Emmerich. Vor drei Monaten brachen bisher Unbekannte ins Zollamt Emmerich ein und raubten 6,5 Millionen Euro. Manches spricht für einen Insider-Tipp.
Gut drei Monate nach dem spektakulären 6,5-Millionen-Coup im Zollamt Emmerich am Niederrhein gibt es weiter keine heiße Spur von der Beute. Von dem Geld sei bisher nichts aufgetaucht, eine Ermittlungskommission verfolge „zahlreiche Ermittlungsansätze“, sagte der Klever Oberstaatsanwalt Johannes Hoppmann. Auch die Untersuchung des Tatortes habe neue Spuren ergeben. Für die Ergreifung der Täter hatten die Behörden die ungewöhnlich hohe Belohnung von 100 000 Euro ausgesetzt.
Bei dem Einbruch am Allerheiligen-Feiertag (1. November) 2020 hatten drei Täter früh morgens eine Kellertür des Zollamtes aufgehebelt. Im Keller sollen sie von einem Nebenraum aus die Wand des Tresorraums mit einem schweren Kernbohrer durchbrochen haben. Den Bohrer hätten sie nach der Tat wieder mitgenommen, sagte Hoppmann. Die Täter hatten das Geld in mehreren „Safe-Bags“ aus dem Tresorraum getragen. Ein vierter Mann stand dabei wohl draußen Schmiere.
Millionen-Raub: Zeugen hörten Bohrgeräusche
Zeugen hatten ab 6 Uhr morgens Bohrgeräusche gehört, aber nicht die Polizei gerufen. Sie berichteten später der Polizei, dass drei dunkel gekleidete Männer mit dunklen Strickmützen einen weißen Transporter mit den Tragetaschen beladen hatten. Anschließend fuhren sie mit dem Fahrzeug mit Klever Kennzeichen weg (Text-Link). Später fuhr der vierte Verdächtige mit einem Auto in die gleiche Richtung. Von ihm und dem Auto machte ein Zeuge Fotos, die die Polizei für einen Fahndungsaufruf nutzte.
Der Fall, der Mitte November auch Thema in der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY ... ungelöst“ war, hatte für Kritik an den Zollbehörden und Spekulationen über mögliche Insiderinformationen der Täter gesorgt. Sie hatten nämlich zielsicher zugeschlagen, als eine sehr hohe Summe in dem kleinen Zollamt lag.
Gewerkschaft fordert bewaffnetes Sicherheitspersonal für den Zoll
„Der Zoll muss von seinem aus der Zeit gefallenen Zahlstellensystem abrücken“, forderte der für den Zoll zuständige Polizeigewerkschafter Frank Buckenhofer. Da immer wieder sehr hohe Beträge verwahrt würden, müsse das Geld besser geschützt werden. Nötig sei bewaffnetes Sicherheitspersonal rund um die Uhr. Zollämter wie das in Emmerich hätten geregelte Dienstzeiten wie ein Finanzamt, seien also nachts und an Feiertagen unbesetzt, die Beamten seien unbewaffnet, es fehle vielfach an der baulichen Infrastruktur, sagte Buckenhofer.
Das zuständige Hauptzollamt Duisburg versicherte, dass nach dem Fall die Sicherheitsvorkehrungen in Emmerich „noch einmal nachhaltig verstärkt“ worden seien. Außerdem habe es NRW-weit eine „erneute Gefährdungsbewertung für alle Zolldienststellen“ gegeben. Zu einem Bericht der „Bild“-Zeitung vom November, dass die Alarmanlage des Hauses in Emmerich seit Jahren defekt gewesen sei, wollte sich die Sprecherin des Hauptzollamtes auch dreieinhalb Monate nach der Tat nicht äußern.
Sichergestelltes Geld kann nicht sofort zur Landeszentralbank
Von den 6,5 Millionen Euro Beute stammten 3,7 Millionen aus Sicherstellungen, hatte die Staatsanwaltschaft mitgeteilt. Das könnten Drogengelder, Schwarzgeld oder aus anderen Gründen verdächtige hohe Bargeldsummen aus Kontrollen des grenzüberschreitenden Fahrzeugverkehrs sein. Emmerich liegt in Nordrhein-Westfalen in unmittelbarer Grenznähe zu den Niederlanden, die Staatsanwaltschaft Kleve ist für Delikte im Grenzgebiet zuständig.
Bei solchen Sicherstellungen wird das Geld bis zu einer Gerichtsentscheidung verwahrt, weil es als Beweismittel wichtig ist. So haften eventuell Drogenreste an dem Geld, oder Fingerspuren könnten zu finden sein. Deshalb kann das Bargeld nicht sofort an sichere Orte etwa bei der Landeszentralbank gebracht werden.
Wer in der Behörde wusste von dem Geld?
Direkt nach der Tat hatte der 2020 noch zuständige Klever Oberstaatsanwalt Günter Neifer spontan an eine undichte Stelle beim Zoll oder der Polizei gedacht. „Das war mein erster Gedanke: Da muss einer einen Tipp gegeben haben“, hatte Neifer gesagt. „Jetzt wird geprüft: Wer genau wusste von dem Geld.
“Wenn dieser Verdacht sich bestätige, gebe es gute Chancen, den Tippgeber zu überführen und das Verbrechen aufzuklären, sagte ein mit dem Vorgang vertrauter NRW-Fahnder. „Die 6,5 Millionen würde ich aber in den Wind schießen, die dürften weg sein“, spekulierte der Experte. (dpa)