Emmerich. Mit „Embrica historia“ hat die Stadt Emmerich in 2022 eine Online-Zeitschrift etabliert. Diese zwölf Berichte hat der Stadtarchivar aufbereitet.

Schon mal was über die Betrugsaffäre Walter Derksen gelesen? Oder vom Schweizer Dorf in Emmerich? Vielleicht ist manch einem in Emmerich der Fettforscher Dr. Wilhelm Normann ein Begriff. Dass es eine Groep Emmerich der sogenannten Schanzer nach dem Zweiten Weltkrieg gab, ist nicht bekannt?

Die Stadt Emmerich hat seit Anfang 2022 eine Online-Zeitschrift „Embrica historia“ ins Leben gerufen. Hier finden historische interessierte Bürger monatlich „kleine, bunte Randgeschichten aus Emmerich, die vor 25, 50, 75 oder 100 Jahren geschehen sind“, so Stadtsprecher Tim Terhorst. Manch ein Beitrag ist gar noch älteren runden Datums.

Es begann mit dem Gedanken, mehr Öffentlichkeitsarbeit zu leisten. Mit dem Stadtarchivar Mike Mura wurde dann die Idee entwickelt, an jedem ersten Donnerstag im Monat für den städtischen Facebook-Kanal einen netten, kleinen historischen Beitrag zu verfassen. „Throwback Thursday“ – also „Rückblick Donnerstag“ – heißt der Beitrag.

Stadtarchivar Mike Mura hat die Berichte für „Embrica historia“ aufbereitet.
Stadtarchivar Mike Mura hat die Berichte für „Embrica historia“ aufbereitet. © NRZ | Stadt Emmerich

Allerdings: „Sorgfältig, wie Herr Mura nun mal ist, will er die Beiträge wissenschaftlich aufbereitet haben“, verrät Terhorst. Entsprechend entwickelte sich neben den eigentlich kürzer gehaltenen Facebook-Beiträgen auch eine längere Version, die es als Online-Zeitschrift auf der Internetseite er Stadt Emmerich im Bereich Stadtarchiv zum Download gibt. Hier liefert Mura, ganz der Stadtarchivar, Beiträge mit Quellenangaben. „Wir überlegen, ob wir die Beiträge zu einem Jahresband zusammen fassen“, so Terhorst. Lesenswert sind die Beiträge durchaus.

>> Das sind die Beiträge aus 2022

Januar:Schweizer Dorf. Mithilfe der Schweizer Spende wurde 1947 die erstemöblierte Wohnbaracke von insgesamt 30 auf dem Gelände des Sportzentrums, westlich der Straße Am Klosterberg, fertiggestellt. Hilfsorganisationen hatten die Gelder nach dem Zweiten Weltkrieg zusammengetragen, um Menschen in Not zu helfen. Anfänglich fanden 90 Familien im sogenannten Schweizer Dorf eine Heimat. Bei der Auflösung 1962 waren noch elf Familien dort wohnhaft.

Das Schweizer Dorf in Emmerich wurde nach dem Zweiten Weltkrieg zur Linderung der Wohnungsnot in der durch Bombenangriffe stark zerstörten Stadt errichtet.
Das Schweizer Dorf in Emmerich wurde nach dem Zweiten Weltkrieg zur Linderung der Wohnungsnot in der durch Bombenangriffe stark zerstörten Stadt errichtet. © Stadtarchiv | Stadt Emmerich

Februar: Margarinestandort. Der Bericht handelt von der vor 100 Jahren letzten verbliebenen Margarinefabrik in Emmerich, der Rheinisch-Westfälische Margarinefabrik Dr. Max Boemer & Co. G.m.b.H. 1880 waren es noch acht Betriebe, die dem Geschäft mit der „Kunstbutter“ nachgingen.

März:Schwimmender Zirkus. Vor 150 Jahren ereignete sich beim Schwimmenden Zirkus von Theodor Lenz bei einem Trapez-Kunststück ein dramatischer Unfall. Ein 22-Jähriger verpasste im Flug die Füße des Partners, stürzte ins Fangnetz, aber mit diesem direkt zu Boden. Er verstarb. Oder doch nicht? Am Tag später wurde eine Richtigstellung veröffentlicht...

