Emmerich. Was sticht für Sie persönlich im Alltag mit dem Coronavirus besonders heraus? Hat die NRZ im Bürgerbarometer gefragt. Das Ergebnis überraschte.

Was sticht für Sie persönlich im Alltag mit dem Coronavirus besonders heraus? Die Antwort hat uns überrascht. 81 Prozent der Emmericher nennen im Rahmen des NRZ-Bürgerbarometers die Sorge um den Erhalt der Geschäfte und Gastronomien. Die Sorge um die Gesundheit, die wir vorne erwartet hätten, kommt mit 66 Prozent deutlich dahinter auf Platz 2.

Emmerichs Wirtschaftsförderin Sara Kreipe kann sich das durchaus erklären: „Das hat mit der Entwicklung der vergangenen zehn Jahre zu tun. Die Bürger sind sensibilisiert, das zu schützen, was noch da ist.“

Horst Welling: „Das ist eine schöne Bestätigung“

Horst Welling, Wirt der Traditionsgaststätte Zum Raben an der Kirchstraße, freut sich über den Zuspruch: „Das ist eine schöne Bestätigung. Wir sind doch eine große Familie.“ Noch kurz vor dem Corona-Ausbruch im März wurden in der Gaststätte drei Jubiläen zugleich gefeiert: 190 Jahre Zum Raben, der 60. Geburtstag Wellings und 20 Jahre Welling im Raben. Doch die Vorboten waren am 14. März schon zu spüren. Von 110 geladenen Gästen kamen 60 und es wurde auf Abstand gefeiert.

Der erste Lockdown traf natürlich auch Welling: „Die Kosten liefen weiter. Aber wir haben das Glück, dass wir Eigentümer des Gebäudes sind.“ Auch Welling hat 200 Liter Bier wegkippen müssen. Rund 40 Feiern sowie etliche Versammlungen im Raben sind weggebrochen. Zum Raben meldete Kurzarbeit an, wobei neben den Aushilfen nur die Tochter fest angestellt ist. Immerhin habe Bezahlsender Sky ihm zwei Monate die Beiträge erlassen, als der Ball in der Bundesliga nicht rollte und dann stufenweise wieder erhöht.

Sperrstunde um 23 Uhr war schon sinnvoll

In der Gaststätte Zum Raben hat Horst Welling frühzeitig Kunststoff-Trenner an der Theke angebracht. So konnten wenigstens zwei oder drei Gäste zusammen an der Theke sitzen.
In der Gaststätte Zum Raben hat Horst Welling frühzeitig Kunststoff-Trenner an der Theke angebracht. So konnten wenigstens zwei oder drei Gäste zusammen an der Theke sitzen. © Funke Foto Services GmbH | Thorsten Lindekamp

„Die Menschen haben das tägliche Gespräch vermisst“, bekam Welling zu hören, als die Gastronomie wieder eröffnen durfte. Im Raben sind auch viele ältere Gäste häufig unterwegs, die man zur Risikogruppe zählen muss. Frühzeitig hatte sich Welling für 500 Euro um Kunststoff-Trenner an der Theke bemüht, sodass zwei oder drei Gäste zusammen abgetrennt sitzen konnten. „Das Ordnungsamt hatte dafür grünes Licht gegeben“, so Welling.

Die jüngsten Maßnahmen erachtet Welling als sinnvoll. Schon die Sperrstunde um 23 Uhr etwa: „Wenn der Alkohol fließt, dann werden viele leichtsinniger.“ Und auch Abstände zu halten, begrüßt der Wirt. Selbst die Niederländer, die zuvor teils etwas stur waren, hätten sich daran gewöhnt, so sein Eindruck.

Gastro-Regelung im November findet Horst Welling fair

Die Regelung, dass die Wirte 75 Prozent der Einnahmen im November 2019 als Förderung erhalten, findet Horst Welling absolut fair: „Das ist besser als die Förderung im Frühjahr über 9000 Euro, die irgendwann zurückzuzahlen war.“ Bei einer weiteren Öffnung hätte die Gastronomie sicherlich mit einem deutlichen Besucherschwund rechnen müssen.

