Klein-Netterden. Im Interview mit Klein-Netterdens Ortsvorsteher Herbert Scheers berichtet dieser vom Durchbruch: Radweg Netterdensche Straße wird wohl erweitert.
Schon seit 1999 ist Herbert Scheers (CDU) Ortsvorsteher von Klein-Netterden. Mit nun 70 Jahren möchte er gerne zur Kommunalwahl im September aufhören.
Was hat Ihnen rückblickend an ihrer Aufgabe am meisten gefallen?
Ich mache das 20 Jahre. Es ist ein Wahlamt, das nach der Wahl erst festgestellt wird. Man kann nicht automatisch einen Nachfolger benennen. Ich habe auch noch keinen. Wenn wir keinen finden, werde ich das vielleicht noch für eine gewisse Zeit fortsetzen...
Oha...
Aber ich habe mir gedacht, mit 70 Jahren und nach 20 Jahren ist vielleicht auch mal ein Punkt zu setzen, wo man sagt: Jetzt macht das mal ein neuer mit einem anderen Stil.
Klein-Netterden hat ja keine so riesigen Probleme. Es ist eine Bauernansiedlung mit ein wenig dörflicher Landbewohnung, aber eine Ortsmitte haben wir nicht. Was hat mir am meisten gefallen? Schwierig zu beantworten. Die Zustimmung der Bürger, die Akzeptanz war immer sehr hoch. Die Probleme, die wir hatten, zum Beispiel die Neuansiedlung Diepe Kuhweg 2005, mit Fragen, wie die Straßen angeschlossen werden, welche Gebühren, die die Häuslebauer bezahlen mussten, sind natürlich schwierige Themen gewesen.
Da musste man viel vermitteln...
Ja.
Was macht den Charme aus, in Klein-Netterden zu leben?
Die schöne, weite Freiheit, die Natur hier.
Davon haben Sie ja auf dem Bauernhof reichlich.
Ich bin hier geboren. Auch hier auf dem Hof. Ich habe nach dem Tod meines Vaters 1972, ich hatte Landwirtschaft gelernt, den Betrieb übernommen. Den habe ich bis vor etwa acht Jahren geführt. Jetzt macht das die Tochter mit dem Schwiegersohn. Ich bin aber nach wie vor noch aktiv.
Die A3-Abfahrt Emmerich-Ost wurde 2017 eröffnet: Wie sehr wurmt es Sie, dass es noch keinen durchgehenden Radweg an der Netterdenschen Straße gibt?
Das ist ein Riesenproblem. Mit dem Antrag auf die dritte Autobahnausfahrt war das Problem schon bekannt. Man hat sehenden Auges, Politik und Verwaltung, dieses Problem gehabt und leichte Lösungsansätze versucht, aber man hat mehr Ärger geschaffen als Lösungen. Mit dem heutigen Verkehrsaufkommen ist das ein ganz schwieriges Problem.
Die Stadt Emmerich hat aber einen Mediator eingesetzt, Edmund Verbeet, und mich als Ortsvorsteher. Wir haben uns riesige Mühe gegeben. Ich kann Ihnen sagen, wir stehen sehr, sehr kurz vor einem Abschluss, dass wir doch den Radweg fortsetzen können parallel zur Netterdenschen Straße. Betroffen waren zwei Landwirte, die von ihrem Grundbesitz etwas abgeben müssen. Wir haben erfolgreiche Verhandlungen führen kommen und kommen binnen kurzer Zeit zu vertraglichen Abschlüssen, so dass die Stadt Emmerich diese Grundstücke kaufen kann.
Das ist ja ein Riesenerfolg...
Ja, ich freue mich auch sehr. Herr Verbeet hat unwahrscheinlich viel Arbeit geleistet. Ich hatte natürlich den Heimvorteil, dass die beiden Landwirtschaftsfamilien mich kennen. Wenn man geborener Landwirt ist, hat man natürlich auch ein Herz für die Anliegen der Landwirte. Aber dieser absolut katastrophale Gefahrenpunkt, der muss unbedingt beseitigt werden. So schnell wie möglich. Da sind die Aussichten sehr, sehr gut.
Der Nettpark hat zuletzt durch die Speditionen Convent und Fiege Zuwachs bekommen, der Verkehr dorthin hat deutlich zugenommen. Inwieweit macht es Sinn, über die Anbindung der Budberger-Straße und des Ravensackerweges nochmal nachzudenken?
Ich habe die Frage verstanden (schmunzelt). Es gab viele Vorschläge aus der Interessengemeinschaft, die Bürgerinitiative, die sich rechtlich auch versucht hat dagegen zu wehren, dass die A3-Ausfahrt an die Netterdensche Straße kommt und nicht auf der Budberger Brücke. Da hieß es immer: Nein, dann müsste die Brücke erneuert werden. Das ginge zu Lasten der Stadt Emmerich. Diese Kosten könnte die Stadt nicht tragen.
Jetzt ist also alles so gekommen, wie beantragt. Und einer der Landwirte hat gesagt, an dieser Straße kann ich dann nicht mehr wirtschaften. Wenn das ein Autobahnzubringer ist, komme ich von meiner Hofstelle gar nicht mehr runter. Zu gefährlich. Er hat dann den Betrieb verlagert an den Ravensackerweg. Sowohl die Wirtschaftsgebäude als auch die Wohngebäude. Der wohnt da jetzt seit Januar 2020. Da kann doch jeder nachvollziehen, dass der sagt: „Mit mir kann jetzt über eine Öffnung des Ravensackerweges, um vom Nettpark schneller auf den neuen Autobahnanschluss zu kommen, keiner ernsthaft reden wollen.“
Das ist verständlich. Das Problem hätte man früher sehen können.
