Kreis Kleve. Im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit sind die Fahrgastzahlen beim Night Mover drastisch eingebrochen. Was wohl dafür verantwortlich ist.
Stefan Vollert sagte im Verkehrsausschuss der Kreises Kleve unmissverständlich: „Es gibt kein Problem mit der Sicherheit beim Night-Mover. Jeder, der in ein Taxi einsteigt, muss in der App registriert sein.“ Der Mann muss wissen, wovon er redet, denn er ist Sprecher der Interessengemeinschaft der Kreis Klever Taxiunternehmen. Er vertritt damit zwölf Betriebe mit rund 635 Mitarbeitern.
Die App-Plus-Mobile-Entwickler, Tobias Distelkamp und Oliver Schuster, stellten die technischen Abläufe vor. Und sie brachten auch konkrete Zahlen mit: „Aktuell sind 6000 App-Benutzer registriert“, erläuterte Schuster, wobei er bemerkte, die Zahl sei schon bereinigt von ursprünglich über 8000 Registrierungen.
Dann sagte er einen entscheidenden Satz: „Bei Identität sind wir der politischen Forderung gefolgt, einen einfachen und auch spontanen Zugang zu bieten. Eine Registrierung erfolgt mit Name, Adresse und Geburtsdatum.“ Theoretisch wäre Identitätsdiebstahl denkbar, aber die Daten würden vom Kreis stichprobenartig überprüft.
„Wir stehen in engem Austausch mit den beteiligten Taxiunternehmen“, ergänzte Schuster, der vor keinen größeren Problemen berichtet: „Wir haben mittlerweile auch eine verbesserte Offline-Funktion.“
Nur noch rund ein Zehntel nutzen den Night-Mover im Vergleich zu 2029
Stefan Vollert, der zugleich Geschäftsführer bei Taxi Niederrhein ist, fügte Konkretes zur Night-Mover-Nutzung hinzu: „Es gibt nicht nur bei uns einen sehr starken Rückgang, auch alle anderen Betriebe sagen, die Night-Mover-Zahlen sind deutlich zurückgegangen.“ Seine Taxis sind als Night-Mover in Kranenburg, Kleve, Bedburg-Hau und Kalkar unterwegs. Hier fuhren in den Jahren 2018 und 2019 jeweils zwischen 15.000 und 16.000 junge Menschen mit dem Night-Mover. 2022 waren es gerade mal 135 und im vergangenen Jahr 174 Heranwachsende.
Dies habe diverse Gründe, so Vollert. Dann listete er diese Aspekte auf: „Das Passwort ist zu kryptisch und wird von den Nutzern auch schonmal vergessen – gerade dann, wenn sie 15 Bier getrunken haben.“ Wenn in einem Großraumtaxi hinten die Türe aufgehe und Gäste herausspringen, ohne sich mit der App auszuloggen, sei das ein Problem. „Das sind Dinge, die man deutlich vereinfachen könnte. Dazu stehen wir aber im regelmäßigen Austausch mit der Verwaltung, den Taxiunternehmern und den App-Anbietern.“
Verändertes „Feier-Verhalten“ der Jugendlichen erkennbar
Hinzu käme ein verändertes „Feier-Verhalten“ der Jugendlichen. Es gebe nicht mehr so viele Diskos und Clubs, einige Lokale hätten geschlossen, weil sie Corona nicht überlebt hätten. Das führe laut Vollert zu deutlich weniger Fahrten: „Die Jugendlichen treffen sich zu Hause, bei Freunden und gehen eigentlich gar nicht mehr auf die Straße. Und sie lassen sich von Mama und Papa abholen oder jemand bleibt nüchtern und fährt dann die anderen nach Hause.“ Die Inflation spiele sicherlich auch eine Rolle.
Dann nennt der Taxi-Unternehmer einen weiteren Aspekt: „Wir haben auch ein zusätzliches Mobilitätsangebot in der Stadt Kleve, nämlich das Kleve-Mobil, welches wir im Auftrag der Niag befahren. Da haben wir gerade am Freitag-, Samstag- und Sonntagabend sehr hohe Nutzerzahlen, gerade in dem Alterssegment, in dem die Leute den Night-Mover nutzen könnten.“ Auch die X-Bus-Linien, die deutlich länger fahren, dürften eine Rolle spielen. Letztlich habe seine Branche auch weniger Taxis auf der Straße.
