Essen-Werden. Vor dem Stadtbad Essen-Werden „bedrängen“ abgestellte Motorräder ein Stein-Kunstwerk. Jetzt wird ein neuer Standort für die Skulptur gesucht.

Langer Atem zählt – auch in der Politik. Die Initiative der Werdenerin Barbara Schröder, die Skulptur „3 Blöcke Muschelkalk“ von Rolf Jörres vom Stadtbad an der Körholzstraße an einen anderen Standort zu versetzen, war im August vergangenen Jahres in der Bezirksvertretung 9 gescheitert. CDU, FDP und AfD überstimmten Grüne und SPD. Die Skulptur blieb.

Nun aber steht der Punkt in der BV-Sitzung am 31. Oktober erneut auf der Tagesordnung. Die SPD möchte belegen, dass alle Bedenken und Gegenargumente nun ausgeräumt werden konnten. Die Verwaltung solle als neuen Aufstellplatz eine Grünfläche an der Heckstraße prüfen, unweit von Luciuskirche und Bürgermeisterhaus. Die verschmutzte Skulptur solle mit Mitteln des Kulturamtes restauriert werden und der bisherige Standort vor dem Stadtbad als Stellfläche für Fahrräder hergerichtet werden.

Bedrängt durch abgestellte Fahr- und Motorräder

Der diplomierte Architekt Heinz Schnetger ist BV-Mitglied für die SPD, zugleich Schirmherr des Kettwiger Skulpturenparks und Mitglied der Essener „Kommission Kunst im öffentlichen Raum“. Er stellt fest: „Die Skulptur von Rolf Jörres wird am augenblicklichen Standort durch Fahr- und Motorräder regelrecht bedrängt. Ihre Wahrnehmung wird dadurch stark beeinträchtigt. Dabei benötigt sie ausreichend Freiraum, um die Wirkung zu entfalten, die dem Künstler vorschwebte. Auch drohen weitere Beschädigungen.“

Schnetger zitiert aus dem Kulturgesetzbuch für NRW: „Die Verantwortung für die Förderung von Kunst und Kultur in Nordrhein-Westfalen wird von den Städten, Gemeinden und Kreisen […] gemeinsam mit dem Land getragen.“ Kunst sei also nicht „nice to have“, sondern sie sei Verantwortung. Laut Gemeindeordnung aber auch die der BV.

Andere Skulptur, derselbe Künstler: Vor der ehemaligen Hauptverwaltung von Karstadt in Bredeney wirken die von Jörres bearbeiteten Steine mitten im Grünen ganz anders.
Andere Skulptur, derselbe Künstler: Vor der ehemaligen Hauptverwaltung von Karstadt in Bredeney wirken die von Jörres bearbeiteten Steine mitten im Grünen ganz anders. © Daniel Henschke

Familie steht Versetzung des Kunstwerkes positiv gegenüber

Der kürzlich verstorbene Bildhauer Rolf Jörres ist mit etlichen Werken in Essen vertreten. Unlängst waren Witwe und Sohn zu Besuch in Werden und nahmen auch die Skulptur und ihren Standort in Augenschein. Barbara Schröder begleitete sie und berichtete hinterher, dass die beiden geradezu entsetzt gewesen seien über den Ist-Zustand. Die Familie stehe einer Versetzung des Kunstwerkes sehr positiv gegenüber.