Und gerade diese Familie hatte sogar angeboten, wenn die Abfahrt zur Budberger Straße käme, da wären sie auch mit Flächen betroffen, darüber hätte man reden können. Aber es wurde mit vielen Gründen gesagt, man halte fest an der Abfahrt an der Netterdenschen Straße. Einmal die Kosten für die Brücke, ein Argument, das so eigentlich nicht gestimmt hat...
Die Budberger-Brücke wurde danach ja auch trotzdem abgerissen und neu gebaut...
Genau. Und es war auch schon vor einigen Jahren bekannt, dass alle Brücken auf der A3 da erneuert werden müssen, weil sie eben ein gewisses Alter haben und Spannbeton nicht ewig lebt. Man hätte das eleganter lösen können. Man hätte dann auch null Betroffenheit gehabt bei der Wohnbebauung. Wir haben ja jetzt an der Netterdenschen Straße auch Wohnbebauung, die Bewohner waren es 50 Jahre gewohnt eine schöne breite Straße zu haben mit relativ wenig Verkehr. Der Verkehr hat erheblich zugenommen. Mittlerweile haben alle Navis, alle Lkw diese Ausfahrt Emmerich-Ost drin.
Ich sehe keine Chance und würde auch nicht befürworten, dass man den Steinackerweg oder den Ravensackerweg oder die Budberger Straße, um die neue Autobahn-Abfahrt zu erreichen. Für eine 30.000-Einwohner-Stadt wie Emmerich sind insgesamt drei Autobahnanschlüsse schon Luxus. Wir haben leistungsfähige Straßen. Wenn wir das Radweg-Problem gelöst kriegen, dann muss auch mal Ruhe sein.
Die Ortschaft zählt nur rund 800 Einwohner, große landwirtschaftliche Flächen und reichlich Firmen im Industriegebiet: Inwieweit wirkt sich das auf die Aufgaben des Ortsvorstehers aus?
Da schlägt wieder das Herz des Landwirts in meiner Brust. Der Verlust der landwirtschaftlichen Nutzflächen ist schon gravierend. Man geht gerne mit Gewerbegebieten raus auf die grüne Wiese. Es gibt auch Altgewerbe-Flächen, die nicht genutzt werden. Da fürchten Investoren die Altlasten. Wir haben schon große Flächenverluste erlitten mit der BLG, mit Emmerich Ost III und IV. Man kann das wahrscheinlich nicht gegenhalten. Es gibt Druck auf die Flächen. Ich denke mal auch jeder Bürger muss sich bewusst sein: Die landwirtschaftliche Nutzfläche ist nicht vermehrbar. Natürlich brauchen wir Fläche für Wohnungsbau, Straßenbau, Gewerbe und Naturschutz, aber letztendlich ist es keine unergiebige Quelle. Es ist schade. Es geht auch um gute landwirtschaftliche Flächen.
Wie stehen Sie zu Ausgleichsflächen, wenn zum Beispiel Bäume gefällt werden müssen?
Ich habe nichts gegen Naturschutz. Im Gegenteil, ich bin dafür. Ich bin aber nicht dafür, dass wir für Ausgleichsmaßnahmen einfach in die Fläche gehen. Über dieses System der Ökopunkte ist das zwar sehr wirtschaftlich, für die diejenigen, die die Ökopunkte ausgleichen müssen. Und wenn ich es als Naturschutzfläche anbiete, dann habe ich den Kaufpreis locker wieder eingefahren.
Wir brauchen Flächen für alles mögliche. Aber dass wir nochmal genau so viel Fläche für Ausgleichsmaßnahmen brauchen, die im gewissen Maße sein müssen – das können wir auf die Dauer so nicht durchhalten.
Wir haben vielleicht ein bisschen das Maß verloren zwischen dem, was sein muss, und dem, was wir tun. Ich vergleiche da schon mal gerne mit dem scherzhaften Satz: Jeden morgen ein Schnaps ist gesund, jeden Tag ne ganze Flasche ist der Ruin. Dass wir eine ganze Straßenbau- oder Deichbaumaßnahme stoppen oder umlegen, das ist zu viel des Guten.
Welche weiteren Herausforderungen sehen Sie für Klein-Netterden?
Ich hoffe, dass wir den größten Teil der gewerblichen Entwicklung hinter uns haben. Ich erhoffe mir, dass Klein-Netterden eine Ortsbauernschaft bleibt. Die Konzentration in der Landwirtschaft, das Höfesterben, hat in den vergangenen 50 Jahren rasant zugenommen. Es ist schade, wenn viele Familien wegen der Wirtschaftlichkeit aufgeben müssen. Das Handycap der Landwirtschaft ist, dass wir uns ständig rechtfertigen müssen, obwohl wir Lebensmittel erzeugen und diejenigen sind, die die Natur auch super in Ordnung halten und pflegen. Es gibt gut funktionierende Betriebe, wo es keinen Hofnachfolger gibt, weil keines der Kinder sich das antun möchte. Da kann man in der freien Wirtschaft leichter seinen Lebensunterhalt verdienen.
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