Essen. Für Galeria Karstadt Kaufhof und damit für die Stadt steht viel auf dem Spiel: Kommt der Abschied von der Konzernzentrale in Bredeney?
Als die neuerliche Pleite endlich amtlich war – um genau 10.32 Uhr an diesem eiskalten Januar-Dienstag, wie das Essener Amtsgericht minutiös festhielt – da machte sich dann doch mehr als Frust ein Gefühl der Erleichterung breit. Endlich Klarheit, endlich wissen, was Sache ist. Oder wie es jemand aus der Hauptverwaltung von Galeria Karstadt Kaufhof formulierte: „Hier läuft keiner weinend über den Flur.“
Denn man hat sich in diesem Warenhaus-Konzern, so seltsam das vielleicht klingt, an Insolvenzen regelrecht gewöhnt: Es ist die dritte binnen drei Jahren, die Abstürze vergangener Jahre und fast Jahrzehnte gar nicht mitgezählt. Karstadt-Quelle, Kaufhof, Arcandor – immer wieder Neuanfänge, immer wieder musste die Belegschaft auf vieles verzichten, manche verloren ihren Job, und doch: „Hier hat sich eine gewisse Lethargie breitgemacht“, heißt es, bei manchem auch Galgenhumor und eine Ist-doch-eh-egal-Haltung mit rheinischem Einschlag: „Et hat noch immer jut jejange.“
Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen ist überzeugt: Das Warenhaus hat Zukunft
Ob dies anno 2024 so bleibt, wird sich noch erweisen müssen. Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen spricht von einem Schlag für den Traditions-Standort Essen, wenn auch von keinem unerwarteten. Und er mag für die Zukunft noch nicht alle Hoffnung fahren lassen: „Ich glaube nach wie vor an das Geschäftsmodell des Warenhauses: Dafür gibt es einen Markt, wenn ein gutes Sortiment, gute Beratung und Aufenthaltsqualität zusammenkommen.“ Wo allerdings nur eine Komponente fehle, „hat man gegenüber dem Online-Handel das Nachsehen“.
„Bitter und traurig“ sei die neuerliche Pleite vor allem für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, meint Kufen: Zwischen Bangen und Euphorie, in diesem „Auf und Ab der Gefühle“ zu stecken – „das macht ja was mit Leuten“. Wo möglich versucht die Stadt, Galeria-Beschäftigten eine Job-Perspektive zu bieten. Sie hatte bei der letzten Insolvenz sogar ein eigenes E-Mail-Postfach für Wechselwillige eingerichtet. Einige hochmotivierte Kräfte habe man so gewinnen können, sagt der OB, insgesamt aber sei der Erfolg überschaubar gewesen. Nicht zuletzt, weil der Arbeitsmarkt heute ein anderer sei als früher: „Die werden was finden.“
Wobei noch nicht klar ist, wie viele Menschen überhaupt auf die Suche gehen müssen. Es gilt als wahrscheinlich, dass Galeria den Mietvertrag mit Signa über die Hauptverwaltung („Service-Center“) an der Theodor-Althoff-Straße kurzfristig aufkündigt. Die Zentrale ist nach Angaben von Beschäftigten arg marode, „angeranzt“, klagen manche und in technischer Hinsicht überholungsbedürftig: „Am schnellsten kommen Sie noch mit dem Lastenaufzug voran.“ Zwischen 800 und 900 Mitarbeiter sind in der Zentrale noch (oder sollte man formulieren: wieder?) tätig. In den vergangenen Monaten jedenfalls habe Galeria Leute eingestellt, „als ob es kein Morgen gebe“, sagt jemand, der nah dran ist am Geschehen.
