Essen-Rüttenscheid. Sie kommen aus sozial schwachen Verhältnissen und brauchen Unterstützung: Wie Essener Initiativen Paten für Kinder und Jugendliche vermitteln.

Fehlende Sprachkenntnisse, mangelnde Unterstützung zu Hause, Probleme in der Schule: Es gibt viele Gründe, warum Kinder und Jugendliche ihr Potenzial nicht voll ausschöpfen können. Um ihnen unter die Arme zu greifen, gibt es im gesamten Stadtgebiet Patenschaftsprogramme. Ehrenamtliche begleiten und fördern die jungen Menschen hierbei zum Teil in einer Eins-zu-eins-Betreuung. Im Patenschaftsnetzwerk Essen der Ehrenamt Agentur sind viele von ihnen organisiert. Die meisten sind auf der Suche nach neuen Ehrenamtlichen.

15 Mitglieder zählt das Patenschaftsnetzwerk aktuell. Darunter sind zum Beispiel die Initiative Arbeiterkind.de, das Essener Lesebündnis, der Verein „Balu und Du“ und die Lernhäuser des Kinderschutzbundes sowie der Studienkompass. Bei regelmäßigen Treffen tauschen sie sich aus. Gabi Micklinghoff, ehemalige Leiterin der Ehrenamt Agentur und maßgeblich am Aufbau des Netzwerkes beteiligt, sagt: „Unsere Stärke ist, dass wir so viele Initiativen mit einem je sehr spezifischen Angebot haben.“

Essener Initiativen betreuen Familien, Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene

Die Angebote der teilnehmenden Initiativen beginnen mit der Geburt: Beim Verein „Wellcome im Bistum Essen“, werden Familien mit Säuglingen im oft kräftezehrenden ersten Lebensjahr drei Monate lang bis zu dreimal pro Woche für etwa drei Stunden begleitet. Die Ehrenamtlichen kümmern sich um die Babys, während die Eltern einmal durchatmen, in Ruhe duschen oder einkaufen gehen können. Im ersten Halbjahr 2023 wurden 31 Familien betreut. „Manchmal verstehen sich beide Parteien so gut, dass Familien und Ehrenamtliche auch nach den drei Monaten Kontakt halten“, berichtet der Vorsitzende Andreas Kühn. Gehe der Unterstützungsbedarf einer Familie über das normale Maß hinaus, verweise man sie aber ans Sozialamt.

Bei regelmäßigen Treffen tauschen sich die im Essener Patenschaftsnetzwerk organisierten Initiativen aus.
Bei regelmäßigen Treffen tauschen sich die im Essener Patenschaftsnetzwerk organisierten Initiativen aus. © FUNKE Foto Services | Jonas Richter

Erika Uhe hat das Awo-Projekt „Kinderchancen“ ins Leben gerufen. Ab dem Kindergartenalter werden Kinder hier von aktuell zwischen 40 und 50 Patinnen und Paten betreut. „Aus meiner Erfahrung als Berufsschullehrerin weiß ich, dass es wichtig ist, Kinder früh und über einen längeren Zeitraum zu fördern“, erklärt sie. Die Lesekompetenz will der Verein „Mentor – Die Leselernhelfer Essen“ fördern, der 187 Mitglieder hat und Kinder zwischen sechs und 16 Jahren an 30 Essener Schulen in einer Eins-zu-eins-Betreuung fördert. „Die Kinder werden über ein Jahr begleitet, sodass sich eine enge Bindung zwischen Mentor und Kind entwickelt“, so die Vorsitzende Thea Kuttler.

Jugendliche zwischen Arbeit und Beruf in Essen: „Wir brauchen Vorbilder“

Am Ende der „Altersskala“ stehen Projekte wie die des Vereins „Paten für Arbeit in Essen“ und der Joblinge gAG Ruhr, die junge Menschen im Übergang von der Schule in den Beruf begleiten und gegen Jugendarbeitslosigkeit kämpfen. „Einige Jugendliche haben Probleme in den Schulfächern, andere etwa mit Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit“, erklärt Anne Koch von den „Paten für Arbeit“. Wieder andere hätten Top-Noten, es hapere aber im zwischenmenschlichen Bereich.

Engagieren sich für Chancengleichheit: Die verschiedenen Initiativen des Patenschaftsnetzwerks der Ehrenamt Agentur Essen.
Engagieren sich für Chancengleichheit: Die verschiedenen Initiativen des Patenschaftsnetzwerks der Ehrenamt Agentur Essen. © FUNKE Foto Services | Jonas Richter

Zu den Joblingen kommen beispielsweise junge Menschen, die zwar einen Schulabschluss gemacht, dann aber keine Ausbildungsstelle gefunden haben. „Sie sind im Durchschnitt 21 Jahre alt, der Schulabschluss ist schon drei Jahre her“, schildert Geschäftsführer Raphael Karrasch. Häufig handele es sich um junge Erwachsene aus schwierigen sozioökonomischen Verhältnissen, deren Eltern oder sogar Großeltern schon im Leistungsbezug waren. „Hier brauchen wir Vorbilder“, so Karrasch. Sehe ein junger Mensch, dass sein Mentor durch seinen Job viel stärker in die Gesellschaft eingebunden sei und sich mehr leisten könne, dann motiviere das.

Ehrenamt Agentur Essen will Austausch der Initiativen weiter pflegen

Von der anderen Seite betrachtet Katharina Biermann, Lehrerin an der Förderschule Parkschule im Essener Norden, die Angebote des Patenschaftsnetzwerkes. Die Kinder und Jugendlichen, die sie unterrichtet, stammen häufig aus bildungsfernen Familien mit wenig Geld, sind teilweise aufgrund ihrer Fluchterfahrung traumatisiert. „Die Bedarfe werden größer und die Personallage schlechter“, schildert sie. Deshalb suche die Schule aktiv Ehrenamtliche, die die Kinder vor Ort in der Klasse unterstützen, ihre Lesekompetenz fördern und älteren Schülerinnen und Schülern bei der Berufsorientierung helfen.

Erika Uhe von den Awo-Kinderchancen sagt: „Aus meiner Erfahrung als Berufsschullehrerin weiß ich, dass es wichtig ist, Kinder früh und über einen längeren Zeitraum zu fördern.“
Erika Uhe von den Awo-Kinderchancen sagt: „Aus meiner Erfahrung als Berufsschullehrerin weiß ich, dass es wichtig ist, Kinder früh und über einen längeren Zeitraum zu fördern.“ © FUNKE Foto Services | Jonas Richter

In Zukunft will das Patenschaftsnetzwerk laut Janina Krüger, Geschäftsführerin der Ehrenamt Agentur, weiter den Austausch der verschiedenen Initiativen pflegen. Im Gespräch ist die Frage, ob man eine gemeinsame Geschäftsstelle aufbauen will. Außerdem will das Netzwerk noch sichtbarer werden, sowohl als Sprachrohr gegenüber Entscheidungsträgerinnen und -trägern in Politik und Verwaltung als auch gegenüber der Zielgruppe: den betroffenen Familien, Kindern und Jugendlichen wie auch den Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtlern. Letztere zu akquirieren, da sind sich alle einig, sei die größte Herausforderung.

Mehr Informationen gibt es auf der neu geschalteten Website www.patenschaftsnetzwerk-essen.de. Interessierte und Engagierte erreichen für Fragen und Anregungen Angie Landes (0201 839 149 0 und info@ehrenamtessen.de).

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