Diesmal ist Horst Welling auf den November-Lockdown auch besser vorbereitet. Nur 50 Liter Bier sind übrig, die Lieferintervalle wurden verkürzt. Welling wird auch Speisen außer Haus liefern, aber nur auf telefonische Vorbestellung. Vergangene Woche seien knapp 35 Portionen Muscheln bestellt worden. Weitere beliebte Speisen sind die Schnitzel-Klassiker. Ansonsten werden die Baumärkte wieder gefragt sein: Es ist die Zeit für kleinere Reparaturarbeiten und Anstriche.

Zum Raben würde von Vivatrium-Eröffnung und Wochenmarkt-Rückkehr profitieren

Seinen Optimismus hat er nicht verloren: Natürlich hofft Welling, im Dezember wieder eröffnen zu können. Und die mittelfristige Perspektive ist ja eigentlich gut. Wenn der Neumarkt-Neubau Vivatrium eröffnet und der Wochenmarkt zurückkehrt, wird es mehr Laufpublikum geben. „Wir werden dann unsere Außengastronomie mit dem Vorbau ausbauen“, so Welling. Und in sechs bis sieben Jahren möchte Horst Welling in Rente gehen. Diesen Plänen sollte Corona doch bitte keinen Strich durch die Rechnung machen.

An die Verpächter anderer Gastronomien richtet er den Appell, die Mieter bei der Stange zu halten und ihnen entgegen zu kommen. Überhaupt noch Wirte zu finden, das werde nämlich nicht leichter.

Essensbestellungen vorab nimmt Zum Raben unter 02822/70463 entgegen. Weitere Infos unter http://zumrabenemmerich.jimdofree.com.

>> Die Auswertung der Befragung

Die Antworten im NRZ-Bürgerbarometer geben weiteren Aufschluss: Bis auf die 14- bis 19-Jährigen (mehr fehlende Feiern und eingeschränkte Urlaubsmöglichkeiten genannt) haben alle Altersstufen die Geschäfte und Lokale am häufigsten genannt. Die Sorge um die Gesundheit ist bei den 40- bis 49-Jährigen mit 84 % am stärksten ausgeprägt. Die Über-70-Jährigen nannten häufiger als andere Altersgruppen (54 %) die Überlastung der Arztpraxen und Krankenhäuser. In der Altersgruppe der 20- bis 29-Jährigen sticht mit 71 Prozent das fehlende Kulturangebot noch heraus.

Wenig überraschend sind es vor allem die 20- bis 39-Jährigen (44-47 %), die den Unterricht zuhause bzw. die Kinderbetreuung am stärksten genannt haben, im Vergleich der Altersgruppen: Das sind eben die Eltern der Kinder. Von Sorgen um den Arbeitsplatz sind am ehesten die 40- bis 49-Jährigen geplagt, die dies zu 39 % nannten.

Männer nannten fehlende Feiern häufiger, Frauen die Überlastung der Praxen/Spitäler

Die Frauen sorgten sich im ersten Corona-Lockdown mehr um die Überlastung von Arztpraxen oder des Willibrord-Spitals (Bild) als die Männer in Emmerich.
Die Frauen sorgten sich im ersten Corona-Lockdown mehr um die Überlastung von Arztpraxen oder des Willibrord-Spitals (Bild) als die Männer in Emmerich. © FUNKE Foto Services | Markus Weissenfels

Einige Eckpunkte im Vergleich männlich/weiblich: 85 Prozent der Frauen nannten die Sorge um die Gastronomie/Geschäfte, 77 % bei den Männern. Ein Unterschied ist etwa bei den größeren Feiern zu bemerken: Diese vermissten 50 % der Männer und 41 % der Frauen. Die Überlastung der Arztpraxen/Spitäler hingegen nannten 51 % der Frauen und 39 % der Männer. Hier stechen zwei Altersgruppen bei den Frauen besonders heraus: 61 % der 30-39-Jährigen (30 % der Männer) und 64 % der Über-70-Jährigen (43 % der Männer).

[In unserem lokalen Newsletter berichten wir jeden Abend aus Emmerich, Rees und Isselburg. Den E-Mail-Newsletter können Sie hier kostenlos bestellen.]