Emmerich. „Wir sind das Amazon Prime von Essity“: Das Unternehmen liefert schnell und bemüht sich, ein Tabu-Thema alltagstauglich zu machen.

Zunehmend wird das Tabu gebrochen. Kompressionen zu tragen, das mag vielleicht nicht total sexy sein, aber es hilft Menschen mit chronischen Krankheiten. Ob Lymphödem, Lipödem oder Phelobologie – das sind Volkskrankheiten. Und Kompressionsstrümpfe und Co. helfen.

In Emmerich wird Jobst produziert

Die Firma Essity in Emmerich, Teil des weltweit führenden Hygiene- und Gesundheitsunternehmen mit Hauptsitz in Stockholm, liefert passende Produkte, die das Wohlbefinden dieser Menschen steigern. Und es wird sehr schnell geliefert. Bei einer Werksführung zeigten Geschäftsführer Istvan Takacs und seine Mitarbeiter jetzt, wie das Unternehmen das hinbekommt.

Geschäftsführer Istvan Takacs führte mit seinen Kollegen durch das Emmericher Werk von Essity.
Geschäftsführer Istvan Takacs führte mit seinen Kollegen durch das Emmericher Werk von Essity. © FUNKE Foto Services | Thorsten Lindekamp

Essity steckt in vielen bekannten Produkten. Von Tempo und Zewa bis Leukoplast und Tena. An der Beiersdorfstraße in Emmerich dreht es sich um Jobst, die Kompressionsversorgung für die ganze Welt, wobei Deutschland mit 41,7 Prozent den größten Markt ausmache. „Wir produzieren hier nicht nur am Standort, wir pflegen auch einen engen Draht zu den Kunden und wir entwickeln hier vor Ort“, schilderte der Ungar Takacs.

5000 bis 20.000 Pakete gehen pro Tag raus

Essity ist zwar unheimlich stark digitalisiert, aber trotzdem ist viel Handarbeit nötig. Hier eine Näherin.
Essity ist zwar unheimlich stark digitalisiert, aber trotzdem ist viel Handarbeit nötig. Hier eine Näherin. © FUNKE Foto Services | Thorsten Lindekamp

Das hauseigene Logistikzentrum verschicke täglich 5000 bis 20.000 Pakete, so Takacs: „Wir sind extrem digitalisiert. Von 10.000 Aufträgen sind 4000 im Maßgeschäft mit individuellen Fertigungen. Durchschnittlich liefern wir die Ware in anderthalb Tagen. Wir sind das Amazon Prime von Essity“, vergleicht der Geschäftsführer. Gerade bei Kliniken sei eine pünktliche Lieferung sehr wichtig. Die Kunden seien begeistert vom Essity-Tempo. Wer als VIP-Kunde geführt wird, wird noch schneller beliefert. Allein dieser Bereich mache 4000 bis 5000 Lieferungen am Tag aus, so Takacs.

320 Mitarbeiter arbeiten dafür in drei Schichten 24 Stunden von Montag bis Freitag; am Wochenende kommen praktisch keine Aufträge. 210 modernste Flachbett- und Rundstrickmaschinen hält Essity vor. „Das klingt viel, ist aber im Vergleich zu der Textilindustrie nicht so groß.“

Das sind die Kranheitsbilder

Beim Lymphödem wird oft nach Verletzungen oder bei einer Strahlentherapie das Lymphsystem geschädigt. Es sammelt sich Flüssigkeit an. Es ist eine chronische Krankheit, die Schwellungen (Ödem) zur Folge hat. Das ist überall am Körper möglich. Kompressions-Produkte sind zentral bei der Entstauungstherapie.

Das Lipödem ist eine Entzündung des Fettgewebes bei Frauen. Meist sind beide Beine gleichermaßen betroffen von vermehrtem Fettgewebe. Die Ursache ist unklar und es betrifft zu 80 Prozent übergewichtige Frauen. Die Kompression hat hier in Kombination mit Bewegung eine antientzündliche Wirkung. Hier kommen oft maßgefertigte Strümpfe in Frage.

Bei der Phlebologie handelt es sich um eine Erkrankung der Venen, die jeden sechsten Mann und jede fünfte Frau betrifft. Eine Volkskrankheit. Die Venen sind chronisch insuffizient. Schwellungen in den Beinen oder Besenreiser sind oft die Folge. Die Verengung der Venen durch eine Kompression ist in der Therapie nicht wegzudenken.

Trotz hoher Digitalisierung: Viel wird mit der Hand gemacht

Für die Phebologie wird meist in Standardgrößen rundgestrickt, patentiert ohne Nähte. Essity hält 40.000 verschiedene Artikel vor. Das Volumen macht am Emmericher Werk 60 Prozent aus und generiert 40 Prozent des Umsatzes. Genau umgekehrt sind die prozentualen Verhältnisse bei den flachgestrickten Kompressionen für die Lymphologie. „Sie sind hauptsächlich maßgefertigt“, sagt Istvan Takacs.

Die beiden Influencerinnen Louisa „Healthy Mandy“ (li.) und Janina Gierke tragen Kompressionen. Auch sie schauten sich im Emmericher Werk um.
Die beiden Influencerinnen Louisa „Healthy Mandy“ (li.) und Janina Gierke tragen Kompressionen. Auch sie schauten sich im Emmericher Werk um. © FUNKE Foto Services | Thorsten Lindekamp

Ja, Essity ist digitalisiert. Die Maschinen steuern die eingehenden Aufträge. Ein enormer Durchlauf. Das Unternehmen weiß immer, welche Bestellung sich gerade wo und in welchem Stadium befindet. Aber ganz viel muss eben doch per Hand gemacht werden, um die Qualität zu sichern und um die Schnelligkeit gewährleisten zu können. Das frühzeitige Erkennen von Produktionsfehlern ist Gold wert. Entsprechend hat Essity seine Prozesse sehr optimiert.

Hohe medizinische Kompetenz

Auch der Service wird in Emmerich geboten. Essity spricht hier aber eher mit den Sanitätshäusern oder Apotheken, die wiederrum die Endkunden betreuen. „Wir sind lange am Markt und haben eine hohe medizinische Kompetenz. Wir sind Ansprechpartner für komplexe Beratungen“, schildert Malte Schmidt, National Sales Manager. Mit einer guten Beratung sitze die Kompression bestenfalls sofort.

210 Maschinen stehen bei Essity. Hier ist ein Mitarbeiter an einer flachstrickenden Maschine.
210 Maschinen stehen bei Essity. Hier ist ein Mitarbeiter an einer flachstrickenden Maschine. © FUNKE Foto Services | Thorsten Lindekamp

Übrigens sieht Essity in seinem Portfolio einen „Hidden Champion“. Die Produkte für die Nachtversorgung, um die Kompressionserfolge des Tages zu erhalten, seien noch nicht erstattungsfähig, so Schmidt, aber es handele sich um eine „gutes, innovatives Produkt“, das sich wohl im Markt etablieren wird.

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Es gibt freie Stellen

2017 spaltete sich BSN Jobst ab vom SCA Konzern (ursprünglich ein Forstunternehmen) und wurde zu Essity. Acht Millionen Euro wurden in den Standort Emmerich investiert; auch eine Lagerhalle wurde hier gekauft. Großen Wert legt Essity schon historisch auf Nachhaltigkeit. Bis 2050 soll das Ziel der Netto-Null-Emissionen erreicht werden. Personal wird noch gesucht in der Produktion, in der Logistik und im Innendienst. Näher, Stricker, Logistiker und Co. können sich gerne bewerben.