Emmerich. Der rumänische Generalkonsul hat sich in Emmerich mit Leiharbeitern der Fleischindustrie über ihre miserablen Lebensumstände unterhalten.
Er wirkt fast etwas sprachlos, als die Pressevertreter Dr. Gheorghe Dimitrescu nach seinem Gespräch mit zwei rumänischen Leiharbeitern aus Emmerich befragen. Ein unwohles Gefühl mache sich bei dem rumänischen Generalkonsul breit, wenn er sich ihre Wohn- und Arbeitsverhältnisse vorstellen muss. „Die Probleme gibt es nicht nur in Emmerich. Wir sollten zusammen eine Lösung finden“, beteuert dann auch der Generalkonsul. Vielleicht über das Arbeitsrecht.
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Emmerich kann exemplarisch für ein europäisches Problem gesehen werden. In der Grenzstadt sind 671 Rumänen gemeldet. Bürgermeister Peter Hinze schätzt die Dunkelziffer auf etwa 1000 Rumänen. Viele von ihnen arbeiten als Leiharbeiter in der niederländischen Fleischindustrie und wohnen in einer der 38 Sammelunterkünften oder in privaten Wohnungen. Sie verdienen wenig Geld, müssen hohe Abgaben für die spärlich zur Verfügung gestellte Wohnfläche und den Transport in vollen Bullis leisten. Im Kreis Kleve, hat Hinze abgefragt, leben rund 3500 Rumänen, wobei auch Osteuropäer anderer Nationalität in dieser Branche ausgebeutet werden.
Corona richte den Blick „wie durch ein Brennglas“ auf das Thema
Mit am Tisch saß auch Frank Thon, DGB-Gewerkschaftssekretär der Region Niederrhein. Der DGB habe seit Jahren immer wieder das Thema vorgebracht: „Durch die Corona-Krise wurde der Blick wie durch ein Brennglas auf das Thema gerichtet.“ Schließlich hat es etliche Infektionen in den niederländischen Fleischerei-Betrieben gegeben und bekanntlich dann ein spätes Kontrollieren durch den Kreis Kleve.
Davor habe sich „die große politische Bühne nicht für das Thema interessiert“, so Thon. Schön, dass sich dies nun ändere. Der Gewerkschaftssekretär konnte sich jüngst selbst ein Bild von einer „menschenunwürdigen“ Unterkunft in Emmerich machen. Und das sei der Zustand nach dem ersten öffentlichen Druck. Schon heute sei es rechtswidrig, wie etliche Leiharbeiter wohnen müssten. „Ein deutscher Mieter hätte die Miete gekürzt“, meint Thon.
DGB fordert aufsuchende Sozialarbeit
Thons Forderung ist konkreter: „Wir brauchen aufsuchende Sozialarbeit in der Landessprache.“ Denn auch das ist eine recht neue Erkenntnis. Es sei keineswegs so, dass die Leiharbeiter nicht ansprechbar seien, wenn man sie denn in ihrer Landessprache anspricht.
Ferner erwartet der Gewerkschaftler, dass das Land NRW im Rahmen von Regierungskonsultationen mit den Niederlanden die Missstände auf die Tagesordnung bringe. Der Datenaustausch müsse voran getrieben werden. Dies hat der ebenfalls anwesende Tim Obermeier vom NRW-Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales sicherlich vernommen. Allerdings könne NRW nicht den Arbeitsschutz in den Niederlanden kontrollieren.
Die meisten Rumänen wollen in Deutschland bleiben
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Hinze und Dimitrescu haben vereinbart, in zwei oder drei Monaten nochmal zu telefonieren. Sie wollen im Blick halten, wie sich die Lage entwickelt. „Wir glauben nicht, dass die meisten von ihnen zurück nach Rumänien wollen. Sie wollen in Deutschland bleiben, sich integrieren und vielleicht auch hier arbeiten“, sagte Dimitrescu. Hinze stimmt zu, erste Familiennachzüge seien zu beobachten.
Für Emmerich stelle sich die Herausforderung, neben der Integration der Flüchtlinge und der großen Gruppe der Polen auch die Rumänen besser zu integrieren: „Wir wollen nicht, dass sich eine Parallelgesellschaft etabliert“, unterstreicht Hinze.
>> Ab Dienstag kein Leiharbeiter mehr in Quarantäne
Stichwort Corona: Mittlerweile wurden alle Leiharbeiter in Emmerich auf Corona getestet. Außer den bekannten 20 Infektionen hätten die Tests 13 Neuinfektionen ans Licht gebracht. Alle sind Rumänen. Aber am Dienstag werden die letzten aus der Quarantäne entlassen. Die Lage scheint im Griff zu sein.