa der Zunahme von Atemwegsinfekten, seien 2020 bis 2022 zwar nur bedingt mit Vorjahren vergleichbar. „Grundsätzlich beobachten wir aber, dass an den Kliniken Essen-Mitte die krankheitsbedingten Ausfalltage durch die verschiedenen Berufsgruppen zuletzt zugenommen haben.“

Auf dem Höhepunkt der Pandemie erreichten auch die Ausfalltage ein Hoch

Die Mitarbeiter der Notaufnahmen arbeiten immer unter Hochdruck.
Die Mitarbeiter der Notaufnahmen arbeiten immer unter Hochdruck. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Bei den Alfried-Krupp-Krankenhäusern in Rüttenscheid und Steele sieht man nach einem Anstieg der Fehltage im Jahr 2022 nun eine Entspannung: „Der Krankenstand an unseren Häusern war im vergangenen Jahr unauffällig“, sagt Sprecherin Hille Ahuis. Auch sie verweist auf Präventionsangebote. Und: „Um Überlastungen zu verhindern, haben wir zur Unterstützung unserer Fachkräfte auf den Stationen Pflegehilfskräfte eingestellt.“

Ähnlich agiert die Contilia, die in der Pandemie einen Pflegepool einrichtete, „um Ausfälle schnell und unkompliziert kompensieren zu können“. Zumal die Fehlzeiten auf dem „Höhepunkt der Corona-Pandemie 2022“ auch hier zunahmen. Nun gebe es eine Normalisierung. „Die Ausnahmesituation in den letzten drei Jahren“ habe aber gezeigt, wie wichtig resilienzfördernde Angebote für Mitarbeiter seien, sagt Sprecher Thomas Kalhöfer.

Ist der Krankenstand zu hoch, müssen die Krankenhäuser Betten schließen

Im Einzelfall führen hohe Krankenstände gar zur Schließung von Betten. Laut KEM passiert das vor allem bei Infektionswellen, etwa wenn Covid-, Influenza-, Noro- und Rotaviren grassieren. Auch die Uniklinik müsse schon mal Betten sperren, sagt Sprecher Achim Struchholz. Dafür könnten neben Krankheiten auch Unterbesetzungen verantwortlich sein – oder Streiks.

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