April:Betrugsaffäre Walter Derksen. Am 15. April 1897 wird der Stadtverordnete Walter Derksen verhaftet. Zu seinen diversen Ämtern gehörte auch jene des Rentmeisters für eine Waldung des Barons Lochner von Hüttenbach in Elten. Über Jahre hatte Derksen offenbar heimlich Abholzungen vornehmen lassen und sich selbst daran bereichert. Im Zuge der Ermittlungen kamen weitere Betrügereien ans Tageslicht...

Mai:Bürgermeister Dr. Johannes Alff. Vor 100 Jahren trat Dr. Johannes Alff sein Amt als Bürgermeister von Emmerich an. Der Bericht befasst sich mit den vorherrschenden Problemen seiner Amtszeit. Der Besetzung des Brückenkopfs durch belgische Truppen, weil nach dem Versailler Vertrag nach dem Ersten Weltkrieg Reparationszahlungen fällig waren. Oder die immens hohe Inflation.

Juni:Groep Emmerik. Am 24. Juni 1972 besuchte die Groep Emmerik ein letztes Mal die Stadt. Es handelt sich um sogenannte Schanzer; jene Niederländer, die die Nazis 1944 und 1945 zwangsdeportierten, um sie am Niederrhein Gräben, Tunnel und Co. errichten zu lassen. Die Emmericher taten – trotz drohender Strafen der Nazis – alles, um das Leid der Schanzer zu verringern; versorgten sie mit Lebensmitteln oder Medizin. In der Groep Emmerik organisierten sich ehemalige Schanzer, um ihren Wohltätern persönlich zu danken. Der Kontakt gewann eine gewisse Tradition.

Juli:„Secondhand“ für Emmerich – die alte Düsseldorfer Schiffbrücke. Vor 125 Jahren besuchte die Rheinschifffahrtskommission Emmerich. Die Emmericher sahen die Chance, die ausrangierte Düsseldorfer Schiffsbrücke nach Emmerich zu bekommen, wofür sich Regierungspräsident Georg von Rheinbaben ausgesprochen hatte. Daraus wurde leider nichts. Erst 1964 wurde dann die „Golden Gate vom Niederrhein“ eröffnet – eine neue Rheinbrücke.

August: Jugendzeltlager in Mehr. Im August 1947 waren die Alltagssorgen groß. Die Folgen des Zweiten Weltkrieges waren noch groß. Deshalb wurde für die Kinder ein Zeltlager in Rees-Mehr organisiert. Dies erfreute sich großer Beliebtheit.

September:Leben und Tod des Bürgermeisters Joseph Franz Franken (1798-1872). Der vor 150 Jahren gestorbene Bürgermeister musste sich unter anderem mit dem katastrophalen Hochwasser im Januar 1861 beschäftigen. Das Wasser floss im großen Strom in die Stadt. In der Folge wurde der beliebte Franken 1862 sogar auf Lebenszeit zum Bürgermeister gewählt.

Oktober:Fettforscher Dr. Wilhelm Normann. 1901 machte der Fettforscher eine bahnbrechende Entdeckung. Es war erstmals möglich, pflanzliche und tierische Öle in feste Form zu bringen. Zunächst verkaufte er sein Patent nach England und in die Niederlande, weil kein solventer deutscher Käufer zu finden war. Der Jurgens-Konzern errichtete 1911 dann die Germania Ölwerke GmbH in Emmerich – und stellte den patenten Dr. Normann ein...

November:Emmericher Werbegemeinschaft. Vor 50 Jahren wurde der Verein für Heimatfreunde und Verkehrsverein 25 Jahre nach seiner Gründung aufgelöst – und die Emmericher Werbegemeinschaft als Nachfolgerin gegründet. Die Höhen und Tiefen der EWG werden in dem Bericht aufgegriffen.

Dezember:Die Kulturfabrik Lohmann. Hierbei geht es um die langatmige Diskussion um das leerstehende Gebäude der Kakao- und Schokoladenfabrik Neugebaur & Lohmann, die im Dezember 1997 ihren vorläufigen Höhepunkt erreichte. Statt einem Kultur- und Jugendzentrum, das Jahre diskutiert wurde, beschlossen CDU und SPD: Es kommt ein Plakatmuseum.