Kreis Kleve. Seit 2008 ist Guido Winkmann Bundesliga-Schiedsrichter. Jetzt will er Landrat werden. Sein Wahlprogramm braucht keine politischen Mehrheiten.

Wenn am 13. September die Kommunalwahlen anstehen, dann ist Guido Winkmann nicht auf den ersten Blick Favorit für das Amt des Landrates im Kreis Kleve. Aber der 46-Jährige ist zweifelsohne der prominenteste Kandidat. Während Silke Gorißen die CDU im Rücken hat, der parteilose Peter Driessen von SPD, Grünen, FDP und den freien Wählergemeinschaften unterstützt wird, ist der ebenfalls parteilose Guido Winkmann als Bundesliga-Schiedsrichter bundesweit bekannt. Landrat und Schiedsrichter? Da sieht der Referee Parallelen: „Ein Landrat muss wie ein guter Schiedsrichter den Rahmen schaffen.“

Für diese Wahlversprechen bräuchte Winkmann keine Kreistags-Mehrheiten

Wie ist es zur Kandidatur gekommen? Der Polizist hat über die Zustände im Kreis öfter mal gemeckert. Nicht meckern, selber anpacken. An dieses Credo erinnerte ihn ein Bekannter. So habe er ein 15-köpfiges Wahlkampfteam aufgestellt (acht besonders aktiv im Kern): „Wir geben Gas, um den Kreis Kleve nach vorne zu bringen“, sagt Guido Winkmann. 290 Unterschriften von Kreis Klever Bürgern waren nötig, um sich offiziell aufstellen lassen zu können: „Bei 600 habe ich aufgehört zu zählen“, freut sich der 46-Jährige über die Unterstützung.

Seine Unabhängigkeit stellt der heute in Kerken lebende Kandidat heraus: „Ich bin in keiner Gewerkschaft und in keiner Partei Mitglied. Auf parteipolitische Dinge muss ich keine Rücksicht nehmen. Ich darf alles sagen. Wichtig sind die Inhalte.“ Und da hat Guido Winkmann in seinem Wahlprogramm einen schlauen Zug getätigt. Alle Kernthemen lassen sich ohne den Kreistag allein durch das Handeln der Kreisverwaltung angehen. Winkmann wäre zumindest hier nicht von politischen Mehrheiten abhängig. Er nennt fünf Schwerpunkte:

1. Mit der Jugend kommunizieren und diskutieren

Als Landrat möchte Winkmann heute mit der Jugend sprechen. Jene Jugend, die in zehn Jahren hoffentlich in den Kreis Kleve zurückkehrt, um den Fachkräftemangel abzufedern. „Ich will wissen, was sie bewegt. Die Jugend von heute ist politisch sehr interessiert. Und zwar nicht nur bei Fridays For Future.“ Deshalb möchte er das Projekt Jugend trifft Landrat face to face initiieren. Einmal im Quartal sucht er das Gespräch „auf Augenhöhe“, ganz ungezwungen. Ferner werde er sein Handeln in sozialen Medien transparent machen.

2. „Für alle 16 – mit allen 16“

Guido Winkmann will ein „Vor-Ort-Landrat“ sein. Er möchte die Kreisverwaltung als Servicebehörde für alle Kommunen verstanden wissen. Ein elementarer Baustein, um den Kreis attraktiver zu machen. Das Handeln soll schneller, dezentraler, digitaler und bürgernäher werden. Natürlich unter Einhaltung der Vorschriften. Ein Beispiel: „Wenn aus Rees fünf Bauanträge von fünf Architekten vorliegen, die der Kreis genehmigen muss, warum sollen die fünf einzeln nach Kleve kommen?“ Besser wäre es, wenn der Kreis an einem Tag nach Rees käme.

Hierbei sei es auch wichtig den Kreis-Mitarbeitern die Vorteile seiner Ansätze aufzuzeigen: „Ich versuche immer alle Leute mitzunehmen. Am Ende ist die Effektivität für alle wichtig“, meint Winkmann.

