Essen. Es haben zwar immer mehr ukrainische Flüchtlinge in Essen einen Job. Aber die Zahlen sind überschaubar. Das Jobcenter erhöht daher den Druck.

Die Flucht reißt nicht ab und immer mehr Ukrainerinnen und Ukrainer melden sich in Essen arbeitslos. Deren Zahl ist binnen eines Jahres deutlich gestiegen. Ende vergangenen Jahres waren 1860 Ukrainerinnen und Ukrainer beim Jobcenter offiziell arbeitslos gemeldet, das sind fast 500 mehr als im Dezember 2022. Die eigentliche Arbeitslosigkeit liegt noch deutlich höher. Denn fast 1300 Geflüchtete stecken aktuell in Sprachkursen und tauchen somit nicht in der Statistik auf.

„Wir haben immer noch enorme Zugänge“, sagt der Leiter des Jobcenters, Dietmar Gutschmidt. Aber auch ein anderer Fakt ist daran schuld, dass die Arbeitslosen-Zahlen steigen: Bisher nehmen vergleichsweise wenige Ukrainer eine Arbeit auf. Im Juni 2023 hatten in Essen 719 Ukrainer einen sozialversicherungspflichtigen Job. Das heißt: Seit Ausbruch des Krieges hat ihre Zahl damit gerade einmal um 365 zugelegt. Aktuellere Zahlen gibt es von der Bundesagentur für Arbeit dazu nicht. Mittlerweile dürften natürlich mehr Ukrainer einen Job gefunden haben.

Dietmar Gutschmidt, Leiter des Jobcenters Essen.
Dietmar Gutschmidt, Leiter des Jobcenters Essen. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Jobcenter will Druck auf arbeitslose Ukrainer erhöhen

Dennoch räumt das Jobcenter ein, dass es bei der Vermittlung noch Luft nach oben gibt. Viele der Ukrainer haben zwar gute Berufsabschlüsse. Doch es fehlt ihnen zum einen an Sprachkenntnissen und zum anderen werden viele ihrer Abschlüsse hierzulande nicht anerkannt oder aber die Anerkennung zieht sich hin. Jobcenter-Leiter Gutschmidt wirbt daher um Geduld bei den Integrationen: „Das Ganze braucht eine Weile, aber in diesem Jahr wird die Zahl der ukrainischen Beschäftigten weiter steigen.“

Dennoch will das Jobcenter künftig nicht mehr so stark darauf Rücksicht nehmen und die Ukrainer somit schneller in Arbeit bringen. „Wir werden die Aufnahme einer Beschäftigung stärker in den Blick nehmen und werden fordernder in der Beratung“, kündigte er an. Der Druck zur Arbeitsaufnahme soll somit wachsen. Bislang beispielsweise war es die Regel, dass Flüchtlinge erst einen Sprachkurs absolvierten und anschließend in einen Job vermittelt wurden. Künftig soll das bestenfalls auch parallel geschehen: Arbeiten und gleichzeitig die Sprache lernen. „Wenn der Abschluss nicht anerkannt wird, dann zieht der Job-Turbo“, macht Gutschmidt außerdem deutlich.

5400 Ukrainer in Essen bekommen Bürgergeld

Den sogenannten Job-Turbo hatte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) für Flüchtlinge ausgerufen. Unter anderem will die Bundesregierung damit Ausgaben beim Bürgergeld einsparen und so den Bundeshaushalt entlasten. Ukrainer nämlich haben anders als viele andere Flüchtlinge vom ersten Tag an Anspruch auf das höhere Bürgergeld. In Essen beziehen derzeit rund 5400 Ukrainer und Ukrainerinnen die staatliche Leistung. Neben denen, die eine Arbeit aufnehmen können, zählen dazu auch Kinder und Ältere.

CDU-Chef Friedrich Merz sieht das sofortige Bürgergeld für Ukrainer mittlerweile kritisch, weil es möglicherweise zu wenig Anreize schaffe, eine Arbeit aufzunehmen. Diese Woche sagte er dazu: „Es war wahrscheinlich ein Fehler, dass wir vor zwei Jahren – unmittelbar nach Beginn der Flüchtlingskrise aus der Ukraine – zwischen Bund und Ländern entschieden haben, dass auch die ukrainischen Flüchtlinge praktisch sofort in das Bürgergeld gehen und nicht zunächst einmal für eine gewisse Zeit Asylbewerberleistungen bekommen.“

Essener Jobcenter-Chef: Vermitteln nicht vorrangig in Helferjobs

Unterdessen aber machen sich Ukrainer offenbar nun Sorgen, dass sie mit Heils „Job-Turbo“ künftig noch stärker in Tätigkeiten vermittelt werden könnten, die weit unter ihrer Qualifikation liegen. Darüber hatte die WAZ Duisburg jüngst berichtet. Statt entsprechend ihrer Qualifikation eingesetzt zu werden, würde das Jobcenter ukrainische Frauen häufig in die Altenpflege oder Gebäudereinigung schicken, lautet unter anderem der Vorwurf einer Ukrainerin.

Der Leiter des Essener Jobcenters, Gutschmidt, jedoch betont, dass es seiner Behörde darauf ankomme, welche Fähigkeiten jemand habe. Dass ein angebotener Job vielleicht nicht immer 1:1 zu dem passe, was die Ukrainer mitbringen, sei klar. „Aber wir orientieren uns nicht auf Helfertätigkeiten“, so Gutschmidt.

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