Die Werdenerin Barbara Schröder kämpft schon lange dafür, dass die „3 Blöcke Muschelkalk“ von Rolf Jörres aus dem Jahr 1970 behutsam saniert und an eine andere Stelle versetzt werden.
Die Werdenerin Barbara Schröder kämpft schon lange dafür, dass die „3 Blöcke Muschelkalk“ von Rolf Jörres aus dem Jahr 1970 behutsam saniert und an eine andere Stelle versetzt werden. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Die Steine stehen auf einer Fläche, die gar nicht zum Stadtbad gehört. Hier setzt auch Heinz Schnetger an: „Der Standort der Skulptur ist nicht vertraglich fixiert.“ Zwar sei das Werk aus dem Topf für „Kunst am Bau“ bezahlt worden: „Der Standort war aber nie inhaltlich begründet oder auf das Bauwerk bezogen.“

Die Kunst im öffentlichen Raum stärken

Das Kunstwerk selbst sei eher zurückhaltend, schon der spröde Titel verweigere Assoziationen: „Die Muschelkalkblöcke sind künstlerisch bearbeitet. Aber es bleibt Stein.“ Kunst im öffentlichen Raum habe sonst oft einen Bezug auf die Umgebung, doch das sei hier nicht der Fall: „Wir haben hier keine Message.“

Heinz Schnetger geht es um einen generellen Ansatz: „Ich möchte Barbara Schröder und den Geschichts- und Kulturverein Werden unterstützen in der Idee, Kunst im öffentlichen Raum zu stärken.“ Kunst gehöre eben nicht nur in die Museen: „Wir sind nicht nur in der Pflicht, den Bestand zu verwalten. Da muss auch neu investiert werden. Andere Städte wie Hannover nehmen sich dieses Themas deutlich beherzter an.“ Essen könne da doch an ganz viele Dinge anknüpfen, meint Schnetger. Aus seiner Sicht bedauerlich sei allerdings eine Konzentration von Skulpturen im Grugapark.

Bezirksvertretung tagt am 31. Oktober

Die Sitzung der Bezirksvertretung 9 für den Essener Süden findet am Dienstag, 31. Oktober, im großen Saal des Kettwiger Rathauses, Bürgermeister-Fiedler-Platz 1, statt. Das Gremium tagt ab 16 Uhr in öffentlicher Sitzung, interessiertes Publikum ist hierzu zugelassen.

Auf der Tagesordnung stehen neben der Diskussion um einen Standort für die Jörres-Skulptur unter anderem der Radverkehr im Stadtbezirk, Baumpflanzungen, Parkplätze sowie das Aufstellen von Hundekotbeutelspendern an verschiedenen Stellen.

Auch mit der Erweiterung von Spielplätzen und der Einrichtung öffentlicher Toiletten wird sich die Bezirkspolitik beschäftigen.

Für Kettwig funktioniere der dortige Skulpturenpark, auch er in privater Initiative etabliert: „Wir haben in den letzten fünf Jahren mit verschiedenen Veranstaltungen wie Kunstauktionen knapp 80.000 Euro für neue Kunstwerke sammeln können.“ Die etwa vier Meter hohe Metallskulptur „Das Tuch“ von Norbert Pielsticker konnte bereits aufgestellt werden, das Leuchtobjekt „Fisch vermählt“ von Hubert Sandmann und Miriam Gießler soll auf der Kettwiger Ruhrbrücke seinen Platz finden.

Steine sind Zeichen ihrer Zeit und eine Touristenattraktion

Würde Werden ein eigener Skulpturenpark nicht auch gut zu Gesicht stehen? Heinz Schnetger bejaht: „Es lohnt sich, eine Verortung der in Werden versammelten Werke zu veröffentlichen. Sei es als gedruckter Flyer oder im Internet. Wenn die Qualität stimmt, kann das durchaus Teil eines touristischen Programms sein.“ Er führe jedenfalls immer wieder auswärtige Gruppen durch den Kettwiger Skulpturenpark.

Hat Schnetger Hoffnung, dass die Versetzung der Jörres-Skulptur diesmal eine BV-Mehrheit findet? „Es gab jedenfalls fruchtbare Diskussionen. Hier geht es ja auch um das kulturelle Gedächtnis einer Stadt. Die Steine sind Zeichen ihrer Zeit und stehen noch, wenn wir längst nicht mehr leben. Da sollte der Standort schon sorgfältig gewählt sein. Und das ist an der Körholzstraße gewiss nicht der Fall.“

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