Essen. Die Entlassung des Kaufmännischen Direktors Thorsten Kaatze offenbart die schwelenden Konflikte am Uniklinikum Essen. Eine Ursachenforschung.
Für viele der rund 10.000 Mitarbeiter der Essener Uniklinik war es ein Paukenschlag: An diesem Freitag (1.9.) gab das Haus bekannt, dass der Kaufmännische Direktor und stellvertretender Vorstandsvorsitzende der Universitätsmedizin Essen aus seinem Amt ausgeschieden ist – mit „sofortiger Wirkung“. In Leitungs- und Führungsebenen war die Überraschung deutlich geringer. So gab es schon länger handfeste Hinweise auf ernste Konflikte: „In den vergangenen Monaten war die Stimmung heftig. Es gab Compliance-Vorwürfe gegen verschiedene Führungskräfte, Beschuldigungen bis hin zu anonymen Briefen an das Ministerium.“ So eine Stimme, die wie alle anderen namenlos bleiben muss.
Auch die Landesregierung ist offenbar alarmiert über die Unruhe im Uniklinikum Essen
Offenbar war man auch bei der Landesregierung in Düsseldorf alarmiert über die Unruhe am Klinikum und forderte die Vorsitzende des Aufsichtsrates, Bärbel Bergerhoff-Wodopia zum Handeln auf. Erste sichtbare Konsequenz ist nun Kaatzes Entlassung, über den die Klinikdirektoren bereits am Donnerstag (31.8.) vom Ärztlichen Direktor des Hauses, Prof. Jochen A. Werner informiert wurden. Die Leitungsebene sei „kurzfristig zusammengetrommelt“ worden, berichtet ein Teilnehmer. In der digitalen Schalte habe sich Prof. Werner „sehr wertschätzend und professionell“ über Kaatze geäußert, sachlich erwähnt, dass es unterschiedliche Meinungen gegeben habe, und man sich daher getrennt habe.
Von „unterschiedlichen Auffassungen“ ist auch in der offiziellen Pressemitteilung der Uniklinik die Rede, namentlich über die „wirtschaftliche Ausrichtung des Unternehmens“. Über diesbezügliche und weitere Spannungen zwischen dem Vizevorstandsvorsitzenden Kaatze und Vorstand sowie Aufsichtsrat sprechen auch andere Beschäftigte. Augenfällig sei, dass Kaatze jüngst auf Veranstaltungen des Hauses gefehlt habe, bei dem man ihn fest erwartet habe, erwähnt ein Leitender Mediziner.
„Er hatte zuletzt keine Prokura mehr, war quasi handlungsunfähig. Da war die Trennung letztlich nur folgerichtig“, erklärt ein Kollege. Die offizielle Begründung, dass es um wirtschaftliche Belange gegangen sei, treffe schon einen Punkt. Zwar sei die Bilanz zuletzt noch ausgeglichen gewesen, doch die Uniklinik befinde sich durchaus in einer Schieflage: „Wir haben eine miserable wirtschaftliche Situation, allerdings geht es anderen Unikliniken nicht unbedingt viel besser.“
Seit Monaten gibt es Compliance-Vorwürfe gegen Klinikdirektoren
In dieser Situation habe sich auch die interne Tonlage verschärft, seit Monaten habe es Compliance-Vorwürfe gegen einzelne Klinikdirektoren gegeben, stets Finanzielles betreffend, etwa den Umgang mit Privatabrechnungen. Zur Verstimmung habe beigetragen, dass die Vorwürfe nie offen angesprochen wurden, von „Whistleblowern und Heckenschützen“ ist die Rede. „Es gab diverse Krisensitzungen, Leitende Ärzte sprachen von einer Angstkultur.“
Kurz: Allein um Finanzielles sei es sicher nicht gegangen. Kaatze habe manches richtig gemacht, aber eben auch Fehler; selbstredend trage er in kaufmännischen Fragen die Verantwortung. Kritik habe es etwa an dem Festhalten an den defizitären Häusern Ruhrlandklinik und Krankenhaus Werden unter dem Dach der Universitätsmedizin gegeben. Andererseits seien die Unikliniken generell massiv unterfinanziert und sollten unter öffentlich-rechtlichen Rahmenbedingungen privatwirtschaftlich handeln. In diesem schwierigen Umfeld habe Thorsten Kaatze sein Amt ungewöhnlich lange inne gehabt.
Entlassung seines Vizes wirft auch auf Klinikchef Jochen A. Werner kein gutes Licht
Mit seiner Entlassung werde die Situation an der Uniklinik gewiss nicht schlagartig befriedet. Zumal es – kaum überraschend in der Spitzenmedizin – auch um „Macht, Geld und Eitelkeiten“ gehe. Fragen gebe es auch an den Vorstandsvorsitzenden, wenn sein Vize so schlagartig gehen müsse: also an den Ärztlichen Direktor Prof. Jochen A. Werner. Der ist als Missionar in Sachen Smart und Green Hospital unterwegs, kritisiert als Buchautor das Gesundheitswesen, entwickelt Zukunftsperspektiven. Fraglos habe er der Uniklinik zu deutlich erhöhter Aufmerksamkeit verholfen, doch mancher frage sich, wo das Marketing für das Haus aufhöre und die Eigenwerbung beginne.
Einigen gilt Werners Führungsstil als dominant, seine Kommunikationskultur als verbesserungswürdig. Ein gutes Licht werfe Kaatzes Entlassung letztlich auch auf ihn nicht. Und so beobachtet man nun gespannt, wie Kaatzes Stelle nachbesetzt und die Führungsebene neu strukturiert wird.