3. Corona: Kosten, Belastung, Chancen

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Es gelte Strategien zu entwickeln, um die hohen Kosten der Krise für alle 16 Kommunen aufzufangen. Auch das Gespräch mit dem Kreiswirtschaftsförderer möchte der Landratskandidat suchen.

Eine Chance ergebe sich durch das Homeoffice, wie es in Corona-Zeiten von vielen zwangsweise eingeübt wurde. Auf diesem Wege blieben etliche Pendler den Straßen fern, schonten die Umwelt und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ließe sich fördern. Dafür sei natürlich eine stärkere Digitalisierung nötig. Aber: „Was bringt Digitalisierung ohne Qualifizierung?“, fragt Winkmann. Der Umgang mit der Technik müsse erlernt werden.

4. Ja zu EU-Facharbeitern – Nein zu Ausbeutung und Problemimmobilien

Das Thema Leiharbeiter gehört für Guido Winkmann als Kriminalbeamter im Landeskriminalamt zu seinen Spezialgebieten. Zwei Jahre sei er interdisziplinär mit Problemimmobilien und organisiertem Sozialleistungsmissbrauch beschäftigt gewesen. Der Polizist hat klare Vorstellungen, wie er die Ausbeutung der Leiharbeiter und die Nebenerscheinung der für Nachbarn schwierigen Problemimmobilien anpacken will. Er ist nach seinen Erfahrungen im Landeskriminalamt und vor Ort in Duisburg überzeugt, dass es funktioniert.

„Ich würde als Landrat als erstes eine Taskforce gründen, an der alle wichtigen Abteilungen und Behörden beteiligt sind, um das Thema kreisweit anzugehen.“ Es sei zweifelsohne ein hochkomplexes Thema, kaum übersichtlich, aber: „Man muss denjenigen auf den Füßen stehen, die die Leute ausbeuten.“

5. Umweltschutz: Kampf gegen Importgülle im Kreis Kleve zur Rettung des Grundwassers

Geschickter Schachzug: Im Wahlprogramm von Guido Winkmann stehen nur Themen, die er ohne politische Mehrheit im Kreistag umsetzen kann. Nämlich allein in Gemeinschaft des Kreises Kleve und der 16 Kommunen.
Geschickter Schachzug: Im Wahlprogramm von Guido Winkmann stehen nur Themen, die er ohne politische Mehrheit im Kreistag umsetzen kann. Nämlich allein in Gemeinschaft des Kreises Kleve und der 16 Kommunen. © FUNKE Foto Services | Markus Joosten

„Drei von zehn Gülletransporten aus den Niederlanden landen in NRW an Adressen, die es nicht gibt“, schildert der Polizist. Niederländische Importeure würden an der Grenze ihr GPS abschalten, sodass eine Nachverfolgung nicht möglich ist. Sollte er gewählt werden, dann werde stärker kontrolliert und das Thema dadurch in das Bewusstsein aller gerückt.

Der 46-Jährige hat den Eindruck, dass der zuletzt wohl auch corona-bedingt sehr ruhige Wahlkampf durch ihn aufgewirbelt wurde: „Alle waren scheinbar in der Komfortzone. Jetzt wird über Sachthemen diskutiert“, meint Winkmann.

Guido Winkmann glaubt an seine Chance: „Ich würde es nicht machen, wenn ich nicht glauben würde, dass ich Landrat werden kann.“ Gerne hält er für Pressefotos die bunten Schiedsrichter-Karten in diversen Farben hoch: „Das heißt, ich stehe für alle Parteien, alle Themen.“ Nur eines möchte der Polizist betonen: „Ich will keine einzige Stimme der AfD haben.“

>> Im Falle eines Wahlsieges wäre die Bundesliga-Karriere vorbei

Guido Winkmann stammt gebürtig aus Goch, wuchs in Nütterden auf, ist verheiratet, hat drei Kinder.

Schiedsrichter wurde er bereits 1989, weshalb er sich im ganzen Kreis Kleve sehr gut auskenne. In der Bundesliga pfeift Guido Winkmann seit 2008. Klar sei aber: Wird er Landrat, dann hängt er die Pfeife sofort an den Nagel.