So hatten wir bisher berichtet:
Die FDP-Kreistagsfraktion ist verwundert und besorgt, nachdem durch Taxi Vels aus Emmerich bekannt wurde, dass Betrugsmöglichkeiten bei der Abrechnungssoftware des Night-Movers bestünden. Taxi Vels habe daraufhin den Vertrag mit dem Kreis Kleve zur Verwendung des Night-Movers 2.0 aufgekündigt. „Bisher hat die Kreisverwaltung jeglichen Hinweis unsererseits, dass die App für den Night-Mover verbessert werden sollte, negiert. Wir fragen uns nun, ob diese Reaktionen wirklich adäquat waren“, erklären die Liberalen ihre am Dienstag gestellte Anfrage an den Landrat.
Kritischer Blick auf die Entwicklung der Nutzerzahlen
Bereits seit Januar 2022 mit einer ersten Anfrage blickt die FDP Kreistagsfraktion regelmäßig kritisch auf die Entwicklung der Nutzerzahlen des Night-Movers. Aus Sicht der FDP ist die Funktionsfähigkeit der App ein Grund für die konstant niedrigen Nutzerzahlen. „Ich erlebe es nachts selbst und auch die Taxiunternehmen berichten uns, dass die App nachts häufig nicht funktioniert oder die Fahrten nicht an den Kreis übermittelt, weil die App nicht richtig lädt oder wir im Kreis Kleve durch ein Funkloch fahren“, erklärt der 21-jährige Luca Kersjes, der auch sachkundiger Bürger für die FDP-Kreistagsfraktion ist.
Laut FDP verkenne die Kreisverwaltung die Problemlage völlig. Wenn aufgrund der App die Fahrten im Taxi nicht an die Kreisverwaltung übermittelt werden, dann liegt das Problem bei der App und nicht bei den Taxiunternehmern. „Die Problemlage wird von der Kreisverwaltung nicht einmal erkannt. Das macht mich fassungslos und ist ein Tritt in das Gesicht junger Menschen. Statt den Taxiunternehmern Betrug vorzuwerfen, sollte die Kreisverwaltung sich dringend mit dem App Entwickler auseinandersetzen und auf Besserungen drängen“, teilt Kersjes weiter verärgert mit.
Umfassenden Fragenkatalog erstellt
Zu den dargestellten Schilderungen von Vels und der Kreisverwaltung zu der Vertragsaufkündigung hat die FDP-Kreistagsfraktion einen umfassenden Fragenkatalog erstellt. Neben dem Zeitpunkt, wann erste Verdachtsmomente, als auch gesicherte Erkenntnisse zu der beziehungsweise den Betrugsmöglichkeit/-en der Verwaltung bekannt waren, wünschen die Liberalen Auskünfte zur Information an die Taxiunternehmer im Kreis Kleve.
Dazu wird auch die Anzahl der Betrugsfälle und der Rückzahlungsforderungen erfragt. „Warum wurden in diesem Zusammenhang Taxiunternehmer zu Rückzahlungen verpflichtet? Wie wird der für das beziehungsweise die Taxiunternehmen entstandene Schaden, der nicht durch den beziehungsweise die Taxiunternehmen selbst verursacht wurde, ausgeglichen?“, sind weitere Themenaspekte, die die FDP erklärt haben möchte.
FDP sieht Kreisverwaltung eindeutig in der Pflicht zur Aufklärung
„Wann ist mit einer Überarbeitung der Software zu rechnen?“, hinterfragt der FDP-Fraktionsvorsitzende Prof. Dr. Ralf Klapdor kritisch die Aufarbeitung und Beseitigung der Mängel. In diesem Zusammenhang verweist Klapdor auch auf eine Antwort der Kreisverwaltung zur letzten Anfrage der FDP. Laut Kreisverwaltung sei „[d]ie App […] deutlich weniger missbrauchsanfällig. Durch die technischen Rahmenbedingungen sind die Kontrollmöglichkeiten auf Seiten der Taxiunternehmen und der Kreisverwaltung deutlich gestiegen.“1 Daraus ergeben sich für Klapdor weitere Fragen: „Waren in der Vergangenheit bereits Missbräuche höheren Ausmaßes bekannt im Vergleich zu den nun Vorliegenden? Oder wie begründet sich die Bewertung der Kreisverwaltung?“
Abschließend sehen Klapdor und Kersjes die Kreisverwaltung eindeutig in der Pflicht zur Aufklärung und Beseitigung der aktuellen Schwierigkeiten und Unstimmigkeiten sowie Umsetzung von weiteren Maßnahmen, um die Nutzerzahlen des Night-Mover zu verbessern. Der Night-Mover ist ein Zuschuss für junge Menschen im Alter von 16 bis 26 Jahren für Taxifahrten am Wochenende. Der Night-Mover wurde dabei als Maßnahme der Unfallprävention eingeführt und hat sich zwischenzeitlich hoher Beliebtheit erfreut. Nach der Pandemie sind die Nutzerzahlen eingebrochen und haben sich nicht wieder erholt. Der Kreis Kleve ist gleichzeitig Spitzenreiter bei Verkehrstoten in ganz NRW.
