Emmerich. Prozess gegen Zöllner aus Emmerich: Abgehörte Telefonate und ein Schaden, der selbst den Bundesfinanzminister beschäftigt.

Die handelnden Personen waren sich ihrer Sache sicher, wie aus den Mitschriften abgehörter Telefonate hervorgeht. Einmal, als die Fahnder ihnen schon auf der Schliche waren und einen Container in Emmerich sehen wollten, rief einer der Zollbeamten den Mitarbeiter der Importfirma an: „Ich brauch dringend ‘nen Container. Der kann nicht durchrauschen.“

Daraufhin wurde der Lastwagen, der schon kurz vor der polnischen Grenze war, umdirigiert und an den Niederrhein beordert. Später beschwichtigte der Zollbeamte seinen Verbindungsmann: „Immer schön cool bleiben.“

Richter offenbart große Freude am Detail

Die beiden Beamten, 67 und 61 Jahre alt, sitzen nun auf der Anklagebank im Saal A 105 des Landgerichts Kleve und müssen sich wegen des Schmuggels im großen Maßstab verantworten. Die Wirtschaftsstrafkammer unter Vorsitz von Richter Christian Henckel bemüht sich wie stets mit großer Freude am Detail um die Aufklärung der Vorgänge, die, so cool die nunmehr angeklagten Akteure auch geblieben sein mögen, mittlerweile für reichlich Aufregung und Klärungsbedarf auf höchster Ebene gesorgt haben.

Container falsch deklariert

Denn die vorgeworfenen Taten, das Durchwinken falsch deklarierter Container in den europäischen Wirtschaftsraum, ziehen erhebliche finanzielle Schockwellen nach sich, deren Folgen sowohl bei der Europäischen Kommission wie auch im bundesdeutschen Finanzministerium untersucht werden.

Dies wurde deutlich, als sich am Freitag in der Verhandlung ein Vertreter des Zolls zu Wort meldete und das finanzielle Ausmaß der Schäden zu verdeutlichen versuchte. Es blieb bei dem Versuch, weil eine finale Klärung noch in weiter Ferne zu sein scheint. Der Beamte berichtete vom „Ermittlungskomplex Steuermann“, der in sechs Untergruppen aufgeteilt ist. In jeder dieser Untergruppen geht es um hunderte von Containern, und jeweils wurden Zölle und Importsteuern in siebenstelliger Höhe hinterzogen.

Das Land haftet für Schulden

In vier dieser Untergruppen waren Zollbeamte an den Handlungen beteiligt. Das führte dazu, dass Zollabgaben in Höhe von 7.099.739,91 Euro hinterzogen werden konnten. Dieser Betrag an und für sich wäre schon ein Ärgernis. Doch das Geld steht Brüssel zu, und in Europa gilt die Regel, dass bei ausbleibenden Zahlungen das jeweilige Land zu hundert Prozent haftet, wenn Zollbeamte an der Entstehung des Schadens beteiligt sind – wie im vorliegenden Fall, der derzeit in Kleve verhandelt wird. Die Schuld wird mit einem Satz von 0,25 Prozent verzinst – und zwar monatlich.

Bundesrechnungshof hat sich eingeschaltet

„Wir gehen davon aus, dass die Summe ein Vielfaches der eigentlichen Schuld betragen wird“, so der Beamte. Eine erste Zahl, die im Raum steht, beläuft sich auf 20 Millionen Euro. Der Bundesrechnungshof hat sich schon mit dem Fall beschäftigt und offenbar deutliche Worte gefunden.

Auch interessant

Darüber hinaus lieferte der Verhandlungstag Einblicke in den Alltag der Behörde. Ein Beamter, der sich mit einem der beiden Angeklagten jahrelang ein Büro teilte, sagte über deren Verhältnis zueinander: „Wir haben uns Guten Tag gesagt“. Die im Computersystem gespeicherten Anwesenheitslisten hatten wohl nur bedingt etwas mit der Wirklichkeit zu tun, und einer der Angeklagten erklärte den Umstand, dass er auch während seines Urlaubs schon mal in der Dienststelle anzutreffen war, mit einer Lebensmittellieferung.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem 67 Jahre alten Angeklagten bandenmäßigen Schmuggel in 230 Fällen und Verletzung des Dienstgeheimnisses vor. Der zweite Angeklagte, 61 Jahre alt, muss sich wegen Steuerhinterziehung in 31 Fällen verantworten.