Essen. Die Markthalle in der Essener Innenstadt ist Geschichte, das Konzept nicht aufgegangen. Der Nachmieter setzt wieder auf ein günstiges Sortiment.

Es ist gerade einmal zweieinhalb Jahre her, dass die Markthalle in der Rottstraße – ein ehemaliger TeDi-Discount-Markt - mit viel Euphorie und großen Erwartungen für die Nördliche Innenstadt ihre Pforten öffnete. „Vegetarisch und orientalisch – Essens erste Markthalle öffnet“ lautete im Juli 2021 die Schlagzeile in dieser Zeitung. Reinhard Wiesemann, Investor und bekannter Nordstadt-Förderer, stellte damals Vergleiche mit Rüttenscheid und dem Prenzlauer Berg in Berlin an. Und sollte mit seinem Optimismus ziemlich daneben liegen.

Denn das „Café Klee“, als Herzstück der Markthalle konzipiert, war schon drei Monate nach der Eröffnung Geschichte und machte dicht. Wiesemann selbst zog sich bereits nach einem halben Jahr aus der Markthalle zurück. Die Leerstände wirkten abschreckend.

Er suchte neue Pächter, die sein Basar-Konzept „weitestgehend in ähnlicher Form“ fortführen und internationaler machen sollten. Einer von ihnen war der Betreiber des beliebten syrischen Restaurants „Al Midan Al Damaschki“ am Salzmarkt. Doch erfolgreich wurde die Markthalle auch unter neuer Regie nie. Sie versprühte wenig orientalischen Basar-Charme und wenig Lebendigkeit, sondern stand letzten Endes eher für syrisch-arabische Parallelgesellschaft.

Das sagt Reinhard Wiesemann zu den Veränderungen

Nun ist das Konzept ganz beerdigt: Die Räume sind ab Februar an die Diakonie Essen vermietet. Deren Beschäftigungsgesellschaft „Neue Arbeit“ wird in der einstigen Markthalle einen Sozialladen eröffnen, in dem gebrauchte Kleidung und selbst hergestellte Designstücke preiswert angeboten werden. Nach TeDi zurück zu billig also.

„Die Markthalle war ein guter Versuch, der aber leider nicht funktioniert hat“, zieht Reinhard Wiesemann Bilanz. Irgendwann habe man einen Schnitt machen müssen, das sei jetzt der Fall.

Der Unternehmer ist zwar nicht mehr Eigentümer der Immobilie, hat aber die Vermietung an den Diakonieladen maßgeblich mitvorbereitet. „Der Diakonieladen passt an dieser Stelle hervorragend“, findet Wiesemann - erst recht in unmmittelbarer Nachbarschaft des Vielrespektzentrums, neuer Hauseigentümer sei die Vielrespektstiftung unter Leitung von Ali Can.

„Essen war Einkaufsstadt und wird Second-Hand-Hauptstadt“

Der Diakonieladen stehe für Second-Hand-Waren. Eine Sparte des Einzelhandels, der Wiesemann enorme Zukunftschancen einräumt. „Das Neuwaren-Geschäft werde sich in Zukunft überwiegend im Internet über Online-Shops abspielen, Gebrauchtwaren gehörten in die Innenstädte.

Reinhard Wiesemanns Vision lautet: „Essen war mal die Einkaufsstadt, jetzt wird es die Second-Hand-Hauptstadt.“ Selbst wohlhabende Konsumenten hätten kein Problem damit, Dinge zu kaufen, die vorher anderen benutzt oder getragen hätten.

Bis Jahresende gab es den Diakonie-Laden noch auf der Limbecker Straße. Dort aber sind die Türen schon seit Anfang Januar wieder dicht. Ein Schild verweist auf den Umzug in die Rottstraße 24 zum 1. Februar. Ob es damit auf der Limbecker Straße zu einem neuen Leerstand kommt oder es für den Laden schon neue Mieter gibt, ist nicht bekannt.

Der Diakonie-Laden verkaufte bis Jahresende an der Limbecker Straße. Nun ist er geschlossen.
Der Diakonie-Laden verkaufte bis Jahresende an der Limbecker Straße. Nun ist er geschlossen. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Der Weggang der Diakonie nach gerade einmal 14 Monaten kam überraschend. Denn sie hatte den Laden über ein Förderprogramm zunächst günstig von der Stadt angemietet, den Vertrag aber weit über den Förderzeitraum Ende 2023 geschlossen. Warum dann trotzdem das abrupte Ende auf der Limbecker Straße?

Diakonie: Laden in der Limbecker war für Beschäftigte zu beschwerlich

Michael Diemer, Fachbereichsleiter für Verkauf und Produktion bei der „Neuen Arbeit“, berichtet, dass die Diakonie den Mietvertrag schon im Sommer 2023 gekündigt hatte. „Der Standort war super und wir wären gern auch geblieben“, sagt er. Allerdings entpuppte sich der Laden selbst als Nachteil für die Beschäftigten dort. Bei ihnen handelt es sich um Menschen, die schon viele Jahre arbeitslos sind und erst wieder an eine regelmäßige Arbeit herangeführt werden müssen. „Bei vielen ist auch die körperliche Konstitution nicht gut“, betont Diemer.

Der Laden allerdings erstreckt sich vom Keller bis hinauf ins zweite Obergeschoss mit den Sozialräumen. Einen Fahrstuhl gibt es nicht. „Für viele war die Arbeit damit zu anstrengend. Das konnten wir den Leuten so nicht antun. Der Laden war deshalb leider nicht zu halten“, erklärt Diemer und räumt ein: Bei der Eröffnung des Geschäftes Ende Oktober 2022 habe man die örtlichen Gegebenheiten unterschätzt.

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Er ist daher froh, dass die Diakonie in der Rottstraße ein neues Ladenlokal gefunden hat. Der Verkauf findet dort auf einer Etage statt und das Geschäft verfügt über nur ein weiteres Geschoss. Derzeit laufen bereits die Umbauarbeiten. „Wir sind über den neuen Standort happy“, so Diemer.

Mehrere Läden ziehen sich nach Förderung von der Limbecker zurück

Mit der Diakonie hat ein weiterer Mieter die Limbecker Straße verlassen, der über das Innenstadt-Förderprogramm auf der gebeutelten Einkaufsmeile von der Stadt angesiedelt worden war. Zuvor hatten sich schon der Secondhand-Laden Strike, ein Gewürzhändler, ein Blumenladen, eine Eisdiele verabschiedet. Im Frühjahr 2024 wird sich auch der Edelchocolatier Lindt wieder zurückziehen.

Gehalten haben sich nach der Förderung auf der Limbecker Straße dagegen der Dekoladen Mea Living, The Outleter, das Modegeschäft L‘italiano sowie der Secondhand-Anbieter Think Twice.

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