>>> So berichtete die NRZ von der Stellungnahme des Kreis Kleve
Aufgrund der öffentlichen Darstellung, eine Software-Schwäche habe zum Ausscheiden von Taxi Vels aus Emmerich aus dem Angebot Night-Mover des Kreises Kleve geführt, stellt der Kreis Kleve klar: Es gibt aktuell keine Software-Probleme bei der App, die eine Möglichkeit zum Betrug bieten.
Der Betrieb des Night-Mover durch die teilnehmenden Taxiunternehmen ist unverändert problemlos möglich. Vielmehr kam es bei stichprobenartigen Kontrollen des Kreises Kleve bei der Abrechnung zu Rückfragen zu einzelnen Fahrten des betroffenen Unternehmens. Diese konnten durch das Unternehmen nicht widerspruchsfrei beantwortetet werden. Daraufhin hat der Kreis Kleve eine entsprechende Rückzahlung für die gewährten Zuschüsse veranlasst.
Kündigung von Taxi Vels ist Einzelfall
Die aus Emmerich ausgesprochene Kündigung ist ein Einzelfall. Es liegt dem Kreis Kleve keine weitere Kündigung oder Ankündigung zur Kündigung weiterer Taxiunternehmen vor.
Der Kreis Kleve hat alle teilnehmenden Unternehmen bereits darüber informiert, dass keine Sorge vor Betrugsfällen besteht. Zeitgleich steht der Kreis Kleve auch mit dem betroffenen Unternehmer aus Emmerich in Kontakt, um die bestehende Verfahrensweise zu verbessern, den Night-Mover zu optimieren und gegebenenfalls die Kooperation fortzusetzen.
Keine technischen Einschränkungen
Für die Nutzer des Night-Mover ergeben sich keine technischen Einschränkungen. Die teilnehmenden Taxi- und Mietwagenunternehmen befördern die Jugendlichen und jungen Erwachsenen auch in Zukunft sicher nach Hause. Weitere Informationen zum Angebot finden Interessierte auf der Internetseite des Kreises Kleve www.kreis-kleve.de (Suchbegriff Night-Mover). Dort findet sich auch ein Erklärfilm zur Nutzung.
>>> So berichtete die NRZ ursprünglich
Bei Taxi Vels können seit dem 1. Mai keine Night-Mover Tickets mehr eingelöst werden. Das teilt das Unternehmen aus Emmerich nun mit.
Unternehmen zur Rückzahlung verpflichtet
Die Begründung: Anfang April wurde bekannt, dass die Software zur Abrechnung der Night-Mover die Möglichkeit zum Betrug bietet. In dem zugrunde liegenden Fall wurde das Unternehmen zur Rückzahlung verpflichtet, obwohl es selbst den Schaden weder verursacht noch daraus einen finanziellen Vorteil gehabt hätte.
Das Risiko, so Taxi Vels, liege also beim Unternehmen, obwohl es selbst keine Möglichkeit zur Kontrolle habe. Um weitere Schäden zu vermeiden, wurde der Vertrag gekündigt. Gespräche über Verbesserungen der Software und anschließender Neuaufnahme finden jedoch bereits statt.
Sichere Heimfahrt für Kinder und Jugendliche
Zum Hintergrund: Der so genannte Night-Mover 2.0 im Kreis Kleve ermöglicht Jugendlichen und jungen Erwachsenen eine sichere Heimfahrt mit einem Taxi- oder Mietwagenunternehmen. Bei einer Fahrt mit einem der teilnehmenden Taxi- und Mietwagenunternehmen wird pro berechtigter Person ein Betrag von acht Euro vom Fahrpreis abgezogen.
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Nutzen können den Night-Mover Jugendliche und junge Erwachsene, die zwischen 16 und 26 Jahre alt sind und die mit einem der teilnehmenden Taxi- oder Mietwagenunternehmen von einer Veranstaltung innerhalb oder außerhalb des Kreises Kleve zu ihrer Wohnadresse im Kreis Kleve gebracht werden möchten.
Im Februar dieses Jahres beteiligten sich 24 Unternehmen am Night-Mover. Wobei Taxi Vels nun – vorerst – von der Liste gestrichen werden kann.