Essen. Ende Januar sollte Feierabend sein, doch jetzt ist klar: Das Karstadt-Haus im Einkaufszentrum Limbecker Platz in Essen bleibt im Geschäft.
Auf der Achterbahn der Gefühle haben Mitarbeiter und Kunden des Kaufhaus-Riesen Galeria Karstadt-Kaufhof schon so manche wilde Fahrt hinter sich. Erst vor wenigen Wochen begann die vermeintlich letzte Schussfahrt talwärts: Ausgerechnet an seinem Stammsitz Essen, im Einkaufszentrum Limbecker Platz, sollte das traditionsreiche Warenhaus seine Pforten schließen, so war es beschlossen und ein Termin schon ausgeguckt: Ende Januar, hieß es, ist Feierabend. Und jetzt? Geht es mit dem Schwung der Verhandlungen urplötzlich wieder aufwärts, man hat sich geeinigt, der Schriftzug am Limbecker kann hängen bleiben, Karstadt ist gerettet.
Das Gefühl, in letzter Minute dem Schließungs-Teufel von der Schippe gesprungen zu sein, ist dabei für keinen der Beteiligten neu: Vor fast drei Jahren ein nahezu deckungsgleiches Bild – erst die Insolvenz, dann die Platzierung der Essener Filiale auf der Streichliste, das lange bange Warten auf eine Entscheidung und schließlich die erlösende Nachricht.
Eine, die nicht lang hielt, wie sich erwies, aber das konnten sie damals nicht wissen.
Gut möglich, dass Karstadt gleich eine komplette Etage an Verkaufsfläche abgibt
Wer oder was diesmal den Ausschlag gab, dass Galeria in Essen weiter im Geschäft bleibt, wird sich noch erweisen. Nach der Berichterstattung dieser Redaktion am Freitagabend, informierte dann am Samstagmorgen die Unternehmensleitung die Belegschaft per Mail und kurz vor Geschäftsöffnung auch vor Ort. In dem Schreiben heißt es: „Wir freuen uns sehr, euch berichten zu können, dass wir nun auch eine weitere Einigung zur Rettung einer Filiale erreichen konnten. Deshalb können wir unseren Standort Essen fortführen.“ Unterzeichnet ist die Mail unter anderem von Galeria-Chef Olivier Van den Bossche.
Zuletzt hatte der Kaufhaus-Riese bereits bei seinen Häusern am Westenhellweg in Dortmund wie auch an der Schadowstraße in Düsseldorf seinen ursprünglichen Kurs korrigiert und die dortigen Schließungspläne kurzerhand zurückgenommen. Vorausgegangen waren dort wie hier wochenlange Verhandlungen mit den Vermietern. Eigentümer des Einkaufszentrums Limbecker Platz ist ein milliardenschwerer Immobilienfonds der Fondsgesellschaft Union Investment, als Betreiber fungiert die Hamburger ECE-Gruppe.
Auf deren Vermietungs-Abteilung wird in absehbarer Zeit einiges an Arbeit zukommen, denn in der Diskussion ist, dass Karstadt seine Verkaufsfläche von bisher rund 20.000 Quadratmetern auf drei Etagen spürbar verkleinern könnte. Gut möglich, dass man dann gleich eine komplette Etage aufgibt. Beispiele für solche Schrumpfkuren, aber auch für das Einbinden von Untermietern gebe es auch an anderen Galeria-Standorten heißt es in Reihen des Betriebsrates, der schon vor Wochen am Rande einer Konferenz von einem möglichen Überleben der Essener Filiale raunte.
„Die Leute laufen uns doch in Scharen weg“, heißt es aus der Hauptverwaltung
Eine „vage Hoffnung“ sei das damals noch gewesen, sagen Teilnehmer. Ob der Vermieter Galeria Karstadt Kaufhof auf den letzten Metern noch einmal bei der Miethöhe entgegengekommen ist, ob es gar andere finanzielle Zusagen, etwa für den Umbau der Filiale, gibt, ist nicht bekannt. Alle verbleibenden Filialen sollen in den nächsten drei bis vier Jahren modernisiert werden. Das wäre wohl auch der zeitliche Rahmen, sich kleiner zu setzen – mit spürbaren Folgen für die Miethöhe.
Dass mit weniger Verkaufsfläche vermutlich auch Personal abzubauen wäre, scheint offensichtlich, gilt aber als das kleinere Übel, verglichen mit einer kompletten Schließung des Kaufhauses. Ähnlich gelassen sehen Betriebsräte mittlerweile die Entwicklung in der Hauptverwaltung in Bredeney: Statt hunderter Kündigungen braucht es am Ende womöglich nur zwei, drei Dutzend, denn „die Leute laufen uns doch in Scharen weg“, wissen Eingeweihte. Oft sind es dabei junge, qualifizierte Kräfte, „die echte Löcher reißen“, und zwar in allen Bereichen, vom Einkauf bis zur IT.
Das „blöde Gefühl“, dass man auch durch die neuerliche Rosskur nur etwas Zeit gewinnt
Die aber braucht man für eine gedeihliche Zukunft der Warenhaus-Kette, die bis Ende Januar noch über 20 Häuser schließen will. Indem Essen von dieser Liste heruntergerutscht ist, haben sich auch die Pläne des Unternehmers Friedrich Göbel erledigt, der Interesse an der Karstadt-Fläche signalisiert hatte. Der ehemalige Chef der Textil-Kette Sinn wollte dort ein Modehaus seines neuen Unternehmens „Aachener“ eröffnen.
Obwohl am Samstag zunächst große Erleichterung bei den Karstadt-Mitarbeitern im Limbecker Platz herrschte, ist im Konzern selbst derweil von einer echten Aufbruchstimmung noch nicht viel zu spüren, obwohl das Insolvenzverfahren Ende Mai abgeschlossen werden konnte. „Wir sind alle keine Fantasten“, sagt eine mit den Vorgängen vertraute Person: Es bleibe eben das „blöde Gefühl“, dass man auch durch die neuerliche Rosskur nur etwas Zeit gewinnt, bevor es wieder abwärts geht.
Das ist so bei Achterbahnen.