Emmerich-Dornick. Die Pegel am Niederrhein steigen. Bei Dornick klafft aktuell eine Deichlücke von 500 Metern. Wie man im Notfall handeln wird.
Die Pegelstände des Rheins kennen in den nächsten Tagen nur eine Richtung: nach oben. Die gewaltigen Wassermassen, die in Bayern und Baden-Württemberg zu schweren Überschwemmungen geführt haben, werden nach und nach auch über den Niederrhein abfließen. Seit Dienstag meldet die Hochwasserzentrale bereits einen deutlichen Anstieg um fast einen Meter. Bis Freitag wird voraussichtlich ein weiterer Meter hinzukommen. Der Pegel Emmerich wird dann bei gut 6,30 Meter liegen.
Obacht beim Deichbau in Dornick
Für Holger Friedrich, Geschäftsführer des Deichverbandes Bislich-Landesgrenze und zugleich Sprecher aller Deichverbände am Rhein, ist das noch kein Grund, feuchte Hände zu bekommen. Aber man sei auf der Hut, so der Geschäftsführer. Die aktuelle Baumaßnahme zwischen Emmerich und Dornick werde genau beobachtet. Auf einer Länge von 500 Metern fehlt der komplette Banndeich, weil er neu gebaut wird. „Für diese Baustelle gibt es einen Alarmplan“, so Friedrich. Im Notfall könne auf einer Länge von 500 Metern schnell ein Notdeich errichtet werden. Ab einem Pegelstand von 7 Metern in Emmerich werde es interessant. Dann stehen die ersten Baustraßen unter Wasser.
Das Jahr 2024 ist für den Deichverband bisher ein außergewöhnliches Jahr. Nicht nur, dass ein eher seltenes Sommerhochwasser die Republik in Atem hält, auch die Grundwasserstände sind seit November enorm hoch. „Wir haben hier Baggerlöcher, die laufen über“, sagt Friedrich. Und der Deichverband muss seit November eine wichtige Arbeit im Verborgenen leisten: Wasser abpumpen, damit Gräben, Felder, Straßen und Keller im Deichpolder nicht volllaufen. Derzeit könnten die Löwenberger Landwehr oder der Spoykanal in Kleve nicht ohne Hilfe über den Rhein entwässern.
Viel Wasser in den Gräben und Baggerlöchern
Vor allem im Hinterland habe sich enorm viel Wasser angesammelt, sagt Friedrich. Die Gräben sind voll, auf den Feldern stehen Pfützen und so mancher Keller ist vollgelaufen – mitten im Sommer. Der Deichbau sei bisher nicht entscheidend behindert worden, aber Friedrich bemängelt, dass bei der Hochwasservorsorge immer noch alles viel zu lange dauere. Seit 1990 wisse man, was zu tun sei, und im Jahr 2024 freue man sich diebisch, wenn die Bezirksregierung einen Planfeststellungsbeschluss bringe. Das sei schon kurios. Weniger Bürokratie und schnellere Entscheidungen seien notwendig: „Ich muss jetzt nachweisen, welche chemischen Auswirkungen der Deichbau in Dornick auf den Rhein hat. Haben wir sie noch alle?“
Ende des Jahres soll der Deich bei Dornick fertig sein, 15 Millionen Euro werden hier verbaut. Und der Zeitplan steht. „Mehr Wasser brauchen wir aber auch nicht“, sagt Friedrich. In nassen Lehmschichten könne man nicht arbeiten, im Sand schon eher. Deshalb sehen die Deichverbände das Sommerhochwasser auch mit Argwohn: Sommerzeit ist Bauzeit, da müssen Meter gemacht werden, um die Deiche fit zu machen. Weitere Verzögerungen durch Wetterkapriolen sind da das Letzte, was sich die Deichverbände wünschen.
Holländer blicken kritisch nach Deutschland
Ein weiteres Ärgernis ist das viele Treibholz im Rhein. Die Deichverbände und Grundstückseigentümer haben es wegen des vielen Regens oft nicht geschafft, das Holz aus dem Deichvorland zu entfernen. Das rächt sich jetzt. Friedrich plädiert dafür, auch in Auwäldern regelmäßig Totholz zu entfernen, damit Baumstämme oder große Äste bei Hochwasserabflüssen von 15.000 Kubikmetern pro Sekunde nicht zu Geschossen werden. Derzeit liege der Abfluss bei 5000 Kubikmetern pro Sekunde. Da sei das Totholz verschmerzbar, aber alles andere als optimal.
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In der niederländischen Presse wird bereits diskutiert, ob Deutschland zu wenig für den Hochwasserschutz tut. Immer noch werde in Überschwemmungsgebieten gebaut, immer noch werde zu langsam gebaut und immer noch werde dem Fluss zu wenig Raum gegeben. Alles Kritikpunkte, die Friedrich unterschreiben kann. Sein Deichverband versuche, wo es möglich ist, den Deich zurückzuverlegen. Allerdings müsse man auch sehen, dass Rückverlegungen gerade am Oberrhein sinnvoll seien. „Wir gehören hier eigentlich schon zum Rheindelta“, so der Deichgräf. Bei Abflüssen von 15.000 Kubikmetern pro Sekunde würde eine Deichrückverlegung von wenigen Metern nicht mehr viel am Hochwassergeschehen ändern. Dennoch seien Deichrückverlegungen an allen Stellen des Rheins sinnvoll und wichtig, so Friedrich.