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Selbst der Gesamtbetriebsrats-Vorsitzende Jürgen Ettl wird mit dem Begriff zitiert, der Laden sei doch eher „überdimensioniert“. Andererseits appellierte der vorläufige Insolvenzverwalter der Warenhauskette am Dienstag ausdrücklich an die Beschäftigten, „dem Unternehmen die Treue zu halten“: „Wir haben jetzt den Insolvenzgeldzeitraum bis Ende März“, sagte Rechtsanwalt Stefan Denkhaus: „Geben Sie uns die Chance, dass wir gemeinsam den Karren aus dem Dreck ziehen und in eine gute Zukunft führen.“
Karstadt-Mitarbeiter im Limbecker Platz bangen erneut
Bei der Suche nach einem Investor will der neue starke Mann bei Galeria jedenfalls keine Zeit verlieren. Geplant ist, „dass wir im Zeitfenster von sieben, acht Monaten dann auch dieses Insolvenzverfahren wieder verlassen können“. Es gebe bereits Interessenten, sagt Denkhaus, nennt aber keine Namen.
Noch ist deshalb nicht klar, mit wie vielen der bundesweit 92 Filialen der Handels-Konzern seinen wiederholten Neuanfang bestreiten will. So bleibt auch den rund 120 Beschäftigten in der Galeria-Filiale am Limbecker Platz nur, sich in Geduld zu üben. Zweimal war das Haus nur hauchdünn an der Schließung vorbeigeschrammt, zuletzt mit der festen Absicht, die Verkaufsfläche von circa 20.000 Quadratmetern ein ganzes Stück zu verkleinern. Das gelte unabhängig von der Insolvenz weiter, betont das Management des Limbecker Platzes.
Die Mitarbeiter in der Filiale wurden am Dienstag um 12.30 Uhr zusammengetrommelt und über die erneute Insolvenz ihres Arbeitgebers informiert. Die Stimmung in der Belegschaft wirkte gedrückt gleichzeitig aber gelassen und ein Stück weit schicksalsergeben. „Wir haben schon so viel durchgemacht, was soll man da noch sagen?“, meinte ein Mitarbeiter, der die jüngste Serie der Insolvenzen erlebt hat und trotzdem an Bord geblieben ist.
Wenn es diesmal nicht mehr gut gehen würde? Sie mache sich um ihre Zukunft weniger Sorgen, sagte eine jüngere Verkäuferin. „Ich arbeite gerne im Einzelhandel und werde sicher wieder eine Arbeit finden“. Für ihre älteren Kollegen aber, von denen viele schon Jahrzehnte bei Karstadt arbeiten, wäre der Verlust des Arbeitsplatzes sicher viel schlimmer.
Mit der Insolvenz macht sich aber auch Hoffnung breit, sich vom Signa-Mutterkonzern und mithin von Eigentümer René Benko endgültig zu lösen: „Ich bin sehr froh, dass das Insolvenzverfahren nicht in Eigenverwaltung geführt wird“, betonte eine Mitarbeiterin. „Damit haben Signa und die Benko-Leute wenigstens nicht mehr das Sagen“.
Im Falle der Karstadt-Schließung: Limbecker Platz bereitet schon den „Plan B“ vor
Galeria will mit den Eigentümern der Filialen in den kommenden Wochen erneut über die Mieten verhandeln, wie Unternehmenschef Olivier Van den Bossche am Dienstag ankündigte. Ob allerdings der Eigentümer des Limbecker Platzes, ein Fonds der Union Investment, dazu nochmals bereit wäre, halten Beobachter für eher unwahrscheinlich. Dieser sei schon bei den Malen zuvor an die Schmerzgrenze gegangen, heißt es.
Daher bereitet sich auch die Hamburger ECE-Gruppe, die das Einkaufscenter betreibt, auf einen möglichen Ernstfall vor. Schon während der Insolvenzverfahren davor hatte sie an einem Plan B gearbeitet, den sie nun wieder aus der Schublade zieht. „Wir werden an den Szenarien arbeiten, wie schon in den Jahren davor“, sagt Centermanager Anastasios Meliopoulos. Details nennt er nicht.
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