Rees/Appeldorn. Professor Borcherding mag es natürlich. Sein 8500 Quadratmeter großes Grundstück in Appeldorn ist ein wahres Naturparadies. Er lebt fast autark.

Irgendwie passt das nicht wirklich zusammen, zumindest optisch. Eine schicke rote Tesla-Limousine wird gerade vor dem Holzhaus elektrisch aufgeladen, als der Autobesitzer die Türe öffnet: in blauen, verwaschenen und nicht ganz sauberen Jeans, Holzfällerhemd, Clogs. Durch Haus und Wintergarten geht’s nach draußen. „Ich bin schon privilegiert, finanziell geht’s mir gut“, räumt der lässig gekleidete Herr des Hauses sofort ein. Und zeigt dann in den Garten. 8500 Quadratmeter groß ist das Grundstück in Appeldorn. Und das hat Professor Dr. Jost Borcherding gemeinsam mit Ehefrau Silke zu einem wahren Paradies für Naturliebhaber gemacht. „Alles mit meinen eigenen Händen: vom Haus bis zur Streuobstwiese“, lacht er.

1996 hatte sich der Wissenschaftler, der seit Jahrzehnten an der Außenstelle der Uni Köln in Grietherbusch bei Rees forscht, das Grundstück gekauft. „Da gab’s einen acht Meter hohen Schutthaufen vom ehemaligen Bauernhaus, das da mal gestanden hat, und den Schweinestall, sonst nichts“, erzählt der gebürtige Düsseldorfer. Das übrige Gelände sei eine furchtbar verkommene Brachfläche gewesen. Und aus der haben die Borcherdings ein echtes Refugium für Pflanzen und Tiere geschaffen.

Mit ganz viel Hang zum autarken Leben

Mit ganz viel Hang zum autarken Leben. Das sieht man sofort. Auf dem Schweinestall gibt’s schon seit sehr, sehr vielen Jahren Photovoltaik-Anlagen, eine davon von ihm selbst montiert, eine weitere lässt er im April auf dem Wohnhaus installieren. „Dann können wir uns komplett selbst mit Strom versorgen“, sagt er. Was gerade mit Blick aufs Innenleben im Schweinestall wichtig ist. Dazu später mehr.

Tochter Svenja hat Heidschnucke „Lämmchen“ mit der Flasche aufgezogen.
Tochter Svenja hat Heidschnucke „Lämmchen“ mit der Flasche aufgezogen. © Funke Foto Services GmbH | Thorsten Lindekamp

Das Material fürs Holzhaus, und zwar Kiefern und Fichten, hat damals eine österreichische Firma zugeschnitten angeliefert. „Zusammengebaut haben wir es selbst. Von der ersten bis zu letzten Schraube“, erinnert er sich. Heute ist die Fassade aus viel besser isolierendem Lärchenholz, außerdem ist es jetzt dichter als vorher. Zudem sorgt jetzt eine Wärmepumpe für die entsprechende Sommer- wie Wintertemperatur. „Der Gaszähler ist jedenfalls abgebaut. Fossile Brennstoffe brauchen wir nicht mehr“, sagt er nicht ohne einen gewissen Stolz.

Experiment mit Samen und Zwiebeln für eine Firma

Vorbei an einem Kräutergarten, einem Hühnerstall, einem gut 300 Quadratmeter großen Teich, den er nach anfänglichen Eigenversuchen dann doch mit einem Profi-Baggerfahrer ausheben ließ, geht’s in den hinteren Teil des Anwesens: Hier halten gerade im (natürlich selbstgebauten) Pferdestall Joker und Patchi ihren Mittagsschlaf, während die beiden Hunde Ruby und Gwinni auf der Streuobstwiese tollen. Mit dabei: sieben Schafe, genauer gesagt Heideschnucken. Zu gegebener Zeit werden die Lämmer vom Profi geschlachtet, „wobei ich mit helfe“, sagt der Professor. Und später werden sie gegessen.

Alleine über acht Sorten alter Apfelbäume stehen auf der Wiese, zudem Mirabellen, Birnen, Pflaumen, Kirschen. Eine 350 Meter lange Hecke zäunt das Areal ein. Und einmal Wissenschaftler, immer Wissenschaftler. Es gibt sogar ein kleines Experiment, sozusagen einen Feldversuch mit Samen und Zwiebeln für eine Firma. „Wir wollen wissen, was da wirklich wächst“, meint Borcherding. Dafür gebe es sogar Geld, das dem Förderverein seiner Außenstelle in Grietherbusch zu Gute kommt.

42 Aquarien mit südamerikanischen Zierfischen

Im ehemaligen Schweinestall erwartet uns Ehefrau Silke. Sie ist Diplom-Biologin, hat bis vor vier Jahren in der benachbarten Zuckerfabrik im Labor gearbeitet. Doch das, was mal als Hobby im Stall anfing, ist mittlerweile ein gut gehendes Geschäft: Denn die Borcherdings züchten in 42 Aquarien südamerikanische Zierfische, und zwar gut 40 verschiedene Welsarten, die mittlerweile in ganz Europa Abnehmer finden.

Im ehemaligen Schweinestall züchtet der Öko-Professor gemeinsam mit Ehefrau Silke südamerikanische Welse. Er entwickelt und baut die Ton-Höhlen für die Fische zum Teil selbst.
Im ehemaligen Schweinestall züchtet der Öko-Professor gemeinsam mit Ehefrau Silke südamerikanische Welse. Er entwickelt und baut die Ton-Höhlen für die Fische zum Teil selbst. © Funke Foto Services GmbH | Thorsten Lindekamp

Klar, dass im Raum tropische Temperaturen von konstant 29 Grad herrschen. „Dafür brauchen wir viel Energie“, sagt der 63-Jährige mit Blick auf die neue Photovoltaik-Investition. Damit könne der Energie-Bedarf dann bald komplett selbst gedeckt werden.

Firma im ehemaligen Schweinestall wird weiter ausgebaut

Doch es geht noch weiter: Denn gefragt sind bei den Kunden der Firma Nature 2 Aqua besonders auch Deko-Artikel wie Höhlen aus Ton. „Die machen wir auch selbst“, sagt die 49-jährige Chefin. Entwickelt hat ihr Mann viele der Ton-Gefäße. Das Geschäft läuft jetzt so gut, dass Silke Borcherding eine Mitarbeiterin fest angestellt hat. Absehbar soll der frühere Schweinestall dann auch bald noch weiter ausgebaut werden.

An Urlaub denken die beiden selten. „Und wenn, verbringen wir ihn hier. Die Tiere müssen ja versorgt werden“, sagt der umtriebige Professor. Falls ihn doch mal das Fernweh packt, so wie bei einer Reise vor Jahren ins Amazonas-Gebiet, springen liebend gern seine Studenten ein. „Die machen dann hier Urlaub auf dem Bauernhof und kümmern sich um alles“, freut sich der Wissenschaftler über das Engagement der jungen Leute.