Emmerich/Bocholt. Wasserstoff-Leitung von Emmerich bis Bocholt essenziell für die künftige Energie- und Wärmeversorgung: Unternehmer müssen 2024 Bedarfe anmelden.

Es liegt noch so fern und ist doch so nah. „2030 ist übermorgen“, verdeutlicht es Steffen Borth, Geschäftsführer der Stadtwerke Emmerich, bei einer Info-Veranstaltung zum Thema Wasserstoffversorgung bei der IHK in Bocholt. Denn schon im ersten Quartal 2024 ist eine Abfrage bei den Unternehmen zu erwarten, welchen Bedarf an Wasserstoff sie perspektivisch haben werden.

Für Emmerich ist die Lage komfortabel. Denn die bestehen Erdgasleitung von Thyssengas läuft aus dem Ruhrgebiet kommend bis Kleve, quert da den Rhein nach Emmerich und führt dann in Richtung Niederlande. Diese Leitung soll zur H2-Leitung umgewandelt werden und ist Teil des bundesweiten Kernnetzes.

Steffen Borth: „Die Leitung muss für die Region kommen“

In einem zweiten Schritt geht es aber um die Unterverteilung. Hierfür soll eine H2-Leitung von Emmerich bis Bocholt errichtet werden. Und genau dafür ist die Bedarfsabfrage als Indikator so wichtig. Auf dieser Basis wird die Bundesnetzagentur über die Genehmigung entscheiden. „Die Leitung muss für die Region kommen“, unterstreicht Steffen Borth. Wasserstoff wird als Zukunftstechnologie in der Energie- und Wärmeplanung gebraucht, um die Dekarbonisierung zu schaffen: „Es wird der größte Transformationsprozess der Gaswirtschaft.“

Die Leitung würde gerade in Emmerich sehr nah an viele Industriebetriebe heran kommen.
Die Leitung würde gerade in Emmerich sehr nah an viele Industriebetriebe heran kommen. © Stadtwerke Emmerich

Die Abfrage für die Unternehmen werde wohl über ein Portal im Internet laufen, meinte Dr. Marc Fiebrandt, Referent Marktentwicklung grüne Gase bei Thyssengas. Natürlich werden sich viele Unternehmen schwer tun, die tatsächlichen Bedarfe auf den Punkt zu bringen. Aber die Angaben werden erstmal nicht bindend sein, versichert Borth. Und es werde auch erfasst, in welcher Phase den Entwicklung man sich befinde, ergänzte Fiebrandt. Relevant ist auch der künftige Umgang mit Methan bei den Unternehmen: Werden hier Kapazitäten frei? Oder wird Wasserstoff zusätzlich zum Erdgas gebraucht?

H2-Tankstellen vor Ort werden gebraucht

Ob Industrie, Logistik, Hafenbetrieb, Kupferproduzent, Chemiewerke, Kosmetikhersteller – H2 wird langfristig für so viele Branchen wichtig sein. Auch Tankstellenbetreiber vor Ort sind gefragt – Kuster Energy hat da ja schon Interesse gezeigt –, damit die Industriefahrzeuge vor Ort H2 tanken können. Für den Standort wird das Gelingen der Transformation sehr wichtig sein: „Ohne Klimaneutralität wird die Industrie ins Ausland abwandern“, verdeutlicht der Stadtwerke-Geschäftsführer.

Häufig wird nach dem Preis von Wasserstoff gefragt. Schwieriges Thema. Erste Studien gehen von 4,50 Euro pro Kilo ab 2030 aus; eine grobe Rechnung, die aber deutlich mache, es werde teurer als Erdgas heute, so Fiebrandt. Aber Borth macht deutlich: „Der Erdgaspreis wird irgendwann explodieren.“ Weil der CO2-Preis weiter als fossiles Gas besteuert wird.

Die Umstellung wird zwischen 2027 und 2030 schrittweise beginnt. Allerdings wird das in Emmerich frühestens 2030 möglich sein, da die L-Gas-Leitung bis dahin noch mit Abnehmern belegt ist.

Wer zahlt die Leitung bis zum Unternehmen und was kostet das?

Zum Thema Kosten ergänzte Dr. Eckhard Göske, Fachpolitischer Sprecher Industrie, Forschung, Innovation und Informationstechnologie der IHK Nord Westfalen, dass noch zu klären sei, was die Leitungen bis zu den Unternehmen kosten und wer das zahlt. Die bisher gerne verfolgte Politik der Subventionierung habe das Bundesverfassungsgericht kürzlich auf den Kopf gestellt. Da müsse ein anderer Weg gefunden werden.

Thema Wärme: Der Bau eines Nahwärmenetzes in der Emmericher City habe gezeigt, das ist mit hohen Kosten verbunden und darf nicht als Wunderheilmittel der künftigen Wärmeversorgung gesehen werden. „Es ist nicht zu bezahlen“, sagt Borth. Wasserstoff als grünes Gas wird den Erneuerbaren Energien zugerechnet, die der Gesetzgeber in der Wärmplanung sehen möchte; bis 2045 sogar zu 100 Prozent. Steffen Borth sieht H2 hier sogar führend für die Wärmeversorgung.

Marc Fiebrandt, Referent Marktentwicklung grüne Gase bei Thyssengas, beim Vortrag über eine mögliche Wasserstoff-Leitung von Emmerich nach Bocholt.
Marc Fiebrandt, Referent Marktentwicklung grüne Gase bei Thyssengas, beim Vortrag über eine mögliche Wasserstoff-Leitung von Emmerich nach Bocholt. © NRZ | mavi

Auch Anbindung zu Rees und Isselburg denkbar

Emmerich ist in der Planung schon gut dabei. Auch Banken werden in die Gespräche eingebunden. Denn die Finanzierung des Wandels ist ein Herausforderung. Dauerhaft wäre auch eine Anbindung von Rees und Isselburg an die Verbindung Emmerich-Bocholt denkbar. Aber das steht noch nicht im Fokus, wie Borth erklärt.

>> Emmerich als Schnittstelle zu den Niederlanden

Thyssengas sorgt für den Wasserstoff-Transport, die Player vor Ort organisieren den Vertrieb. Der Wasserstoff kommt aus vielen Nachbarländern, vor allem aus dem Norden. Thyssengas wird von dem 9700 km langen Kernnetz etwa 1000 km übernehmen. 60 Prozent des Kernnetzes kann durch die Umwandlung bestehender Leitungen errichtet werden, erklärte Dr. Marc Fiebrandt. Der Rest wird neu gebaut.

Die Umsetzung werde sukzessiv erfolgen. Ab 2025 könnten erste Teile in Betrieb gehen. Bis 2032 soll alles stehen. Je mehr dazu komme, desto resilienter werde das Wasserstoffnetz, das auch selbst den Speicher darstelle, so Fiebrandt. Die Versorgung mit Erdgas wird zunächst parallel aufrecht erhalten. Forciert werde auch die Verbindung in die Niederlande, die den Wasserstoff sehr vorantrieben – hier ist die Schnittstelle Emmerich natürlich wichtig.